Präsident António Horta-Osório will das operative Geschäft der Credit Suisse vereinfachen. Doch wie sich zeigt, droht bei der Grossbank mit der neuen Matrix-Organisation ein Gewirr von Verantwortlichkeiten.
Ab nächstem Jahr werden die regionalen Schnellboote aus der Ära von Tidjane Thiam an die Kette gelegt. Wie auch finews.ch berichtete, gliedert die Credit Suisse (CS) ihr Geschäft neu: Aus fünf Divisionen werden vier, die selbstständige Region Asien-Pazifik verschwindet. Dies auf Geheiss des im vergangenen April gewählten Präsidenten António Horta-Osório, der am (heutigen) Mittwoch seine neue Strategie für die Grossbank präsentiert hat.
Regionen und Divisionen
Angepriesen wird der neue Plan, der mit Finanzzielen bis ins Jahr 2024 verbunden ist, als «Vereinfachung des integrierten Geschäftsmodells». Doch bei genauerem Hinsehen ergibt sich ein dichtes Netz von Verantwortlichkeiten und «Reporting Lines» bei der zweitgrössten Schweizer Bank.
Zu den vier Sparten kommen nämlich vier geografische Regionen hinzu: Die Schweiz, die Emea-Region mit Europa, Nahost und Afrika, weiter die Region Asien-Pazifik und schliesslich Americas. Hinzu kommt noch eine zentrale Technologie- und Backoffice-«Funktion».
Anhand der Division Swiss Bank (der gegenwärtigen Swiss Universal Bank SUB) zeigt die CS auf, wie das funktionieren soll: Die Sparte wird die inländischen Privat-, Firmen- und institutionellen Kunden als Geschäftsbereiche umfassen. Diesen regionalen Kunden stellt die Division ein «integriertes Dienstleistungsangebot» zur Verfügung, das sich aus der Zusammenarbeit mit den globalen Geschäftsdivisionen der Bank ergibt. Für die Kundenberater auf der Gegenseite dürfte dies in der Praxis bedeuten, dass ihre Weisungen von (mindestens) zwei verschiedenen Seiten kommen – von der Division und dann nochmals von der Region.
Mahnende Exempel
Präsident Horta Osório nannte das Kind am Investorentag in London beim Namen: Bei der CS ensteht eine «klare Matrix-Organisation», wobei sich die Worte «klar» und «Matrix» in der Praxis oftmals gegenseitig ausschliessen.
Mehr noch: Die Organisationsform gilt in der Wirtschaftswelt geradezu als berüchtigt für ihre Komplexität und das Wirrwarr an Verantwortlichkeiten – in der Regel berichtet jeder Angestellte an zwei Vorgesetzte. Mahnende Exempel dazu gab es auch am Wirtschaftsstandort Schweiz: 2019 musste sich der Elektrotechnik-Konzern ABB einer schmerzhaften Reorganisation unterziehen, um sich seiner komplexen Matrix-Organisation zu entledigen. Im selben Jahr trat auch der langjährige Konzernchef Ulrich Spiesshofer zurück. Bei dem Assekuranzkonzern Zurich führte der damalige CEO James Schiro ab 2004 eine Matrix ein, ebenfalls mit gemischten Resultaten – der amtierende Zurich-Chef Mario Greco schleifte die komplexen Strukturen dann konsequent.
Blick aufs Risiko
Einwenden liesse sich natürlich, dass schon heute zahlreiche CS-Mitarbeitende an mehrere Vorgesetzte berichten, von den «gestrichelten Linien» ganz zu schweigen. Zudem pflegt die Schweizer Marktführerin UBS die Division-Region-Struktur seit Jahren, und dies zuletzt mit einigem Erfolg.
Doch die CS-Banker sind bei der Umsetzung von Horta-Osórios Matrix besonders gefordert, müssen sie doch nach den Skandalen und Debakeln dieses Jahres auch die Risiken stets im Auge behalten: «Das Risikomanagement, das alle unsere Handlungen prägt und stets von grösster Wichtigkeit ist, wird zur Förderung einer Unternehmenskultur beitragen, welche die Bedeutung von Rechenschaftspflicht und Verantwortung weiter stärkt», erklärte der Bankpräsident am Donnerstag.
Nicht gratis
Und natürlich ist der Umbau nicht gratis zu haben. Im Zusammenhang mit der Reorganisation rechnet die CS zwischen dem vierten Quartal 2021 und 2022 mit einem um rund 400 Millionen Franken höheren Geschäftsaufwand für Restrukturierungskosten; und bei der Umsetzung werden weitere Aufwendungen für Wertberichtigungen auf Vermögenswerten und Haftungsbewertungen entstehen für Geschäftstätigkeiten, welche die CS aufgeben wird.