Die Grossbank hat jahrelang Zeit gehabt, sich auf den Prozess vor dem Bundesstrafgericht vorzubereiten. Nun will die Credit Suisse die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft Punkt für Punkt abschmettern.
Dutzende Tonnen Kokain, Tote und eine Bande von ehemaligen Profi-Ringern aus Bulgarien: Der brisante Fall, der bereits Gerichte in Spanien, Rumänien, Italien und Bulgarien beschäftigte, kommt nun auch in der Schweiz vor den Richter. Wie auch finews.ch berichtete, beginnt am Montag der vierwöchige Prozess vor dem Strafgerichtshof in Bellinzona TI, wo sich über die nächsten vier Wochen insgesamt fünf Beschuldigte verantworten müssen.
Unter diesen – und das ist für die Schweiz ein Novum – findet sich ein Unternehmen: Die Bundesanwaltschaft wirft der Credit Suisse (CS) im Geldwäsche-Komplex organisatorische Mängel vor. Transaktionen von mehr als 100 Millionen Franken seien verschleiert worden. Gemäss der rund 500-seitigen Anklageschrift wollen die Ankläger des Bundes 42 Millionen Franken beim Institut abschöpfen; ebenfalls fordern sie eine Geldstrafe von 5 Millionen Franken.
CS-Kundenberaterin verhaftet
Im Monsterprozess ermittelt die Bundesanwaltschaft unter dem Aktenzeichen «Bulko» seit 2008 zu Vorgängen, die sich zwischen den Jahren 2004 und 2007 zugetragen haben sollen. Im Jahr 2009 wurde eine damalige CS-Kundenberaterin bulgarischer Abstammung in der Schweiz verhaftet. Seit damals wurde das Verfahren auch auf die Ex-Bankerin und ihre damalige Arbeitgeberin ausgedehnt.
Seither musste sich die Grossbank mit den Vorwürfen befassen und hatte zwangsläufig jahrelang Zeit, ihre Verteidigung vorzubereiten. In Bellinzona geht sie nun auf Konfrontation mit der Anklage:«Die Credit Suisse weist die in dieser vergangenheitsbezogenen Angelegenheit gegen sie erhobenen Vorwürfe in aller Form zurück und ist auch von der Unschuld ihrer ehemaligen Mitarbeiterin überzeugt», sagt eine Banksprecherin auf Anfrage. Die Credit Suisse werde ihre Position vor Gericht entschlossen verteidigen.
Bereits einen Teilsieg errungen
Für die Verhandlungen bedeutet dies, dass die Anwälte der Grossbank jeden einzelnen Vorwurf im Detail zurückweisen werden. Für die CS tritt in Bellinzona die Kanzlei Kellerhals Carrard vor die Schranken.
Die Bundesanwaltschaft kann ihrerseits auf einen jüngst erzielten Teilerfolg zurückblicken. Vergangenen Dezember verurteilte das Bundesstrafgericht die inzwischen abgewickelte Zürcher Falcon Private Bank zu einer Busse von 3,5 Millionen Franken wegen organisatorischer Mängel; dies im Sinne des Paragraphen 102 des Schweizerischen Strafgesetzes. Dies wegen ungenügender Kontroll-Mechanismen im Geldwäsche- und Korruptionsfall rund um den malaysischen Staatsfonds 1MDB.
Der ebenfalls angeklagte Ex-Falcon-Chef Eduardo Leemann wurde in Bellinzona indes vom Vorwurf der qualifizierten Geldwäscherei freigesprochen.
Die Krux mit der Vortat
Einen guten Monat später tagt das Bundesstrafgericht wieder zu einem Komplex, der zumindest von den Vorwürfen her dem Fall Falcon stark ähnelt. Die Anklage beschuldigt die ehemalige CS-Bankerin der Geldwäscherei; die CS bezichtigt sie organisatorischer Mängel. Doch die Beschuldigungen haben nur Bestand, wenn kriminelle Vortaten nachgewiesen werden können. Die Beweislast dafür liegt bei den Anwälten des Bundes – und die Verteidigung dürfte sich in jede Lücke in der Beweisführung verbeissen.
Die Bundesanwaltschaft, die den Fall seit 14 Jahren untersucht, muss sich bei den Vortaten stark auf ausländische Urteile stützen. Einfach wird das nicht, denn in einem für die Anklage wichtigen spanischen Urteil fällt der Name des so genannten bulgarischen Kokain-Königs und dessen angeblichen Schweizer Vertrauensmann gar nicht. Gerichte in Italien und Rumänien erreichten gegen den mutmasslichen Bandenchef zwar Urteile wegen Drogenhandels, bezogen sich aber teils auf andere Zeiträume. Dies, während Richter in Bulgarien zwar im wesentlichen den gleichen Sachverhalt betrachteten wie nun die Schweiz, aber 2018 zu einem Freispruch gelangten.
Die Brille von damals
Weiter hat sich die CS in Gutachten bestätigen lassen, dass ihre Organisation in den fraglichen Jahren zwischen 2004 und 2007 konform war mit den Vorgaben der Finanzaufsicht (damals noch die Eidgenössische Bankenkommission EBK). Die Position der Bank ist es demnach, die Vorwürfe durch die «Brille» von damals zu betrachten.
In diesem Zusammenhang wird in Bellinzona zu hören sein, dass die Grossbank den Kunden im Jahr 2004 auch vor Ort in Bulgarien überprüfen liess und dieser damals als erfolgreicher Immobilien-Unternehmer galt. Ein aus Medienberichten bekannter Vorfall hat damals offenbar weitere Abklärungen des Instituts nach sich gezogen: 2005 wurde der Schwager des mutmasslichen Bandenchefs in Sofia getötet. Doch die CS gelangte offensichtlich erneut zum Schluss, dass mit diesem Kunden weiter geschäftet werden könne – ein Entscheid, den die Anklage wohl als Einfallstor nutzen wird.
Die Uhr tickt laut
Ein Handicap für die Bundesanwaltschaft ist schliesslich die verflossene Zeit. Der Vorwurf der mit Vorsatz begangenen Geldwäscherei gegen die Ex-CS-Bankerin verjährt ab 15 Jahren; würde in Bellinzona nur «einfache» Geldwäschwerei festgestellt, fiele der Anklagepunkt in sich zusammen. Dieses Vergehen wäre schon nach zehn Jahren verjährt.
Auch wenn die Verteidigung der Grossbank nichts dem Zufall überlässt, ist der Prozess für die Bank mit Unwägbarkeiten verbunden. Die geforderte Busse könnte die Grossbank zwar ohne Weiteres verkraften. Verurteilungen von Unternehmen sind in der Schweiz aber juristisches Neuland und könnten sich deshalb unberechenbar auf andere Verfahren auswirken.
Wasser auf die Mühle von Oligarchen?
Bulko ist nämlich nicht der einzige Verfahrenskomplex der Bundesanwaltschaft, in dem der Name der CS fällt. Medienberichten zufolge hat die Behörde im vergangenen Juni ein Strafverfahren wegen Verdachts auf Geldwäscherei eröffnet, um mehr Licht in den Korruptions-Skandal rund um die Milliardenkredite der Grossbank an das bitterarme südostafrikanische Land Mosambik zu bringen. Die Bank hat sich im Fall Mosambik vergangenen Oktober zwar mit ausländischen und Schweizer Behörden geeinigt. Doch der Fall ist längst nicht abgeschlossen.
Zu denken ist auch an die um Millionen geprellte Oligarchen, die sich als «CS Victims» zusammengeschlossen haben. Diese argumentieren schon lange, organisatorische Mängel bei der Bank hätten die Betrügereien des früheren CS-Bankers Patrice Lescaudron begünstigt. Die Schadenssumme könnte dort bis zu 1 Milliarde Dollar betragen. Wie auch finews.ch berichtete, haben die Lescaudron-Opfer in Genf Ende 2021 eine fünf Jahre alte Anzeige wegen Geldwäscherei reaktiviert. Gut möglich, dass sie ab dem Montag gespannt Richtung Tessin blicken.