Die Schweizerische Nationalbank schlägt zu den Risiken im Hypothekar- und Immobilienmarkt fast schon alarmistische Töne an. Die Verwundbarkeit sei gestiegen. Zahlreichen Banken drohen Probleme beim Eigenkapital.
Im Schweizer Hypothekar- und Immobilienmarkt bestehen eine substanzielle Verwundbarkeiten. Die Anfälligkeit für eine Preiskorrektur und Kreditausfälle sei gestiegen, sagte Fritz Zurbrügg (Bild unten), Direktionsmitglied der Schweizerischen Nationalbank (SNB) am Dienstag während einer Rede an der Universität Luzern.
Im Hypothekarmarkt würden verschiedene Indikatoren auf diese hohe Verwundbarkeit hindeuten, so Zurbrügg. Erstens sei das Hypothekar-Volumen in den vergangenen Jahren stärker gewachsen, als die die Fundamentalfaktoren erklären könnten. Die gesamtwirtschaftliche Hypothekar-Verschuldung habe seit 2009 stark zugenommen.
Tragbarkeitsrisiken auf Höchstständen
Der Anstieg sei im letzten Jahr aufgrund des starken BIP-Anstiegs im Zusammenhang mit der Coronakrise besonders ausgeprägt gewesen. Die Werte in der Schweiz seien mit 150 Prozent im internationalen und im eigenen historischen Vergleich sehr hoch.
Zweitens würden die Daten zeigen, dass die Tragbarkeitsrisiken seit 2014 in allen Segmenten zugenommen hätten. Derzeit würden sie auf Höchstständen liegen, so Zurbrügg. Dies gelte insbesondere für den Bereich der Wohnrenditeliegenschaften. Dort gelten gemäss SNB zwischen 20 und 30 Prozent der neu vergebenen Hypothekar-Kredite bei einem Zinsanstieg von 3 Prozent als nicht mehr tragbar. Als «goldene Regel» bei der Kreditvergabe gilt eigentlich, dass Schuldner einen kalkulatorischen Zinssatz um 5 Prozent verkraften können.
Die SNB geht aufgrund von Modellen und Schätzungen davon aus, dass der Wohnliegenschafts-Markt derzeit zwischen 20 und 30 Prozent überbewertet ist. Im vergangenen, von der Coronakrise gezeichneten Jahr sind die Preise am Schweizer Immobilienmarkt zwischen 4 und 5 Prozent gestiegen.
Höhere Gefahr einer Preiskorrektur
«Zusammengefasst sehen wir aktuell sowohl deutliche Anzeichen einer nicht nachhaltigen Hypothekarkreditvergabe wie auch eine erhöhte Gefahr einer Preiskorrektur», warnte Zurbrügg.
Bereits bei einem durchschnittlichen Preisrückgang von 20 bis 30 Prozent sei ist damit zu rechnen, dass ein substanzieller Anteil der Kredite im Fall eines Ausfalls nicht mehr ausreichend gesichert sei. «In der Folge würden die Banken bei einem Ausfall dieser Hypothekar-Kredite Verluste erleiden», sagte der SNB-Direktor.
Lob für die Kapitalpuffer
Doch, so fügte er an, sei die Widerstandskraft der Banken im Urteil der SNB derzeit angemessen. Dank der Kapitalpuffer, welche die Banken seit 2012 halten müssen, könnten heute die meisten Banken allfällige Kreditverluste absorbieren. «Diese Kapitalpuffer sind für die Finanzstabilität somit essenziell», so Zurbrügg.
Das ist Werbung für ein Instrument, dass derzeit sistiert ist: Im Shutdown vom Frühjahr 2020 hat die Nationalbank die antizyklischen Kapitalpuffer ausser Kraft gesetzt, um die Banken zu entlasten. Nun liebäugeln die Währungshüter wieder mit deren Einführung – eine Aussicht, die den Banken gar nicht schmeckt.
Möglich deshalb, dass Zurbrügg mit seinen Warnungen das Terrain für die Massnahme vorbereitet. Das könnte die verborgene Botschaft der Rede sein.
Unter den Mindestanforderungen?
Auf jeden Fall sieht der Notenbanker die Branche durchaus im Risiko. Bei zahlreichen anderen Banken würde das Szenario eines Preisrückganges und einer Unterdeckung der Hypotheken im Endeffekt zu einem Absinken der Kapitalquoten führen, in «einigen Fällen auch unter die regulatorischen Mindestanforderungen.»