Die Opfer eines Ex-Kundenberaters der Credit Suisse sehen sich vom Debakel um Archegos und Greensill bestätigt: Mit dem bekannten Lobbyisten Thomas Borer wollen sie den Druck auf die Bank nochmals erhöhen, wie finews.ch erfahren hat.
Der Doppelschlag mit den geschlossenen Greensill-Fonds und der Pleite der New Yorker Finanzfirma lässt die Credit Suisse (CS) in ihren Grundfesten erzittern. Für die reichen Osteuropäer (und offenbar auch kleineren Kunden), die vom einstigen CS-Kundenberater Patrice Lescaudron betrogen worden sind, ist es ein Moment der Bestätigung: «Die jüngsten Vorfälle rund um die Finanzfirma Archegos und die Greensill-Fonds zeigen, dass bei der Credit Suisse ein strukturelles Problem im Umgang mit Risiken vorliegt», beobachten sie.
Die Wortmeldung kommt dabei nicht etwa aus dem Hauptquartier der Opfervereinigung CS Victims in London, die sich in den letzten Jahren als Sprachrohr von so mächtigen Geschädigten wie dem georgischen Ex-Premier Bidzina Ivanishvili hervorgetan hat. Sondern aus dem Büro des umtriebigen Schweizer Beraters und Lobbyisten Thomas Borer. «Wir sind von mehreren in der Lescaudron-Affäre geschädigten Parteien beauftragt, uns des Falls anzunehmen», bestätigt seine Firma Dr. Borer Consulting gegenüber finews.ch.
«Wir prüfen juristische Schritte»
Borer und die Organisation CS Victims stehen miteinander im Austausch. Wie zu vernehmen war, soll der Ex-Diplomat, der unter anderem über gute Kontakte nach Osteuropa verfügt, den Forderungen der Geschädigten in der Schweiz zur Geltung verhelfen. Nicht zuletzt geht es dabei um eine Summe von 120 Millionen Dollar, die von den Konten der Lescaudron-Geschädigten bei der CS entwendet worden sind, wie ein Genfer Strafgericht im Jahr 2018 feststellte. Dieses Geld, finden die Geschädigten, müsse ihnen das Geldhaus auszahlen. Allerdings war die CS in jenem Prozess ebenfalls als geschädigte Partei bestätigt worden.
«Aktuell prüfen wir, ob weitere juristische Schritte gegen die Credit Suisse angezeigt sind», heisst es bei Borers Firma.
International umzingelt
Insgesamt machen die CS Victims Schadenersatz-Forderungen von bis zu 1 Milliarde Dollar geltend. Auch jenes Geld wollen sie sich von der CS holen. Dies erst recht, nachdem Lescaudron, der wegen Betrug und Fälschung im Gefängnis gesessen hatte, im vergangenen Jahr Suizid beging. Die Anwälte der Opfer gehen dazu auch international gegen die Grossbank vor: Mit Rechtsbegehren in Singapur, auf den Bermudas, auf Neuseeland, in Florida und New York haben sie das Institut regelrecht umzingelt.
Das Institut hat sich in der Vergangenheit stets auf den Standpunkt gestellt, ebenfalls von Lescaudron getäuscht worden zu sein. Er sei bei seinen strafbaren Handlungen von niemandem intern unterstützt worden, argumentiert die CS.
Durchgesickerter Bericht
Vergangenen Februar geriet indes ein Bericht an die Öffentlichkeit, der von einer Schweizer Anwaltskanzlei im Auftrag der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) erstellt worden war und der dem Fall Lescaudron bei der CS intern nachgespürt hatte. Der Bericht legt nahe, dass die Grossbank jahrelang Warnsignale zu ihrem Kundenberater ignoriert hatte. Im Herbst 2018 war die CS von der Finma gerügt worden: Sie habe Lescaudron unzureichend kontrolliert. Die Bank wiederum sagte zum durchgesickerten Bericht, die Prüfung der Kanzlei habe keine Fakten ergeben, welche die Strafanzeigen gegen die CS stützen würden.
Das Tauziehen im Fall Lescaudron ist damit – auch wenn es in der öffentlichen Wahrnehmung vom Debakel um Archegos und Greensill überlagert wird – noch längst nicht zu Ende.