Das Debakel mit den Greensill-Fonds hätte die Credit Suisse vermeiden können. Doch das Risikomanagement der Grossbank stand sich selber im Weg. Unter der Führung von Lara Warner arbeitete diese Abteilung höchst widersprüchlich. Der Erklärungsbedarf wächst.
Die Credit Suisse (CS) hat im Corona-Jahr 2020 äusserst umsichtig agiert: Schon im ersten Quartal bildete die Grossbank Rückstellungen für Kreditrisiken in der Höhe von über einer halben Milliarde Franken. Mit dem Andauern der Corona-Pandemie erhöhte die CS diese Rückstellungen bis Ende des Jahres gar auf 1,1 Milliarden Franken.
Die Vorsicht von CEO Thomas Gottstein und der höchsten Risikomanagerin der Bank, Lara Warner, war gut begründet. Der weltweite Shut- und Lockdown aufgrund der Corona-Pandemie hat im globalen Wirtschaftssystem wichtige Lieferketten unterbrochen, wodurch Unternehmen in Liquiditätsengpässe gerieten.
Hier nach Schulbuch, dort versagt
Die Erhöhung der Rückstellungen für die Ausfallrisiken verlief bei der CS schulbuchmässig – das Risikomanagement funktionierte, wie es sollte.
Umso weniger ist nachvollziehbar, warum das Risikomanagement der CS bei ihren Supply Chain Finance Fonds dermassen versagt hat. Denn der Geldfluss, aus dem diese Fonds ihre Rendite ziehen, ist vom reibungslosen Funktionieren solcher Lieferketten abhängig. Das Risikomanagement der CS hat also in derselben Thematik – Kreditrisiken im Zusammenhang mit Lieferketten – einmal sehr gut funktioniert und einmal katastrophal versagt.
Die CS müsste in der Lage sein zu erklären, warum sie mehr als 1,1 Milliarden Franken als Sicherheitspuffer zurückstellte und gleichzeitig ihre Risiken massiv erhöhte, indem sie das Anlagevolumen ihrer Lieferketten-Fonds während des Pandemie-Jahres 2020 von 7 auf 10 Milliarden Franken steigerte.
Klumpenrisiko übersehen
Bislang war die CS ist dazu nicht in der Lage. Eine Überprüfung der Fonds im Frühsommer 2020 hatte nur den Rückzug der japanischen Softbank aus den Fonds zur Folge. Softbank war Investor von Greensill Capital, mit der die CS die Fonds betrieb, und Investor von Firmen, welche über die Fonds finanziert wurden.
Das Klumpenrisiko von Greensill bei GFG Alliance, das Stahlkongolomerat des britisch-indischen Unternehmers Sanjeev Gupta wurde mit den Milliarden aus dem Fonds gefüttert, entging CEO Gottstein und Risikochefin Warner ebenso wie die ungenügende Abdeckung der Kredite und Darlehen durch die Versicherer.
Warnungen ignoriert oder ausser Kraft gesetzt
Unerklärt bleibt bislang auch, warum Risikomanager der CS in London im vergangenen Herbst einen Überbrückungskredit von 160 Millionen Dollar an Greensill Capital ablehnten – der Kredit im Oktober dann aber von Warner doch bewilligt wurde.
Keine Erklärung liefert die CS auch dazu, dass sie die Greensill-Fonds weiterhin aktiv beworben hat, während sie bereits Kenntnisse von einer aufsichtsrechtlichen Untersuchung der Greensill Bank in Deutschland hatte.
Alles unter Kontrolle
Das Risikomanagement einer Grossbank ist eine riesige Aufgabe. Bei Warner, die seit vergangenem Sommer Risiko- und Compliance-Chefin ist, laufen alle Fäden zusammen. Seien es Kreditrisiken, Cyberrisiken, Geldwäschereirisiken, Reputationsrisiken oder Klimarisiken – Warners Abteilung muss alles beobachten, prüfen und beurteilen und daraus Handlungen für die CS ableiten.
Entsprechend aufgebläht und präsent ist das Risikomanagement innerhalb der CS, sowohl personell als auch durch Überwachungssysteme, so dass sämtliche Prozesse und Abläufe unter Kontrolle bleiben.
Bis zuletzt nichts gewusst?
Bei den Supply Chain Finance Fonds und vor allem in der Kooperation mit Greensill Capital scheint Warner auf einem Auge blind gewesen zu sein. Sie bewilligte im Oktober den Kredit an Greensill, will aber bis zur letzten Februarwoche keine Kenntnis davon gehabt haben, dass der Versicherungsschutz für die Greensill-Risiken per Anfang März endete.
Wobei blind der falsche Ausdruck ist: Lex Greensill war über sein Unternehmen nicht nur mit der Investmentbank der CS und ihrem Asset Management verbandelt. Er soll gemäss angelsächsischen Medien auch Privatkunde der Schweizer Grossbank gewesen sein. Insofern stellt sich die Frage, wie objektiv das Risikomanagement gehandelt und entschieden hat.
Mit der Abtrennung des Asset Managements und dem Einsatz von Ulrich Körner als Aufräumer ist es nicht getan.