Während der 17 Jahre als CEO von Raiffeisen hat Pierin Vincenz an die 50 Millionen Franken verdient. Und doch soll der Topmanager, der dieses Jahr wegen Betrug und Veruntreuung vor Gericht steht, chronisch knapp bei Kasse gewesen sein.
Pierin Vincenz hatte vor seinem geplanten Rücktritt als Raiffeisen-CEO 2015 eine grosse Sorge: Wie soll er seine «horrend hohen Lebenshaltungskosten» nach seinem Rücktritt finanzieren?
Dies schreibt am Freitag die «Neue Zürcher Zeitung» (Artikel bezahlpfllichtig) in einer langen Abhandlung zur Anklage gegen Vincenz und seinen Geschäftspartner Beat Stocker.
Beiden wird voraussichtlich im laufenden Jahr der Prozess gemacht. Die Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich wirft ihnen im Zusammenhang mit vier Unternehmenstransaktionen gewerbsmässigen Betrug, Veruntreuung, Urkundenfälschung und passive Bestechung zum Nachteil der Kreditkartenfirma Aduno und von Raiffeisen vor.
Aufwändiger Lebensstil
Der Chef einer der grössten Schweizer Banken soll chronische Finanzprobleme gehabt haben? So schreibt es die «NZZ» und zitiert dabei aus Einvernahmeprotokollen. Vincenz habe gegen Ende seiner Amtszeit immer gravierendere finanzielle Engpässe wegen seines aufwendigen Lebensstils gehabt.
Dass Vincenz kein Kind von Traurigkeit ist, weiss man, seit Medien aus der öffentlich eigentlich nicht zugänglichen Anklageschrift über seine Restaurant-, Bar- und Clubbesuche detailliert geschrieben haben. Wein und Champagner soll jeweils in Strömen geflossen und Damen sollen für ihre Dienste bezahlt worden sein – alles auf Spesen, wie die Staatsanwaltschaft bis auf den Rappen vorgerechnet hat.
Stocker war liquid
Bei Raiffeisen gab Vincenz 17 Jahre lang «Schub», begleitet von einem immer protziger werdenden Auftreten mit Limousinen, Chauffeuren, gecharterten Helikoptern und Privatjets.
Auch privat gab der Bündner das Geld offenbar mit vollen Händen aus. Sein Geschäftspartner Stocker half aus. Er soll über die notwendigen liquiden Mittel verfügt und wegen drohender Negativzinsen auf seinen Barbeständen begonnen haben, Darlehen an Bekannte zu vergeben.
Teure Vergleichszahlung nach Krach im Hotel
Auch an Vincenz nach einer seiner privaten Eskapaden: Vincenz musste einer persönlichen Bekannten eine Vergleichszahlung von 1,5 Millionen Franken leisten, nachdem es im Juli 2014 in einer Suite des Zürcher Hotels Park Hyatt zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung gekommen war. Die Renovation der Suite bezahlte Raiffeisen. Für den Vergleich lieh Stocker Vincenz eine Million Franken.
Vincenz hatte einen Hang, Häuser zu kaufen. Jedesmal, wenn er beruflich einen grossen Schritt mache, erwerbe er eine Liegenschaft, soll Vincenz gesagt haben. Im Jahr 2015 folgte mit dem Raiffeisen-Rücktritt ein solcher Schritt. Vincenz hatte eine Villa in Morcote im Tessin im Auge, die 10,5 Millionen Franken kostete.
Fast drei Millionen für Tessiner Villa?
Die Diskussionen mit Stocker über ein Darlehen zogen sich hin. Vincenz wollte 5 Millionen Franken. Nach einigem Hin und Her habe ihm Stocker dann 2,9 Millionen Franken überwiesen.
Geld hat Vincenz eigentlich gut verdient. Bis Raiffeisen ab 2009 Transparenz zu den Managerlöhnen schaffte, soll der Bündner 3 bis 4 Millionen Franken jährlich verdient haben, inklusive der Beiträge an die Pensionskasse, Spesen und der Honorare aus den immer zahlreicher werdenden Verwaltungsratsmandaten.
Ab 2009 war sein CEO-Gehalt bei 2 Millionen Franken gedeckelt – zu seinem grossen Ärger, wie kolportiert wurde. Vincenz schaute dabei nach Zürich, wo die CEO der Grossbanken zweistellige Millionengehälter kassierten.
Tramfahrt abgerechnet
Private Aufwendungen rechnete er darum öfters über seine Firmen-Kreditkarten ab, aber auch Spesen wie eine Tramfahrt in einem Zürcher Tram für 1.90 Franken.
Millionen machte Vincenz mit den privaten Transaktionen und Beteiligungen, die dieses Jahr vor Gericht behandelt werden sollen. In der Anklageschrift ist die Rede von ingesamt 25 Millionen Franken, von denen der Raiffeisen-Chef ein Drittel und sein Partner Stocker zwei Drittel erhalten haben sollen.
Private finanzielle Engpässe
Vincenz' private Geldengpässe könnten von der Verteidigung nun gar verwendet werden, um ihn und Stocker zu entlasten. Die Anklage sieht nämlich einen direkten Zusammenhang zwischen einer Überweisung von 5,97 Millionen Franken, die Stocker auf der Investnet-Transaktion erhalten hat und der anschliessenden Überweisung von 2,9 Millionen Franken an Vincenz.
Das Geld sei der heimlich vereinbarte Anteil von Vincenz am Investnet-Deal. Doch Stocker behauptet, die Zahlung sei das Darlehen für den Tessiner Villa-Kauf und habe keinen Zusammenhang mit dem Investnet-Deal gehabt.