Sie bleibt hartnäckig: Die ehemalige Credit-Suisse-Managerin und Whistleblowerin Colleen Graham zieht alle Register, um zu ihrem Recht und Geld zu kommen. Ihre Gegnerin: Topmanagerin Lara Warner.

Es ist ein Rechtsstreit, der zunächst ein Nebengleis der spektakulären Spionage-Affäre bei der Credit Suisse (CS) um ihren früheren Wealth-Management-Chef Iqbal Khan zu sein schien: Colleen Graham (Bild unten), die fast 20 Jahre lang in Top-Positionen für die CS gearbeitet hatte, gegen ihre frühere Arbeitgeberin und namentlich gegen die jetzige Risikochefin Lara Warner

Jüngste Entwicklung in dem Fall: CS und Warner fordern das New York State Supreme Court auf, Graham in diesem Fall ein für alle mal mundtot zu machen. Der Anwalt von Graham, Robert Kraus, schrieb in einer Email an finews.ch,  dies sei ein weiterer Versuch der CS, einen Skandal zu vertuschen und aus der Öffentlichkeit draussen zu halten. «Dieses Verfahren involviert die Risiko- und Compliance-Chefin der CS und ist eine jener Auseinandersetzungen, die in der Öffentlichkeit ausgetragen werden sollten», so Grahams Anwalt.

Knall auf Fall aufgelöst

Der Rechtsstreit begann bereits 2017, nachdem Graham von der CS fallen gelassen worden war. Graham war die Chefin von Signac gewesen, einem Joint-Venture der CS und der berüchtigten IT-Firma Palantir. Das Startup sollte eine intelligente Überwachungs-Software entwickeln, um Fehlverhalten von CS-Händlern und anderen Mitarbeiter frühzeitig zu entdecken. Die Schweizer Grossbank hängt auch heute noch in Rechtsstreitigkeiten fest, die sie hunderte von Millionen, wenn nicht Milliarden von Franken kosten könnten.

Colleen Graham

Die CS gab Signac Knall auf Fall auf – und Graham klagte. Im Dezember 2019 ging Graham an die Öffentlichkeit und erklärte: Auch sie sei von der CS ausspioniert und eingeschüchtert worden. Graham hatte vor Signac die Compliance der CS in den USA geleitet.

Falsche Buchhaltungspraxis verweigert

Erst so kam der bereits über zwei Jahre dauernde Arbeitsstreit mit der CS ans Licht. Dieser verläuft inzwischen zweigleisig: Graham fordert über ein Schiedsgericht von der CS Geld, denn sie war an Signac beteiligt gewesen. Ausserdem fordert sie eine Kommission auf dem Verkauf einer Software, die nun von Palantir vermarktet wird, aber noch bei Signac entwickelt worden sein soll.

Ein zweites von Graham 2017 angestrengtes Verfahren ist ein sogenannter «Whistleblower Claim». Darin heisst es, sie sei von der CS rausgedrängt worden, weil sie illegale Buchhaltungspraktiken nicht ausführen wollte.

Unrechtmässige Wiederholung der Vorwürfe

Die Klage wurde im April 2019 abgewiesen. Doch auch hier ging Graham in Berufung. Die Ex-CS-Managerin wird am kommenden 8. März vor der für Arbeitsrecht zuständigen US-Bundesbehörde Occupational Safety and Health Administration angehört.

Auch den ersten Schiedsgerichtentscheid hatte Graham nicht akzeptiert. Ende letzten Jahres reichte sie ihre Forderungen erneut ein. Für die CS und Warner ist Graham zunehmend ein Ärgernis. In ihrer nun via der US-Nachrichtenseite «Law360» (Artikel bezahlpflichtig) eingereichten Eingabe beschweren sich die CS und ihre Risikochefin, Graham würde ihre Vorwürfe von 2017 bloss wiederholen.

Sie verstosse damit gegen den Federal Arbitration Act. In früheren Statements hatte die CS Grahams Vorwürfe als «belanglos» bezeichnet. Auch ihre letzte Eingabe beim Schiedsgericht sei ein «fruchtloser Versuch», alte und zuvor abgewiesene Vorwürfe wieder aufzubringen, so die CS.

CS-Zahlen wären beeinträchtigt gewesen

Völlig belanglos ist Grahams Kampf gegen die CS nicht, genauso wenig wie der Auslöser. Warners Ruf und Name – sie war bis 2019 noch Compliance-Chefin der CS – stehen auf dem Spiel. Von Grahams Anwälten eingereichte Dokumente nennen ausdrücklich die australisch-amerikanische Topmanagerin als Verantwortliche für die von Graham vorgebrachten Compliance-Probleme bei Signac. Warner sass auch im Board of Managers, dem Aufsichtsrat, des Joint-Ventures.

Das Compliance-Problem: Graham weigerte sich für Signac im Geschäftsjahr 2016 eine Zahlung der CS über 14 Millionen Dollar als Gewinn zu buchen, nachdem der Auditor von KPMG dies als Verstoss gegen Buchhaltungsregeln für Software-Unternehmen bezeichnet hatte. Warner beschwerte sich bei Graham. Buche Signac den Betrag nicht, beeinträchtige dies direkt die Ertragszahlen der CS. Auch Palantir machte Druck. Als Graham sich weiterhin weigerte, wurden gemäss den Unterlagen Ton und Umgang rauer.

Belästigung, Einschüchterung, Überwachung

Warner überlegte sich, den Signac-CFO zu feuern, die hochrangige Palantir-Angestellte Melody Hildebrandt bezeichnete das Buchhaltungs-Problem in einer internen E-Mail als «Clusterf*».

Warner, die im Februar 2017 öffentlich kundgetan hatte, Signac sei auf Kurs, man werde die Software auch Dritten anbieten, stand vor einem Scherbenhaufen. Sie und die CS entschieden, die Beziehungen zu Signac zu kappen. Das Startup verlor seinen einzigen Kunden und beschloss im Mai 2017 die Auflösung.

Feldzug begonnen

Gemäss den Unterlagen hatte die CS bereits im März ihren «Feldzug» gegen Graham begonnen: Sie sei belästigt und eingeschüchtert worden. Nicht weniger als sechs Anwälte hätten sie auf verschiedene Arten drangsaliert und gedroht, aufgeschobene Boni würden gestrichen. In diesen Wochen sei sie auch mehrfach verfolgt und überwacht worden. Die CS hat dies wiederholt in Abrede gestellt.

Die diese Woche beim New Yorker Schiedsgericht eingereichte Eingabe der CS, Grahams Klage abzulehnen, sei «ausserordentlich», sagte ihr Anwalt gegenüber «Law360». «Es ist nur ein weiterer Versuch, unangenehme Fakten unter den Teppich zu kehren».

Die CS ergänzte nachträglich noch in einem Statement: «Die Credit Suisse hat in dieser Sache bereits vor mehreren Gerichten Recht bekommen. Es wurden jeweils alle Forderungen gegen die Bank abgewiesen. Die jüngste Eingabe von Frau Graham hat nichts anderes zum Ziel als die alten, von den Gerichten abgewiesenen Forderungen, erneut vorzubringen.»