Die Skepsis der Börsenprofis gegenüber der ebenso gewichtigen wie wichtigen Anlageklasse nimmt Überhand. Ein Schweizer Traditionshaus macht nun einen aufsehenerregenden Schnitt.
Das gab es noch nie in der Geschichte der 1920 gegründeten Baumann & Cie (Hauptsitz, Bild unten). Wie aus dem aktuellen Anlagekommentar der Basler Privatbank – eine der letzten mit voll haftenden Teilhabern in der Schweiz – hervorgeht, kippt das Institut Obligationen vollständig aus der Allokation.
Mit anderen Worten: Im Baumann-Portfolio kommen Anleihen ab sofort nicht mehr vor. Die Vermögen werden stattdessen noch stärker in Aktien und Renditeliegenschaften investiert.
Das erste Mal überhaupt
«Es ist das erste Mal überhaupt, dass wir auf Anleihen im Baumann-Portfolio gänzlich verzichten», sagt Baumann-Anlagestratege Simon Lutz auf Anfrage. Insbesondere im anhaltenden Tiefzinsumfeld werde der reale Vermögenserhalt mit festverzinslichen Anlagen zu einer grossen Herausforderung, gibt er zu bedenken.
Sowieso sei Baumann & Cie traditionell ein Aktienhaus, erklärt Lutz. Obligationen hätten immer schon einen geringeren Stellenwert gehabt.
60:40 hat ausgedient
Wenn eine der traditionsreichen Schweizer Privatbanken gänzlich auf die grösste und gleichzeitig wichtigste Wertschriften-Klasse verzichtet, muss das hellhörig machen. Mit einem ausstehenden Volumen von mehr als 100 Billionen Dollar kommt eigentlich kein Vermögensverwalter um Obligationen herum.
Entsprechend stellen die Papiere auch den Löwenanteil eines klassischen Portefeuilles: 60 Prozent Anleihen, 40 Prozent Aktien.
Doch mit der Coronakrise, der um sich greifenden Rezession und der Ultra-Tiefzins-Politik der Zentralbanken wird diese Investment-Tradition aus den Angeln gehoben. Dieses Umfeld führt dazu, dass die Renditen von Obligationen mit guter Bonität immer mehr ins Minus gedrückt werden.
Dies, während die Aktienmärkte überschiessen. Die britische Zeitung «Financial Times» warf schon im vergangenen Juni die Frage auf, ob das 60:40-Portfolio nicht ausgedient habe.
Unattraktive Schatzanleihen
Tatsächlich: Es ist wenig einleuchtend, warum ausgerechnet Wertschriften, die eine Minusrendite abwerfen, den stabilisierenden Löwenanteil eines Portefeuilles stellen sollen.
Seit Juni hat sich die Problematik noch akzentuiert und ist unter Investmentprofis in aller Munde. Riesen wie die grösste amerikanische Bank J.P. Morgan haben ihre Fondsverwalter angewiesen, Mitten in der Krise Staatsanleihen zu verkaufen und in besser rentierenden, aber weniger sichere Hochverzinsliche zu umzuschichten.
Und Nischenplayer wie die auch in der Schweiz tätige Investmentboutique Loys reden Klartext: «Die Zinskupons diesseits und jenseits des Atlantiks sind so gering, dass eine Anlage in US-Staatspapieren unattraktiv geworden ist, wenn man das Währungsrisiko berücksichtigt.»
Die sogenannten US-Treasuries, die neben Dollar, Franken und Gold stets als sicherer Hafen in Krisenzeiten galten, fallen nun offensichtlich aus der Gunst der Börsianer. Vor wenigen Monaten wäre das noch völlig undenkbar gewesen.
Besonders gut?
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