Im Geschäft mit reichen Privatkunden sperrt sich Vontobel gegen gängige Branchentrends. Erteilt Chef Zeno Staub den Starbankern der Konkurrenz erneut eine Lektion?
Ein Gewinnsprung wie bei der grösseren «pure-play» Privatbank Julius Bär lag bei Vontobel nicht drin. Stattdessen lieferte das Zürcher Traditionshaus, das sich neuerdings als «pure-play» Investment Manager bezeichnet, im zweiten Semester solides Handwerk.
Als «resilient», also widerstandsfähig, bezeichnete Chef Zeno Staub den Geschäftsgang am Dienstag vor Investoren und Medien – und war dabei voll des Lobs für seine Mannschaft.
Doch genügt das? An der Börse quittierten Anleger das Resultat, zumal einen zum Vorjahr um 1 Prozent tieferen Reingewinn von 129,2 Millionen Franken, mit Verkäufen. Der Wert der ansonsten beliebten Vontobel-Aktie gab zeitweilig um mehr als 2 Prozent nach. Die in den neun Jahren an der Spitze von Vontobel schon fast sprichwörtlich gewordene Zurückhaltung Staubs steht einmal mehr Gegenwind, so scheint es.
Null Abschreiber
Jedenfalls entspricht sie nicht den gängigen Branchentrends, wie sich beispielhaft am Private Banking der Gruppe, dem Wealth Management zeigte. Wie Staub ausführte, ist Vontobel dort sehr zurückhaltend mit Lombard-Krediten, also der Kreditvergabe gegen Wertschriften als Sicherheit. Das Resultat: Null Abschreiber im vergangenen ersten Semester.
Dies, während bei anderen Häusern das «Lending» mit Lombard-Krediten als zentraler Treiber zu mehr Wachstum gilt. Für diese Strategie steht etwa der Banker Iqbal Khan, der die Taktik von der Credit Suisse (CS) zur UBS transferierte, wo er aktuell die Globale Vermögensverwaltung (GWM) als Co-Chef dirigiert.
Die UBS musste im abgelaufenen Halbjahr in der Vermögensverwaltung 64 Millionen Dollar an Wertberichtigungen vornehmen; Julius Bär wiederum vermeldete für die Periode Rückstellungen für Wertberichtigungen in der Höhe von 49 Millionen Franken. Bei der CS erwarten Analytiker anlässlich der Semester-Präsentation vom Donnerstag einen massiven Anstieg der Rückstellungen.
Den Boom sucht man vergeblich
Die Kehrseite für Vontobel: Das Wachstum im Geschäft mit reichen Privatkunden erweis sich als schwach, mit gerade mal 300 Millionen Franken Neugeld auf 57 Milliarden Franken an verwalteten Vermögen. Das entspricht einem annualisierten Wachstum von 1 Prozent – deutlich weniger, als Vontobel eigentlich anstrebt. Staub erklärte dies mit der Zurückhaltung der Kunden und den Reiserestriktionen im Corona-Shutdown. Doch der Lending-Hebel dürfte ebenfalls gefehlt haben.
Auch den Handelsboom, der das Geschäft diverser Konkurrenten in den vergangenen Monaten prägte, sucht man beim Zürcher Institut vergebens. Dessen ist sich die Geschäftsleitung bewusst. «Wenn wir ein mehr auf trading-fees ausgerichtetes Modell fahren würden, wäre der Verdienst höher ausgefallen», hiess es am Dienstag. Stattdessen setzt Vontobel voll auf wiederkehrende Gebühren und damit auf Mandate, mit beachtlichem Erfolg: 86 Prozent der Kundenvermögen werden inzwischen in diskretionären und Beratungs-Mandaten verwaltet. Das hilft, die Erträge zu stabilisieren.
Notenstein in den Schoss gefallen
Für die nächsten Monate wollen Staub und seine Equipe nun Kurs halten, die Strategie wird 2022 einer erneuten Prüfung unterzogen. Dannzumal wird sich zeigen, wer recht behalten hat: Die Befürworter von Handel und Lending – oder der Vontobel-CEO.
Dieser hat in den vergangenen Jahren die Zurückhaltung – um nicht zu sagen das Zaudern – zu einer Kunstform entwickelt. Immer wieder musste sich Staub etwa den forschen Expansionskurs von Julius Bär vorwerfen lassen, während er auf seiner Kriegskasse sitzen blieb. Doch die Rechnung sollte für den Vontobel-Lenker am Ende aufgehen. Dank der Nähe zu Raiffeisen Schweiz fiel ihm 2018 die Privatbank Notenstein La Roche gewissermassen in den Schoss, als sich die Genossenschafter vom Institut trennen wollten.
Sinnigerweise holten sich die vormals gefeierten Konsolidierer bei Julius Bär im vergangenen Februar eine schallende Ohrfeige. Nach einem Enforcement-Verfahren hat die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) der Privatbank bis auf Weiteres Grossübernahmen verboten.