Den Strukturwandel in der Finanzbranche wälzen die Schweizer Banken mit höheren Gebühren auf ihre Kunden ab. Ob sie diese jungen Herausforderern wie Revolut oder N26 in die Arme treiben?
Das britische Erfolgs-Startup Revolut will demnächst in der Schweiz Bankdienstleistungen anbieten. Gleiches hat der deutsche Überflieger N26 vor. Die Smartphone-Bank sieht für ihre Services eine grosse Nachfrage in der Schweiz.
Mit Nachfrage ist gemeint: Die eingesessenen Schweizer Banken lassen punkto Gebühren und Kosten für die Kunden sehr viel Spielraum nach unten zu. Ein Zinsumfeld, in welchem Sparer wegen Konto- und Transaktionsgebühren bei einer Bank Geld verlieren, bietet neuen Anbietern mit einer radikalen Preisbrecherstrategie einen viel versprechenden Markt.
Reaktion auf den Strukturwandel: Höhere Preise
Revolut und N26 bieten Basis-Retailbanking inklusive Kreditkarte umsonst an. Schweizer Banken verlangen gemäss eines Gebührenvergleichs von Moneyland allein für die Kontoführung und das Versenden der Auszüge zwischen 127.70 und 255.20 Franken pro Jahr. Pakete mit Kreditkarte und weiteren Services kosten jährlich mehrere hundert Franken.
Der strukturelle Wandel mit sinkenden Zinsmargen und höheren Regulierungskosten löst bei den Schweizer Banken eine Reaktion aus, die eine weitere Einladung für Angreifer ist: Sie erhöhen tendenziell die Preise.
Aber die Preise gehen gegen Null
Nicht nur im Retailbanking, wie dies kürzlich die Postfinance angekündigt hat. Auch im Private Banking sind die Gebühren für Kunden – seitdem die Vermögensverwalter keine Retrozessionsgebühren mehr abschöpfen dürfen und sich auf eine Beratungsstrategie verlegt haben – tendenziell gestiegen.
Die Preisstrategien im Schweizer Banking stehen vollkommen quer zu einem grundsätzlichen Wandel in der Finanzbranche, deren Speerspitze nun Anbieter wie Revolut oder N26 bilden. Denn die Preise gehen gegen Null.
Hart umkämpftes Asset Management
Im Asset Management mussten bereits traditionelle Anbieter wie Fidelity ein Einsehen haben und dem Preiskampf nachgeben, indem sie erste Fondsprodukte vollkommen umsonst anbieten.
Im Wealth Management versuchen hunderte von digitalen Anbietern mit massiv tieferen Verwaltungsgebühren in den Markt zu kommen. Die Ergebnisse sind bislang eher enttäuschend. Erfolgreiche Beispiele wie Wealthfront und Betterment in den USA oder Scalable Capital in Deutschland sind deutlich rarer als Misserfolge.
Wandel kommt von Aussen
Dass eine UBS ihren digitalen Vermögensverwalter Smartwealth einstampfen oder die deutsche Commerzbank Pläne für ihren eigenständigen Robo-Advisor begraben musste, hat allerdings andere, kulturelle Gründe.
Wandel, wie er sich derzeit im Banking vollzieht, kommt von Aussen. Von Innovatoren, die etablierte Geschäftsmodelle und scheinbar unumstössliche Branchengesetze neu denken und erfinden.
Halbherzige Digitalisierung
Dagegen scheitern Unternehmen und Institutionen an ihren tradierten Handlungsweisen und Prozessen sowie an den Partikularinteressen ihrer Manager und verunmöglichen so das Entstehen einer internen Innovationskultur, die Wandel überhaupt möglich macht.
Es lässt sich nach Jahren der Abwehr und Ablehnung nicht mehr abstreiten, dass die Schweizer Banken sich dem digitalen Wandel gestellt haben und erheblich in die Automatisierung von Abläufen sowie in die Digitalisierung der Kundenschnittstellen investiert haben. Doch die Strategie der tendenziellen Preiserhöhungen bei Gebühren und Beratung zeigt: Der Wandel bei den Banken ist halbherzig.
Furcht vor Kannibalisierung
Sie fürchten schlicht, mit einer konsequenten digitalen Ausrichtung und massiv günstigeren Preisen ihr Geschäft mit den Bestandeskunden zu kannibalisieren. Das ist das Marktumfeld, auf welches Smartphone-Banken wie Revolut oder N26 treffen.
Diese haben ihr Geschäft konsequent entlang der Bedürfnisse einer digital-affinen Gesellschaft aufgebaut und schöpfen mit ihrer Preispolitik eine von überteuerten und schlechten Bank-Services zermürbte Kundschaft ab.
Enormes Wachstumstempo
Das Wachstumstempo dieser Herausforderer müsste den hiesigen Banken Schauer der Furcht den Rücken hinunter jagen: Revolut hat innert drei Jahren drei Millionen Kunden gewonnen und eröffnet täglich 8'000 neue Konti.
Die einzige Ausnahme unter den Schweizer Instituten, welche sich dem Wandel konsequent stellt ist Cler mit ihrer Smartphone-Bank Zak, die mit einer Tiefpreisstrategie und bezahlten Zusatzleistungen ein ähnliches Modell fährt wie Revolut oder N26.
«Gute Nacht»
Geistiger Vater von Zak ist der CEO der Basler Kantonalbank und designierte Verwaltungsratspräsident von Raiffeisen Schweiz Guy Lachappelle. Ob Zak ein Erfolg werde, wisse er heute noch nicht, sagte der 57-Jährige kürzlich an einer Veranstaltung.
Doch Nichtstun und Abwarten sei im derzeitigen Umfeld und angesichts der heranpirschenden Preisbrecher-Konkurrenz schlicht keine Option. Lachappelles Prognose für das Schweizer Retailbanking, sollte sich einer dieser Neu-Anbieter etablieren: «Gute Nacht.»