Die Finma hat der Credit Suisse mangelhafte Kontrolle über einen ehemaligen Starbanker vorgeworfen. Das Verdikt könnte nun Wasser auf die Mühlen der Geschädigten in einer prominenten Finanzaffäre sein.
Fast zeitgleich informierten heute die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) und die Credit Suisse (CS) über den Abschluss eines Enforcement-Vefahrens gegen die Bank. Die Aufsicht stellte dabei diverse Mängel bei der Abwehr von Geldwäscherei fest; die CS betonte in ihrer Mitteilung, dass die beanstandeten Fälle in der Vergangenheit liegen und die nötigen Korrekturen erfolgt sind.
Die Sache ist damit für die Grossbank erledigt – könnte man meinen. Doch möglicherweise bringt die Aufsicht mit ihrem Bericht zum abgeschlossenen Enforcementverfahren die zweitgrösste Schweizer Bank noch in die Bredouille: Detailreich beschreibt die Finma nämlich, dass das Institut einen «inzwischen strafrechtlich verurteilten» ehemaligen Private Banker unzureichend kontrolliert habe.
«Ungenügend kontrolliert»
«Der angesprochene Kundenberater verletzte über mehrere Jahre hinweg wiederholt und aktenkundig Compliance-Vorschriften der Bank», so der Bericht. Anstatt den Berater, der Geschäftsbeziehungen mit politisch exponierten Kunden (PEP) gepflegt habe, wegen der Verstösse zu disziplinieren, habe die Bank diesen mit hohen Entschädigungen und positiven Mitarbeiterbeurteilungen honoriert. «Der Sonderstatus des Kundenberaters führte dazu, dass dieser ungenügend kontrolliert wurde.»
Wie finews.ch bereits feststellte, trifft die Beschreibung der Finma ziemlich genau auf den einstigen CS-Starbanker Patrice Lescaudron zu. Dieser war vergangenen Februar von einem Genfer Gericht wegen gewerbsmässigen Betrugs, Urkundenfälschung und ungetreuer Geschäftsführung verurteilt worden. Der 54-jährige Franzose, der als Osteuropa-Spezialist von Genf aus arbeitete, hatte unter anderem den früheren georgischen Premier Bidzina Ivanishvili um über 100 Millionen Franken gebracht. Der georgische Ex-Premier machte gar einen Schaden von 554 Millionen Dollar geltend.
Die CS warf dem Ex-Banker ihrerseits vor, rund 45 Millionen Franken an Kommissionen und Handelsgebühren abgezweigt zu haben. Derzeit sitzt der seine Gefängnisstrafe ab.
Auf Anfrage von finews.ch kommentierte die Grossbank, das Genfer Strafgericht habe in seinem Urteil bestätigt, dass der frühere Kundenberater gegen interne Vorschriften und Schweizer Recht verstossen und strafbare Handlungen begangen hat, um das Kontrollsystem der Bank zu täuschen, und dass er bei seinen strafbaren Handlungen von niemandem intern unterstützt worden sei. Der ehemalige Kundenberater habe ein hohes Mass an krimineller Energie gezeigt, um interne Kontrollen zu umgehen und seine Straftaten vor CS-Mitarbeitern zu verbergen.
Geschädigte lassen nicht locker
Doch die Anwälte der geprellten Oligarchen liessen nicht locker, im Gegenteil. Sie argumentieren etwa, der ehemalige Kosmetika-Verkäufer habe über keinerlei Finanzerfahrung verfügt, als er bei der CS tätig geworden sei. Die Bank habe grob fahrlässig gehandelt, ihm die Bücher von russischen Grosskunden zu überlassen, bloss weil er einige Jahre in Moskau gelebt habe. Die CS hält dagegen, sie habe keinerlei Kenntnisse darüber gehabt, was der Private Banker mit den Kundengeldern treibe. Die Genfer Richter konzentrierten sich im Prozess schliesslich auf die Personalie Lescaudron.
Vergangenen Juli überraschte die CS dann damit, dass sie eine Schweizer Kanzlei damit beauftragt hatte, einen Punkt des Genfer Urteils gegen den früheren Angestellten umzuwerfen. Konkret geht es um die Verurteilung wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung in Zusammenhang mit den Konten zweier prominenter Kunden.
Willkommenen Anknüpfungspunkt?
Für die Anwälte der geschädigten Oligarchen war hingegen klar, worum es der Grossbank dabei geht. Ihrer Meinung nach lastet das Urteil wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung schwer auf dem Unternehmen, weil dieses impliziert, dass die Bank ihren Angestellten besser hätte kontrollieren müssen. Jener Punkt des Urteils bietet für Privatkläger einen willkommenen Anknüpfungspunkt.
Die Bankenaufsicht dürfte nun mit der öffentlichen Feststellung der «ungenügenden Kontrolle eines erfolgreichen Kundenberaters» den Oligarchen einen weiteren Steilpass für Zivilverahren gegen die Grossbank geliefert haben. Für die CS hat die Finanzaffäre auch nach Abschluss des Finma-Enforcementverfahrens wohl wenig an Sprengkraft eingebüsst.