Julius Bär ist in den USA als Schweizer Bank für US-Steuerhinterzieher gebrandmarkt. Doch das Institut liebäugelt mit einer Rückkehr in die Staaten – und zwar in die inoffizielle Hauptstadt Lateinamerikas.
Miami könnte bereits nächstes Jahr ein neuer Standort für Julius Bär sein. Die Option wird gemäss Recherchen von finews.ch derzeit von Management und Verwaltungsrat geprüft. Julius Bär kommentierte dies nicht. Die Metropole im Süden des US-Bundesstaates Florida wird jedoch für das Zürcher Traditionshaus zu einem regelrechten Brennpunkt.
Vor wenigen Wochen ging in Miami Matthias Krull den Strafverfolgungsbehörden ins Netz. Der frühere Vice Chairman von Julius Bär in Panama hat inzwischen gestanden, der Banker eines Geldwäschereirings in Venezuela gewesen zu sein. Rund 1,2 Milliarden Dollar, Einnahmen des staatlichen Erdölkonzerns PDVSA, hat Krull zusammen mit Komplizen für venezolanische Geschäftsleute aus dem Umfeld des Präsidenten Nicolas Maduro reingewaschen. Unklar ist, ob Krull auch Gelder durch Julius Bär geschleust hat. Das will die Bank derzeit überprüfen.
Gezwungenermassen eine Option
Krull hat im vergangenen Juni zusammen mit drei weiteren Bär-Bankern zum Genfer Institut Gonet gewechselt. Ihr Abgang stand im Zusammenhang mit strategischen Anpassungen von Julius Bär im Lateinamerika-Geschäft.
Und damit ist ein Standort in Miami – fast schon gezwungenermassen – eine Option für Julius Bär, wie auch «Citywireamericas» berichtete. Denn Miami ist die inoffizielle Hauptstadt Lateinamerikas. Die Bezeichnung stammt von Alex Sanchez, dem Präsident der Florida Bankers Association.
Tatsächlich gedeiht in Miami eine Südamerika-Diaspora. Die Stadt zieht immer mehr lateinamerikanische Unternehmer und Expats an, die einerseits auf bereits bestehenden Beziehungen aufbauen und anderseits von einem sehr entgegenkommenden Steuerregime profitieren. Nicht umsonst hat sich für Miami der Übername «Wall Street South» eingebürgert – die Stadt ist inzwischen der zweitwichtigste Finanz-Hub der USA.
Eine Neuentdeckung für Schweizer Banken
Nicht unerheblich sind dabei die Milliarden von Offshore-Geldern aus lateinamerikanischen Ländern. Sehr viele lateinamerikanische Kunden wollen ihre Vermögen lieber in den USA gebucht haben als an Offshore-Bankplätzen wie Panama oder auf den Bahamas. Sie schätzen die vergleichsweise hohe Rechtssicherheit und wollen ihre Investments in Dollar anlegen.
Auch Schweizer Finanzunternehmen haben sich in Miami bereits eingenistet. Die Genfer Privatbank Syz hat eine Präsenz, die Groupe CBH Compagnie Bancaire Helvétique ist nach dem Kauf der lokalen Brickell Bank dort ansässig. Den grösser werdenden Banken-Cluster macht sich auch der Genfer Software-Dienstleister Temenos zunutze, der in Miami eine Niederlassung unterhält.
Auf weniger Märkte fokussieren
Hinter dem Plan, mit Julius Bär in Miami vor Ort zu gehen, steht Lateinamerika-Chefin Beatriz Sanchez (Bild unten). Ihre Aufgabe ist es, das Geschäft stärker zu fokussieren und letztlich profitabler zu gestalten.
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