Zahlen und Ergebnisse der Digitalisierung sind bislang ein gut gehütetes Geheimnis der Finanzinstitute. Eine asiatische Grossbank macht den Effekt gegenüber finews.ch nun erstmals transparent.
Der Schweizer Finanzplatz hat sich bislang nicht als Vorreiter der Digitalisierungs hervorgetan. Im Gegensatz zu manchen nordischen und asiatischen Banken steckt der digitale Wandel der Geschäftsprozesse und -modelle der allermeisten Schweizer Institute noch in den Kinderschuhen.
Im asiatischen Markt sind es die in Singapur ansässigen DBS Bank und OCBC Bank (Oversea-Chinese Banking Corporation), welche die Speerspitze des digitalen Wandels bilden. finews.ch traf kürzlich Aditya Gupta (Bild oben), Head of E-Business bei OCBC, anlässlich der Präsentation der Quartalsresultate zu einem Gespräch in Singapur.
Positiver und nachhaltiger Effekt
Gupta kam soeben aus einem Meeting mit OCBC-CEO Samuel Tsien (Bild unten), in welchem er gegenüber Investoren die Früchte der Digitalisierung detailliert präsentiert hatte. Der Digitalchef war sichtlich zufrieden – Digitalisierung zeigt in den Ergebnissen der OCBC einen positiven und nachhaltigen Effekt, so die Botschaft nach aussen.
«Die Profitabilität eines digitalen Kunden ist bei OCBC genau 2,1 mal höher die eines nicht-digitalen Kunden», eröffnet Gupta das Gespräch. Das ist ein Wert, der aufhorchen lassen muss: Er belegt das Mantra der Digitalisierungspropheten, dass entsprechende Massnahmen einerseits die operativen Kosten senken und andererseits die Einnahmen pro Kunde erhöhen, da der digitale Kunde per se aktiver ist.
Digitale Verkaufskanäle laufen heiss
Gupta rattert weitere Zahlen hinunter. Im Retailbanking liege die Cost-Income-Ratio 9 Prozentpunkte tiefer als vor fünf Jahren, sagte er. Der Umsatz aus digitalen Kanälen hat sich im selben Zeitraum versiebenfacht. Neun von zehn Retail-Versicherungsprodukten verkauft OCBC inzwischen über digitale Kanäle.
Seit Gupta im Jahr 2014 zur OCBC gestossen ist, hat er die digitale Transformation der Bank vorangetrieben. OCBC war im Jahr 2015 die erste Bank in Singapur, welche die biometrische Identifikation für mobile Kunden einführte. Sie setzte 2016 als erstes Institut auf die Blockchain-Technologie für Geldüberweisungen.
Künstliche Intelligenz für Hypothekengeschäft
Mobile Kunden können inzwischen Zahlungen und Überweisungen an andere Kunden über den Sprachassistenten im Handy auslösen. Im Hypothekengeschäft berät seit Kurzem ein auf künstlicher Intelligenz bauender Chatbot die OCBC-Kundschaft.
Zuletzt hat die hauptsächlich in China, Singapur, Malaysia und Indonesien präsente Bank mit ihren Wealth-Management-Kunden einen Pilotversuch mit einem Robo-Advisor gestartet.
Rund 700 Millionen Dollar hat OCBC hat unter ihrem CEO Tsien in den vergangenen vier Jahren in neue IT-Systeme, die Digitalisierung von Angeboten und Apps investiert – nicht zuletzt, um Regulierungsvorgaben einzuhalten.
Kein Ferrari anbieten, wenn der Kunde einen Toyota will
Dennoch überflutet die Bank ihre Kunden nicht ständig mit neuen Apps und Angeboten, sondern folgt dem Ansatz: Digital bedeutet beweglich zu sein und sich von der Konkurrenz abzuheben. Zudem will der digitale Kunde Services, die nahtlos über alle Distributionskanäle miteinander verbunden sind, wissen die Singapurer.
Dabei setzt Gupta auf Research und Daten aus Pilotprojekten. Die Erkenntnis ist praktisch immer: Digitale Dienstleistungen dürfen keine Brüche haben, sie müssen persönlich, proaktiv und vor allem einfach sein. «Biete keinen Ferrari an, wenn der Kunde einen Toyota haben möchte», fasst Gupta die Philosophie zusammen.
Wealth Management demokratisieren
Dieser folgt der gebürtige Inder auch für Private-Banking-Angebote. Seit vergangenem Jahr können Kunden über eine App investieren. OCBC hat eine offene Architektur und damit tausende Anlageprodukte im Angebot. Doch dem digitalen Kunden werden in der App nur ein paar Dutzend Standardfonds angezeigt; die Onewealth-App ist insofern tatsächlich «nur» ein Toyota.
Die Überlegung ist aber folgende: Wird der Kunde mit einem komplizierten Produkteangebot überfordert, steigt er aus. OCBC verfolge aber das Ziel, das Wealth Management zu demokratisieren und über den digitalen Kanal neue Kundensegmente anzusprechen, sagt Gupta.
Die Zielgruppe spricht auf «digital» an
Auch das scheint zu funktionieren, wie die OCBC-Zahlen zeigen. Die Bank verkauft bereits 50 Prozent der Standard-Investmentprodukte über die App. Ein Drittel der digitalen Käufe tätigen OCBC-Kunden, die bislang keine Wealth-Management-Dienstleistungen in Anspruch genommen haben.
Von diesen Kunden wiederum sind drei von vier aus der Zielgruppe der Milliennials, jungen Familien und Affluent-Kunden. Damit kann die OCBC durchaus als Fallstudie für digitalisierungswillige Banken herhalten.