Nach den jüngsten Razzien in Europa kämpft die Credit Suisse um ihren Ruf. Das tut die Grossbank vehement – und zeigt ein völlig neues Selbstbewusstsein im Steuerstreit mit dem Ausland.
Von der vielgerühmten holländischen Freundlichkeit war am vergangenen Donnerstag im Amsterdamer Finanzdistrikt nicht viel zu spüren. Steuerfahnder durchsuchten dort die Büros der Credit Suisse (CS) nach Hinweisen auf Schwarzgeld. Die Behörden hatten offenbar einen Tipp zu 3'800 Geheimkonti beim Institut erhalten, wie auch finews.ch berichtete.
Insgesamt ist von rund 55'000 verdächtigen Konten beim Geldhaus die Rede – auch in den Büros der CS in London und Paris klopften Ermittler an. Tags darauf gab die Bank zu, «Besuch» von Behörden erhalten zu haben. Die Kommunikationsabteilung hielt auch dann noch am Euphemismus fest, als die Nachrichtenagenturen schon längst vermeldet hatten, was Sache ist: Die Grossbank war Ziel einer europaweiten Razzia geworden.
Iqbal Khan an der Medienfront
Dann fand die CS jedoch kommunikativ wieder Tritt und ging in die Offensive. Noch am selben Freitag schickte das Institut seinen Chef der internationalen Vermögensverwaltung (IWM), Iqbal Khan, an die Medienfront. Gegenüber der Agentur «Bloomberg» wunderte sich der CS-Manager über das Timing der Razzien. Und beteuerte, bezüglich Steuerflucht gelte gegenüber europäischen Kunden Nulltoleranz.
Übers letzte Wochende doppelte die Grossbank mit teils doppelseitigen Anzeigen in verschiedenen britischen, französischen und niederländischen Zeitungen nach, so im Wirtschaftsblatt «Financial Times» (siehe unten, Bild via «NZZ»).
Schluss mit willfährig?
In ihrer «Antwort auf die jüngsten Untersuchungen» machte die CS auf die Prinzipien aufmerksam, denen sie im Europageschäft folgen will: 2011 habe die Bank das Business einer grossen Überprüfung unterzogen und die Kunden gebeten, Nachweise zu liefern, dass sie ihren Steuerpflichten nachkämen, hielt das Institut fest.
Die geharnischte und selbstbewusste Reaktion überrascht. Im Steuerstreit mit dem Ausland hatte sich die CS – wie der Rest des Swiss Banking – bislang zumeist willfährig gezeigt. In den USA bekannte sich die Bank im Jahr 2015 des Steuerbetrugs für schuldig. In Deutschland zahlte das Institut 2011 rund 150 Millionen Euro in eine Einigung, in Italien im vergangene Oktober knapp 110 Millionen Euro.
Doch angesichts der neuen Vorwürfe aus den Niederlanden sieht die CS nun plötzlich rot – oder orange, zieht man die holländische Nationalfarbe in Betracht.
Schweizer Finanzplatz unterminiert
Angesichts der (noch) reichlich diffusen Verdächtigungen wird die Schlacht auf dem Feld der Reputation geschlagen. Die CS kämpft um ihren Ruf und, in der Erweiterung, um das Image der Branche.
Sinnigerweise sieht die britische «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) den Ruf des Swiss Banking nun in Gefahr: Die Ermittlungen «unterminierten» die Anstrengung des Finanzplatzes, sein Geschäftsmodell zu ändern, findet das Blatt. Die Agentur «Bloomberg» schreibt ihrerseits von einem «Schlag gegen den Turnaround» der CS.
Für argwöhnische Schweizer Banker ist da sofort klar: Der Finanzplatz soll schlecht gemacht werden. Schliesslich befindet sich die Branche in einem knallharten Standortwettbewerb.
Eine Gratwanderung
Überraschenderweise ist auch vonseiten der Schweizer Behörden diesmal harscher Protest gegen die europäischen Kollegen zu vernehmen. So enervierte sich die Schweizer Bundesanwaltschaft, nicht vorab über die Razzien informiert worden zu sein. «Die Bundesanwaltschaft der Schweiz ist befremdet über die Art und Weise, wie diese Operation unter bewusstem Nichteinbezug der Schweiz organisiert worden ist», hielt die Behörde am vergangenen Freitag in aller Deutlichkeit fest.
Findet der hiesige Finanzplatz im Steuerstreit mit dem Ausland plötzlich zu einen neuen Selbstbewusstsein? Der Fall CS könnte das Fanal dazu liefern. Hingegen wartet nun eine Gratwanderung auf das Institut – das zeigt ausgerechnet das Beispiel der Erzrivalin UBS.
Im vergangenen Monat schlug die grösste Schweizer Bank nämlich einen Vergleich über 1,1 Milliarden Euro im Steuerstreit mit Frankreich aus. Die düpierten Franzosen eröffneten darauf ein Strafverfahren gegen die UBS. Medien rechneten vor, dass dem Geldhaus nun eine Busse von bis zu 5 Milliarden Euro drohen könnte.
Sergio Ermotti pocht auf die Reputation
Bezeichnenderweise hat Chef Sergio Ermotti im Fall Frankreich auf die Reputation seiner Bank gepocht. Das Institut werde keine Deals mit Behörden eingehen, die den Ruf der UBS schädigen könnten, sagte er sinngemäss letzten Februar.
Solche Voten sind gewagt. Doch sie passen zu einer Branche, die sich nach der Finanzkrise und dem Übergang zur Weissgeld-Strategie zurück zu neuer Stärke gefunden hat. So haben die hiesigen Banken ihre Kosten heruntergefahren, und das Neugeldwachstum ist ähnlich hoch wie vor dem Krisenjahr 2008. Damit ist, so scheint es, ein Teil des alten Selbstvertrauens zurückgekehrt.