Der Absturz des Derivate-Spezialisten Leonteq ist die Folge einer Anhäufung von Managementfehlern. Das wirft weniger die Frage nach personellen Konsequenzen denn nach dem Geschäftsmodell auf.
Leonteq-CEO Jan Schoch und Verwaltungsratspräsident (VR) Pierin Vincenz haben am Donnerstag an einer Medien- und Analystenkonferenz in Zürich ihre Demut demonstriert. Beide gestanden Fehler ein.
Gleichzeitig wurden sie nicht müde zu betonen, wie enttäuscht sie über ihren eigenen Leistungsausweis für das Jahr 2016 seien, und wie hoch ihr Engagement bleibe, Leonteq wieder auf die richtige Spur zu führen.
Es wäre zu einfach, nach dem desaströsen Jahr und den partiellen Schuldeingeständnissen von Schoch und Vincenz nach personellen Konsequenzen zu rufen. Doch müssen sich die Dinge bei Leonteq grundlegend ändern.
Nur noch kleinlaut
Der Absturz in die roten Zahlen ist angesichts der präsentierten Einblicke in die operationellen Schwierigkeiten von Leonteq ein Absturz auf den Boden der Tatsachen.
Hatte Schoch früher noch Anlegerfantasien mit Wortschöpfungen wie «Finteq» (damit war das Plattformgeschäft mit Partnern gemeint) geweckt und Erwartungen mit Aussagen über eine beliebig sklarierbare Plattform geschürt, sind sowohl CEO und Gründer Schoch wie auch VR-Präsident Vincenz heute kleinlaut geworden.
Rückkehr in die Profitabilität noch zweifelhaft
Das Ziel müsse nun lauten, Profitabilität und Glaubwürdigkeit von Leonteq wieder herzustellen, sagte Vincenz. Dass dies bereits im laufenden Jahr gelingt, bezweifeln sowohl er als auch Schoch.
Denn aus den Ausführungen an der Medienkonferenz erschloss sich ein Mount Everest an Problemen, welche Leonteq zu bewältigen hat. Diese Probleme lassen sich in drei Bereiche aufteilen: Fehler beheben, Geschäftsmodell überprüfen und Unternehmenskultur ändern.
1. Die Fehler: Keine Kontrolle, keine Durchsicht
Lässt man das vergangene Jahr bei Leonteq Revue passieren, offenbart sich eine Aneinanderreihung von Fehlern, die auf ungenügende «checks and balances» und Corporate-Governance-Strukturen bei Leonteq schliessen lassen. Die Ertragslage war bereits im ersten Quartal so schwach gewesen, dass Leonteq die Investoren zwar warnte.
Doch schienen sowohl Management wie auch Verwaltungsrat operationelle Probleme mit Plattform-Partnern zu ignorieren. Sie hielten an ihren überdimensionierten und kostspieligen Ausbauplänen fest. Spätestens nach einem zweiten miserablen Quartal hätte Leonteq für mehr Klarheit sorgen müssen.
Stattdessen präsentierte das Unternehmen im September erste Konsequenzen einer teuren Strategieüberprüfung des Beratungsunternehmens McKinsey, indem die Geschäftsleitung von acht auf elf Mitglieder vergrössert wurde. Diese wird nun wieder auf sechs Mitglieder eingedampft.
Am Investorentag im November gab CEO Schoch zwar den Umbau der Konzernstruktur bekannt und nannte auch Sparziele. Doch waren diese zur bösen Überraschung der Investoren bereits einen Monat später überholt. Es ist ein Rätsel, warum bei Leonteq noch bis Dezember der «Überoptimismus» herrschte, den sowohl Schoch als auch Vincenz nun einräumten.
2. Das Geschäftsmodell: Gleich mehrere Fragezeichen
CEO Schoch und sein Team haben auch operationelle Fehler begangen. Oder vielmehr: Sie wie der Verwaltungsrat auch haben beim Wechsel der Strategie zu einem Plattform-Partnergeschäft eine Anzahl von Risiken schlicht übersehen.
So dauert es offenbar 18 Monate und mehr, bis ein Partner auf der Leonteq-Plattform voll funktionieren kann. Ein weiteres Problem ist: Diese Partner, Banken und Versicherungen, sind aufgrund von Kapitalvorschriften bei der Emission von Strukturierten Produkten teilweise massiv eingeschränkt. Zudem können diese Partner ihre Produkte auch nur in gewissen Märkten verkaufen.
Die Margen auf den Produkten sind nun so tief, dass Leonteq sich gezwungen sieht, wieder vermehrt Eigenemissionen zu tätigen. Das Geschäftsmodell von Leonteq, das auf der skalierbaren Plattform und einer stetig wachsenden Anzahl von Partnern beruht, ist somit brüchig. Zumal Schoch selber unsicher ist, ob die eingeleiteten Massnahmen zum Erfolg führen. Er und Vincenz wiederholten zwar mehrfach, sie würden an ihr Geschäftsmodell glauben. Doch sind die Zweifel damit nicht aus dem Weg geräumt.
3. Veränderungen in der Unternehmenskultur tun not
Leonteq hat sich unter anderem einen Namen als schnell wachsendes Technologie-Unternehmen mit aggressiven Zielen und hohen Ambitionen gemacht, das eine hohe Personalfluktuation aufweist und bei dem alle Fäden bei CEO Schoch zusammenlaufen.
Gleichzeitig herrscht im Verwaltungsrat eine Unausgewogenheit zwischen abhängigen und unabhängigen Mitgliedern und einer Machtkonzentration bei VR-Präsident Vincenz. Dies geht Leonteq nun an: Schoch wird ein stellvertretender CEO als «Aufpasser» zur Seite gestellt (wer dies sein wird, ist noch nicht entschieden).
Der Verwaltungsrat erhält bis 2018 zwei weitere unabhängige Mitglieder. Vincenz tritt zudem aus dem «Remuneration Committee», welches die Saläre und Boni festlegt, aus.
Dies geschieht wohl auch vor dem Hintergrund, dass sich der frühere Raiffeisen-Chef mit der Übernahme des Leonteq-Präsidiums sein Salär verdoppeln liess. Vincenz kündigte nun zwar an, auf 34 Prozent seines Präsidenten-Lohns zu verzichten.
Doch ist dies bei genauerem Hinsehen kein Verzicht: Gekürzt wird bloss sein budgetiertes Salär von 750'000 Franken. Im Vergleich zu seinem Vorgänger Peter Forstmoser, der 2015 330'000 Franken erhalten hatte, verdient Vincenz in diesem Jahr mit 494'000 Franken deutlich mehr.
Die Kommunikation von Leonteq bleibt zumindest in diesem Fall unglücklich. Die demonstrierte Demut muss sich an der Leonteq-Spitze erst noch festigen.