Die Raiffeisen Schweiz möchte das stagnierende Geschäft mit Hypotheken durch eine Senkung der finanziellen Anforderungen an prospektive Hausbesitzer beleben. Diesem Ansinnen hat die Schweizerische Nationalbank eine klare Absage erteilt.
Die Raiffeisen Bank Schweiz, und mit ihr eine Reihe von weiteren Instituten, möchte den sogenannten kalkulatorischen Zinssatz von heute 5 Prozent auf 3 Prozent senken. Damit will sie einerseits der günstigen Zinsentwicklung Rechnung tragen und andererseits jüngeren Schweizerinnen und Schweizern ermöglichen, ein Eigenheim zu erstehen – und letztlich das Geschäft mit Hypotheken beleben, welches für Retailbanken wie die Raiffeisen matchentscheidend geworden ist.
Der von den Banken angewandte Richtwert ist nicht verpflichtend. Anders gesagt, die Banken müssen selber die Minimalanforderungen bezüglich der finanziellen Leistungsfähigkeit eines prospektiven Eigenheimbesitzers formulieren.
Der geltende Richtwert besagt letztlich, dass ein Immobilienkäufer die Hypothek auch bei einem Zinssatz von 5 Prozent noch finanzieren können muss, ohne in Verzug zu geraten. Die Banken haben sich diesen Richtwert aufgrund einer langfristigen Analyse des Zinsniveaus in der Schweiz auferlegt.
Langfristige Perspektive beibehalten
Die Nationalbank hat am Donnerstag ihre Antwort auf den Vorstoss der Raiffeisen, einer systemrelevanten Bank, gegeben und dabei die Frage der Langfristigkeit in den Mittelpunkt ihrer Kritik gerückt.
«Zwar könnte die aktuelle Tiefzinsphase noch länger andauern und der Anstieg der Zinsen dereinst nur sehr graduell ausfallen», erklärte Fritz Zurbrügg, der Vizepräsident des Direktoriums der SNB, an der Jahrespressekonferenz in Bern.
Suche nach Profitmöglichkeiten
«Hypotheken beeinflussen die finanzielle Lage der Kreditnehmer und die Bilanzen der Banken in der Regel jedoch über Jahrzehnte. Somit sind bei der Beurteilung der Tragbarkeit und der Wahl des Zinsrisikos auch Zinsentwicklungen in der langen Frist relevant.»
Die SNB ist sich bewusst, dass es für Banken wie die Raiffeisen gute Gründe gibt, an den Bedingungen für die Hypothekarvergabe zu schrauben. Nachdem mit dem Zinsdifferenzgeschäft nicht mehr viel zu holen ist und die Kunden auf ihren Bargeldbeständen sitzen, suchen die Banken händeringend nach Möglichkeiten, ihren Profit mindestens halten zu können.
Risikobereitschaft bleibt intakt
«Der Risikoappetit der inlandorientierten Banken bleibt gross, was sich bei den eingegangenen Zins- und Tragbarkeitsrisiken im Hypothekargeschäft zeigt», so Zurbrügg. Und dies wohl nicht zuletzt, weil das Wachstum im Immobilienmarkt auf einem «relativ tiefen Niveau verharrt», so der Währungshüter.
Gleichwohl, damit die Eigenheimbesitzer und ihre Hypothekengeber nicht einst einen Totalabsturz erleben, rät die SNB, der eingeschlagenen Strategie treu zu bleiben. «Trotz des gegenwärtigen Drucks auf die Zinsmargen sollten die Banken ihre Risikopolitik deshalb weiterhin auf einen langfristigen Horizont ausrichten,» betonte Zurbrügg.
«Auch unter der Annahme eines Rückgangs des durchschnittlichen Zinsniveaus ist das in den letzten Jahren vorherrschende Zinsniveau ausserordentlich.»
Gefahr eines Backlash
Die SNB, welche für die Stabilität am Finanzmarkt zuständig ist, befürchtet, dass eine Senkung des kalkulatorischen Zinses oder eine weitere Erhöhung der eingegangenen Zinsrisiken zu einer neuen Dynamik am Immobilienmarkt führen könnte. Dies wiederum könnte auf die Banken zurückschlagen, wenn die SNB in Zukunft wieder Erwarten relativ schnell die Zinsen erhöhen müsste.
«Die Nationalbank wird die Lage weiterhin aufmerksam beobachten und regelmässig prüfen, ob der antizyklische Kapitalpuffer angepasst werden soll», so Zurbrügg zum Abschluss.
Mit anderen Worten: sollten die inlandorientierten Banken ihre Anforderungen an die Kreditnehmer senken, hat die SNB immer noch die Option, den Kapitalpuffer von gegenwärtig 2 Prozent weiter anzuheben.