SNB lockert Geldpolitik auch mit dem Argument der Asymmetrie
Die Nationalbank begründet ihre erneute Zinssenkung unter anderem damit, dass sie, wenn die Inflation nach oben überraschen sollte, die Preisstabilität relativ einfach sicherstellen könnte. Ein Zauberwort in ihrer Kommunikation sind zurzeit die «globalen Unsicherheiten», die zugenommen haben.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat am Donnerstag entschieden, ihren Leitzins auf 0,25 Prozent zu senken. Mit dem Zinsschritt stelle man sicher, dass die monetären Bedingungen «angesichts des schwachen Inflationsdrucks und der erhöhten Abwärtsrisiken für die Inflation» angemessen blieben, wird im Communiqué festgehalten.
Der wichtigste Indikator für die künftige Ausrichtung der Geldpolitik, die Inflationsprognose, unterscheidet sich praktisch nicht von derjenigen, welche die SNB bei der letzten geldpolitischen Lagebeurteilung im Dezember 2024 vorstellte. Für 2025, 2026 und 2027 wird mit einer durchschnittlichen Jahresinflation von 0,4, 0,8 und 0,8 Prozent gerechnet.
Im Dezember lauteten die Werte noch 0,3 und 0,8 (für 2027 gab es erst drei Quartalswerte, die auf einen Jahreswert von 0,7 Prozent schliessen liessen). Damit würde sich die Teuerung über den ganzen Zeitraum weiterhin in dem Bereich von 0 bis 2 Prozent bewegen, den die SNB mit Preisstabilität gleichsetzt.
Abwärtsrisiken überwiegen
Für das laufende Jahr geht die SNB wie schon im Dezember von einem Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) zwischen 1 und 1,5 Prozent aus. Für 2026 wird eine BIP-Zunahme von 1,5 Prozent veranschlagt.
An der Medienkonferenz führte das Direktorium – das sich aus dem Präsidenten Martin Schlegel, dem Vize Antoine Martin und dem Mitglied Petra Tschudin zusammensetzt – aus, weshalb es die Geldpolitik weiter lockert. Die globalen handelspolitischen und geopolitischen Unsicherheiten seien gestiegen, die Wirtschaftsaussichten für die Schweiz deutlich unsicherer geworden. Deshalb sei auch der Ausblick für die Inflation (und damit wohl auch die Treffsicherheit für die Inflationsprognose) «momentan sehr unsicher». Doch überwögen bei der Teuerung die Abwärtsrisiken.
Zutreffende Inflationseinschätzung des Direktoriums – bis jetzt
Ein zumindest psychologisch nicht unwesentlicher Punkt dürfte sein, dass sich die Einschätzung der Inflationsentwicklung, die das Direktorium im Dezember erstmals in seiner neuen Zusammensetzung abgab, als zutreffend erwiesen hat. «Die Inflation hat sich seit der letzten Lagebeurteilung wie erwartet entwickelt», konnte Schlegel denn auch konstatieren.
Wie bereits im Dezember vermied er jeden Hinweis auf die Richtung der künftigen Geldpolitik, gab also keine Forward Guidance ab. Aber er liess durchblicken, dass es für die SNB eine gewisse Asymmetrie gibt. Sollten sich nämlich doch die Aufwärtsrisiken bei der Inflation als dominant erweisen, könnte die Geldpolitik relativ einfach die Zinsschraube anziehen oder Devisen verkaufen, um den Preisauftrieb zu bremsen und die Preisstabilität zu sichern.
Wahrscheinlichkeit für Negativzins reduziert?
Die nun beschlossene Zinssenkung sorgt hingegen für einen expansiven Wirtschaftsimpuls und verringert damit gemäss Schlegel die Wahrscheinlichkeit, dass die SNB wieder auf das ungeliebte Instrument des Negativzinses zurückgreifen muss. «Zuwarten bringt in der Geldpolitik nichts.»
Angesprochen auf den von den USA angezettelten Zollstreit und die fiskalpolitische Wende in Deutschland und Europa gab Schlegel zu bedenken, dass es schwierig sei, heute schon die künftigen Auswirkungen auf die Schweiz abzuschätzen.
Schmallippig zum Thema US-Staatsanleihen
Ebenso bedeckt hielt sich der Präsident mit Blick auf einen möglichen «Mar-a-Lago Accord», also Spekulationen über eine unter Druck der USA erzielte Vereinbarung, bei der auch die ausländischen Halter von US-Staatsanleihen mithelfen würden, zugleich den Dollarkurs und die Aufwendungen für den Schuldendienst tief zu halten.
Die SNB hält umfangreiche Bestände an US-Staatspapieren, weist aber deren Höhe nicht separat aus. Man beobachte die Entwicklungen genau, sagte Schlegel, und Martin ergänzte, dass man permanent über die richtige Zusammensetzung der Devisenanlagen unter den Gesichtspunkten Liquidität und Sicherheit nachdenke.
Auch auf die Frage, weshalb die Renditen am langen Ende der Zinskurve kaum auf die letzten Zinssenkungen reagiert haben (oder sogar gestiegen sind), war Schlegel vorbereitet. Es gebe neben dem kurzfristigen Sätzen viele andere Faktoren, welche die Langfristzinsen bestimmten – und er erwähnte zudem den internationalen Zinszusammenhang, also die Tatsache, dass sich die Schweiz der Entwicklung in anderen Währungsräumen nicht entziehen kann. «Wir berücksichtigen aber für unseren geldpolitischen Entscheid jeweils das ganze Zinsgefüge.»
Schwacher Franken und starker Goldpreis – ein Widerspruch
Das Thema schwächelnder Franken wies Schlegel der Kollegin zu. Weshalb ist der Franken trotz hoher globaler Unsicherheiten nicht stärker? Tschudin argumentierte, dass die Finanzmärkte grundsätzlich immer noch recht positiv gestimmt und damit entspannt seien. Das mag mit Blick auf die Aktienbörsen insbesondere in Europa zutreffend sein.
Nicht in Einklang bringen lässt sich damit jedoch die Goldpreisentwicklung. Die seit Jahren anhaltende Hausse kann durchaus als Indikator dafür gedeutet werden, dass es eine erhebliche grundlegende Skepsis von Marktteilnehmern gibt.
Gold wäre in dieser Lesart eine Versicherung gegen das Extremszenario eines Kollaps der Finanzmärkte und vielleicht sogar des ganzen Finanz- und Währungssystems. Und wenn sich die Prämie für diese Versicherung (also der Goldpreis) so rasch so stark verteuert, heisst dies, dass die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines solches Extremszenarios im Urteil der Akteure zugenommen hat.
Als Halterin von (noch) 1040 Tonnen Gold dürfte die SNB den Preisverlauf des Edelmetalls durchaus auf ihrem Radar haben.