Was wird ein Bankkunden-Berater im Jahr 2030 bieten müssen, um seine Klientel zu betreuen? Braucht es ihn dann überhaupt noch? Vier Szenarien.
Es sind keine einfachen Zeiten, die das Bankpersonal derzeit durchmacht. Die Ertragsflaute, der technologische Wandel und die ausufernde Regulation verwandeln die Arbeit in ein heikles und oftmals deprimierendes Unterfangen.
Vor diesem Hintergrund darf es nicht erstaunen, dass ein Drittel aller Beschäftigten nicht mehr in die Finanzwelt einsteigen würde. Und 40 Prozent auch Schul- oder Studienabgängern abraten, bei einer Bank zu arbeiten, wie eine neue Umfrage von finews.ch und der PR-Agentur Communicators zum Ausdruck brachte.
Treiber des Wohlstands
Gleichwohl wäre es nun verfehlt, die ganze Branche abzuschreiben. Denn immerhin beschäftigt dieser Wirtschaftszweig schweizweit knapp 124'000 Personen und trägt rund 6 Prozent zum Wirtschaftswachstum (Bruttoinlandprodukt) bei – mehr als der Detailhandel, das Baugewerbe oder das Gesundheitswesen.
Und Bankgeschäfte wird es auch in Zukunft geben – es fragt sich nur, in welcher Form. Unter diesen Prämissen ist die Frage, wie Bankkundenberatung im Jahr 2030 aussehen wird, durchaus berechtigt.
Erste Erkenntnisse
Genau dieser Frage geht die Zürcher Fachhochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) im Zusammenarbeit mit dem Zürcher Bankenverband (ZBV) seit Anfang dieses Jahres nach und hat am (gestrigen) Montag in Zürich erste Erkenntnisse einer breit angelegten Studie publiziert, die in ihrer vollständigen Fassung im März 2017 veröffentlich werden soll, wie Projektleiterin Anita Sigg von der ZHAW School of Management and Law an einer Veranstaltung in Zürich sagte.
Da letztlich doch niemand die Zukunft kennt, haben die Initianten der Studie basierend auf Befragungen und Erhebungen vier Szenarien entworfen, wie sich die Bankkunden-Beratung im Jahr 2030 präsentieren könnte.
Vier Szenarien
Vereinfacht gesagt sieht Szenario A vor, dass die disruptive Veränderung den Finanzplatz aus den Angeln hebt, weil die Bankdienstleistungen mehrheitlich nur noch digital angeboten werden und die Finanzinstitute sozusagen ihre Zweckbestimmung und damit auch ihre Marktanteile an branchenfremde, vor allem ausländische Anbieter, verlieren. – Das sind keine guten Aussichten.
Szenario B geht ebenfalls von disruptiven Veränderungen aus, aber mit der Annahme, dass die hiesigen Banken dem Wandel gewachsen sind und auf die Konkurrenz aus dem Ausland reagieren können, so dass die Wertschöpfung zu einem grossen Teil und damit auch die Arbeitsplätze in der Schweiz bleiben. – Ein ermutigendes Szenario.
Im Szenario C gingen die Befragten davon aus, dass die Schweiz den ganzen Wandel verschlafe, weil sich die Banken zusehr auf den Lorbeeren aus der Vergangenheit ausruhten und die konservativen Kräfte im Banking die erforderlichen Massnahmen verhinderten – immer in der Annahme, die Branche würde zum alten Geschäftsmodell zurückfinden. – Eine fatale Situation.
Das Szenario D geht davon aus, dass der Kunde auch in Zukunft die Nähe und die Kompetenz der Bankkundenberater suchen wird; dies trotz aller finanztechnologischen Tools, die es mittlerweile gibt oder noch geben wird. Gleichzeitig würde in diesem Fall die Schweiz auch von der anhaltenden Unsicherheit in der Welt profitieren, so dass viele Leute im Ausland ihr Geld weiterhin auf hiesige Konti deponieren würden. Unter der Voraussetzung, dass es der Branche gelänge, die Bankkundenberatung den künftigen Bedürfnissen der Klientel anzupassen, würden der Schweiz rosige Zeiten blühen. – Viel Hoffnung.
Epochaler Wandel
Es ist nicht ganz überraschend, dass sich die Umfrageteilnehmer aus der Studie das Szenario D wünschen. Interessant ist indessen, dass bei einem Live-Voting am Montagabend 41,9 Prozent der Zuhörer für Szenario B stimmten, 24,6 Prozent für A, 21,8 Prozent für D und 11,7 Prozent für C.
Mit anderen Worten: Die gute, heile Welt, wie sie sich in Szenario D entwickeln sollte oder könnte, ist zwar nicht ganz abwegig, aber nicht die plausibelste. Denn die hiesige Finanzbranche ist tatsächlich einem epochalen Wandel ausgesetzt, dem man nur erfolgreich begegnen kann, wenn es gelingt, die nötigen Innovationen freizusetzen. Innovationen notabene, die nicht unbedingt aus den zumeist schwerfälligen Banken entstammen, sondern von Startups aus dem Fintech-Universum.
Digitalisierung passiert
Es ist eine Tatsache, dass noch viele Bankangestellte dem technologischen Wandel eher skeptisch begegnen, wie auch Thomas Ulrich, Präsident des Zürcher Bankenverbands (ZBV) und UBS-Wealth-Management-Chef für die Region Zürich, einräumte. «Dabei passiert die Digitalisierung (einfach), und es liegt an uns, wie wir damit umgehen», sagte Ulrich.
Es sind denn auch nicht eigentlich neue Kompetenzen, welche das Profil eines Kundenberaters im Jahr 2030 auszeichnen werden, sagte Marco Beutler, Personalchef der Zürcher Kantonalbank (ZKB). Sondern Eigenshaften, die in der Vergangenheit eher in Vergessenheit gerieten, wie Neugierde, Selbständigkeit, Organisationstalent, Offenheit, Fachwissen genauso wie eine Generalistenperspektive einnehmen zu können, Empathie und vernetztes Denken.
Vor diesem Hintergrund wird es inskünftig eher darum gehen, wie sich diese Werte mit den technologischen Anforderungen verbinden lassen, so dass der Kunde je nach seinen Bedürfnissen betreut werden kann. Die Diskussionsteilnehmer betonten indessen auch, dass es heute an jedem einzelnen Bankangestellten liege, für seine «Arbeitsmarkt-Tauglichkeit» zu sorgen.