Keine gesetzliche Grundlage, im Widerspruch zur bewährten Praxis und zur internationalen Usanz. Die Argumente gegen die Auslegung der Finma wiegen schwer. Es droht ein Exodus von Schweizer Stablecoins-Emittenten.

Dass sich die Begeisterung der Branche über die am 26. Juli von der Finanzmarktaufsicht Finma publizierte Aufsichtsmitteilung «Stablecoins: Risiken und Anforderungen für Stablecoin-Herausgebende und garantiestellende Banken» in engen Grenzen halten würde, war abzusehen. Schliesslich wird schon die bisherige Praxis von etlichen Akteuren als zu restriktiv kritisiert.

Doch die Deutlichkeit, mit der die Swiss Blockchain Federation (SBF) in ihrer am Dienstag veröffentlichten Mitteilung zur Auslegung der Finma Stellung nimmt, lässt aufhorchen. Die SBF lässt sowohl am Prozess wie auch am Inhalt kein gutes Haar. Und das Wort der 2018 gegründeten SBF hat Gewicht. Zu den rund 80 Mitgliedern zählen nämlich auch die Kantone Tessin, Zug, Neuenburg und Zürich – und man darf davon ausgehen, dass die Stellungnahme ohne die Zustimmung der Kantone nicht so erfolgt wäre.

Finma konstruiert «dauerhafte Geschäftsbeziehung»

Die SBF zeigt sich «befremdet» darüber, dass die Finma auf die gesetzlich verankerten Mitwirkungsrechte verzichtet habe und die direkt Betroffenen nicht angehört worden seien, um im gleichen Zug in Erinnerung zu rufen, dass sich der Verband «seit Jahren für einen konstruktiven Dialog mit den Behörden mit dem Ziel, des Blockchain-Standorts Schweiz zu stärken», einsetze.

Die Hauptkritik richtet sich jedoch auf den Inhalt der Aufsichtsmitteilung. Die Finma vertrete darin die Ansicht, dass Emittenten von Stablecoins verpflichtet seien, alle Inhaber als Kunden zu erfassen und ihre Transaktionen zu überwachen. Dadurch werde eine «dauerhafte Geschäftsbeziehung» zwischen Stablecoin-Inhaber und -Emittent und damit eine Kundenbeziehung nach Geldwäschereigesetz konstruiert.

Keine Grundlage im Geldwäschereigesetz

Die Konsequenz: «Damit müssen alle Personen, die im Besitz von Stablecoins sind, vom herausgebenden Institut oder von angemessen beaufsichtigten Finanzintermediären mit Hilfe einer geprüften Passkopie oder anderer offizieller Dokumente identifiziert werden.»

Die Auslegung der Finma, das vorübergehende Halten eines Stablecoins als «dauerhafte Geschäftsbeziehung» zum Herausgeber einzustufen, lasse sich aber nicht aus dem Geldwäschereigesetz herleiten. Der Interpretation der Finma fehle somit eine ausreichende gesetzliche Grundlage.

Gegen internationale Usanz

Stablecoins sind digitale Währungen, die durch eine (oder mehrere) offizielle Währung gedeckt sind und zu dieser Referenz einen mehr oder weniger stabilen Wert aufweisen. Sie werden als elektronische Zahlungsmittel eingesetzt und spielen eine Schlüsselrolle im dezentralen Finanzwesen und bei vielen weiteren Blockchain-Anwendungen.

Die Finma verstosse mir ihrer Auslegung gegen die etablierte Praxis bei Zahlungsmitteln, die Gegenpartei lediglich bei der Ausgabe und bei der Rücknahme zu prüfen, und gegen die internationale Usanz, argumentiert die SBF, um gleich zu konkretisieren: «Weder die EU noch Singapur, Hongkong, Japan oder die USA verlangen eine Identifikation aller Zwischeninhaber eines Stablecoins oder eine Beschränkung seiner Übertragbarkeit.»

Als Zahlungsmittel ungeeignet

Die SBF unterstreicht, dass selbst der «internationale Kettenhund» der Aufsichtsbehörden im Bereich der Geldwäscherei, die Financial Action Task Force (FATF), keine solche Forderung vertritt, und nennt auch gleich den Grund dafür: Stablecoins, die nur zwischen Kunden eines einzelnen Instituts übertragen werden könnten, seien als Zahlungsmittel ungeeignet und damit nutzlos.

Für den Fall, dass die Finma ihre Praxis wie in der Mitteilung vorgesehen umsetzt, sieht die SBF schwarz: Es gebe dann für die Emission von Stablecoins in der Schweiz keine tragfähiges Geschäftsmodell mehr. Im Klartext: «Schweizer Emittenten von Stablecoins sind daher gezwungen, ihr Projekte im Ausland zu realisieren.» Wenn dies in einem EU-Mitgliedstaat geschehe, könnten die Stablecoins  im ganzen Europäischen Wirtschaftsraum frei angeboten werden.

Förderprogramm für das Ausland?

Stablecoins könnten aber auch «ohne jede Einschränkung» in der Schweiz vertrieben werden, sofern die Emittenten «hierzulande keine dauernde physische Präsenz aufweisen, insbesondere keine Mitarbeitenden beschäftigen».

Die Finma scheint also mit ihrer Aufsichtsmitteilung ein eigentliches Blockchain-Förderprogramm angestossen zu haben – leider nur für das Ausland und nicht für den Standort Schweiz.