Die Aktionäre von Tesla sprachen sich deutlich für den 56 Milliarden Dollar-Bonus für Elon Musk aus. Das sei auch richtig, schreibt Markus Ruffner, Verwaltungsrat Neue Privat Bank in Zürich. Misserfolge und nicht unternehmerische Ausnahme-Leistungen sollen sanktioniert werden, schreibt er in seinem exklusiven Gastbeitrag für finews.ch.
An der Tesla Generalversammlung vom 13. Juni 2024 haben die Aktionäre bei Ausstand der Brüder Musk zum zweiten Mal das im Jahre 2018 vom Verwaltungsrat beschlossene Optionsprogramm mit grossem Mehr angenommen und gleichzeitig dem Antrag zugestimmt, den Sitz von Delaware nach Texas zu verlegen. Das erneute Plazet der Aktionäre soll dazu dienen, die Richter am Delaware Cancery Court umzustimmen, nachdem diese das Optionsprogramm im Januar 2024 primär aufgrund von Verfahrens- und Offenlegungsmängeln für ungültig erklärt haben.
Obwohl verschiedene Medien nicht müde werden, von einem Aktienbonus über 56 Milliarden Dollar zu berichten, ging es um eine erneute Bestätigung des auf 10 Jahre angelegten Optionsprogrammes von 2018 mit einem ursprünglichen Wert von 2,3 Milliarden Dollar. Der Optionsplan mit 12 Vesting-Tranchen war bewusst mit sehr hohen Zielvorgaben verbunden.
Trotz aller Widrigkeiten wurden die Finanzziele erreicht
Um alle Tranchen zu erreichen, war Tesla gefordert, eine zusätzliche Marktkapitalisierung von 12 neuen Firmen wie Ford oder General Motors im Umfang von je 50 Milliarden Dollar zu erreichen. Tesla war 2017/2018 mit massiven Produktionsproblemen des neu lancierten Model 3 konfrontiert und die Einschätzungen der Investoren waren mit 20 Prozent Leerverkäufen von Tesla Aktien alles andere als rosig. Sehr zur Freude der Tesla Aktionäre wurden bereits 2022 alle Zielvorgaben des Optionsprogrammes einschliesslich der Steigerung des Marktwertes um 600 Milliarden Dollar erreicht. Der Wert des Optionsprogrammes von 2,3 Milliarden Dollar betrug aus dieser Sicht betrachtet 0,4 Prozent des künftig geschaffenen Marktwertes.
Das erneut klare Plazet der Aktionäre mit 72 Prozent Ja-Stimmen ist umso erstaunlicher, weil die Ausgangsbedingungen für die beiden Abstimmungen völlig unterschiedlich waren. 2018 war der Optionsplan typischerweise als Anreiz für zukünftige Leistungen ausgestaltet worden, während mit der Ungültigkeitserklärung die Aktionäre einen richterlichen Steilpass erhalten haben, an der GV 2024 nach Erreichung aller Ziele opportunistisch das Bonuspaket abzulehnen.
Musk hat auch bei den Anlegern eine grosse Fangemeinde
Interessant ist auch ein Blick auf das Stimmverhalten unterschiedlicher Aktionärsgruppen: Da die meisten an einem Index-tracking ausgerichteten institutionellen Anleger im Einklang mit den Empfehlungen der Stimmrechtsberater Glas Lewis und ISS das Bonus-Paket abgelehnt haben, dürfte der Ja-Anteil der Retail-Investoren deutlich über 80 Prozent gelegen haben. Nicht wenige Anleger wie auch die Fondsgruppe Vanguard, mit 7 Prozent der zweitgrösste Tesla Aktionär, haben es als unfair betrachtet, den Optionsplan nach einer Kurssteigerung der Tesla Aktien von 1100 Prozent zu verwerfen.
Musk hat aber auch eine grosse Fangemeinde von Anlegern, die ihm und nur ihm als CEO zutraut, den Wert von Tesla als führendes AI-Unternehmen nochmals zu vervielfachen, sei dies mit der schon weit entwickelten Self Driving Software, den Robo-Taxis, dem rasch wachsenden Geschäft mit Megapack-Batterien und der Produktion von humanoiden Robotern. Da Musk mittlerweile die Geschicke von sechs weiteren Unternehmen massgebend mitgestaltet, war das Ja der Aktionäre sicherlich auch als Motivationsspritze gedacht, seinen Einsatz für Tesla hochzuhalten.
Nun müssen noch die Richter überzeugt werden
Noch ist der Optionsplan für Musk in keiner Weise in trockenen Tüchern. Vielmehr müssen die Tesla-Anwälte die Richter am Delaware Court davon überzeugen, dass mit dem erneuten Ja der Aktionäre die gerügten Verfahrens- und Offenlegungsmängel der ersten Abstimmung «geheilt» wurden. Nicht vom Tisch sind auch die von den Aktionären zu tragenden Entschädigungsforderungen der siegreichen Anwälte im Umfang von 6 Milliarden Dollar, welche dem zweieinhalbfachen Wert des Optionsprogrammes von Musk entsprechen.
Die Ablehnung des Bonus-Programmes für Musk hätte nach Ansicht führender Tesla-Analysten zu einem zweistelligen Kursverlust der Tesla Aktien führen können. Es ist deshalb nur zu gut verständlich, dass viele Tesla-Aktionäre wenig Freude am eigentlich auf Fairness für die Aktionäre ausgerichteten Gerichtsurteil von Delaware haben.
Von Kontroll-Aktionären geführte Unternehmen performen besser
Wie die verfahrene rechtliche Situation im Falle von Tesla zeigt, ist es vielleicht nicht so falsch, dass sich US-Gerichte bislang weitgehend zurückgehalten haben, vom Verwaltungsrat und den Aktionären abgesegnete Bonusprogramme nachträglich zu korrigieren. Dutzende empirische Studien bestätigen, dass von Kontroll-Aktionären geführte Unternehmen im Durchschnitt eine deutlich höhere Performance als von Managern geleitete Firmen erzielen. Aktionäre, welche selbst mit der grösseren Abhängigkeit von polarisierenden Persönlichkeiten wie dem unternehmerischen Genie Musk leben können und wollen, sollte dies nicht durch Gerichtsentscheide verwehrt werden, die alle Unternehmen über einen Kamm scheren.
Man mag sich vielleicht schon eher ein Verantwortlichkeitsrecht wünschen, bei dem nicht unternehmerische Ausnahme-Leistungen sanktioniert werden, sondern Misserfolge wie im Beispiel der Credit Suisse, bei der mit Boni nicht gegeizt wurde und seit 2006 über 100 Milliarden Franken Marktkapitalisierung vernichtet wurden. Oder wie neulich bei Adam Neumann, dem vollmundigen Gründer von WeWork, der kurz vor dem Konkurs seines Unternehmens noch eine Abgangsentschädigung von 1 Milliarde Dollar erhalten hat.