Der CEO von J.P. Morgan Chase hat in seinem jährlichen Aktionärsbrief nicht nur zur Lage der Bank und zu wirtschaftlichen Themen Stellung bezogen. Mit Blick auf die Geopolitik und die Rolle der USA vertritt er eine dezidiert internationalistische Position.
Jamie Dimon, der CEO von J.P. Morgan Chase, hat in seinem Brief an die Aktionäre ein Plädoyer für die Sicherung der globalen Führungsrolle der USA gehalten. 2023 sei ein Jahr grosser Herausforderungen gewesen. Das reiche von den «schrecklichen anhaltenden Kriegen und der Gewalt im Nahen Osten und in der Ukraine» bis hin zu zunehmenden terroristischen Aktivitäten und wachsenden geopolitischen Spannungen, vor allem mit China, schreibt er in dem am Montag veröffentlichtem Geschäftsbericht der nach Vermögen grössten US-Bank.
Fast alle Länder hätten im vergangenen Jahr die Auswirkungen der weltweiten wirtschaftlichen Unsicherheit gespürt, einschliesslich höherer Energie- und Lebensmittelpreise, Inflationsraten und volatiler Märkte.
Diese Ereignisse und die damit verbundene Instabilität haben zwar schwerwiegende Auswirkungen auf das Unternehmen, die Kollegen, Kunden und die Länder gehabt, in denen J.P. Morgan geschäftlich tätig ist. «Doch die Folgen für die Welt insgesamt - mit dem extremen Leid des ukrainischen Volkes, der eskalierenden Tragödie im Nahen Osten und der möglichen Umstrukturierung der globalen Ordnung – sind weitaus wichtiger», schreibt der Bank-Chef.
Differenzen beiseitelegen
Dabei sieht er die Gefahr, dass Amerikas globale Führungsrolle von aussen durch andere Nationen und von innen durch eine polarisierte Wählerschaft in Frage gestellt wird. «Wir müssen Wege finden, unsere Differenzen beiseitezulegen und im Namen der Demokratie mit anderen westlichen Nationen zusammenzuarbeiten.»
Dimon sieht die Welt durch die Konflikte in einer entscheidenden Phase. «Amerika und die freie westliche Welt können nicht länger ein falsches Gefühl der Sicherheit aufrechterhalten, das auf der Illusion beruht, dass Diktaturen und unterdrückerische Nationen ihre wirtschaftliche und militärische Macht nicht einsetzen werden, um ihre Ziele zu erreichen - insbesondere gegen die ihrer Meinung nach schwachen, inkompetenten und desorganisierten westlichen Demokratien.»
Innen- und Aussenwirtschaftspolitik seien eng miteinander verknüpft, insbesondere in den Bereichen Handel, Investitionen, nationale Sicherheit und anderen Fragen. «Auch wenn die amerikanischen Wähler und die amerikanische Führung die Aussenpolitik der USA bestimmen, ist es wichtiger denn je, ein konstruktiver Teil des globalen Gesprächs zu sein.»
Es braucht umfassende Strategie
Dabei fordert er eine umfassende Strategie, die auf vier Säulen beruhen sollte: Der Aufrechterhaltung der amerikanischen Führungsrolle inklusive der militärischen, dem Ziel mit den Verbündeten langfristigen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen, der Stärkung der USA im Inneren und der Entschlossenheit die dringendsten Herausforderungen zu bewältigen. Zur Führungsrolle der USA sieht Dimon keine Alternative.
Seine Position in Bezug auf die Unterstützung für die Ukraine formuliert der Bank-CEO mit unmissverständlicher Eindringlichkeit. «Für die USA ist es keine Option, bei einem Kampf zwischen Autokratie und Demokratie, zwischen Diktatur und Freiheit, an der Seitenlinie zu stehen. Die Ukraine ist die Frontlinie der Demokratie.»
Zersplitterung der «Pax Americana»
Sollte der Krieg für die Ukraine schlecht ausgeht, könnte das zu einer Zersplitterung der «Pax Americana» kommen. Und das wäre eine Katastrophe für die gesamte freie Welt.
«Der Kampf der Ukraine ist unser Kampf, und ein Sieg der Ukraine bedeutet, dass Amerika an erster Stelle steht. Es ist zwingend erforderlich, dass unsere nationalen Führer dem amerikanischen Volk erklären, was auf dem Spiel steht, und mit Energie, Konsequenz und Klarheit für unser starkes und dauerhaftes Engagement für das Überleben der Ukraine eintreten, so lange wie nötig (und das könnte Jahre dauern)», schreibt Dimon.
Staatliches Defizit treibt Inflation
Auch mit Blick auf die US-Zinspolitik goss er Wasser in den Wein und warnte davor, dass die Zinsen für längere Zeit hoch bleiben könnten. Die Wirtschaft werde durch hohe staatliche Defizitausgaben und vergangene Konjunkturprogramme angekurbelt.
«Es besteht auch ein wachsender Bedarf an höheren Ausgaben, da wir den Übergang zu einer umweltfreundlicheren Wirtschaft, die Umstrukturierung der globalen Lieferketten, die Erhöhung der Militärausgaben und den Kampf gegen die steigenden Gesundheitskosten fortsetzen. Dies könnte zu einer stärkeren Inflation und höheren Zinsen führen, als die Märkte erwarten», heisst es weiter.