Der Auftrag der SNB ist es, für geldpolitische Stabilität zu sorgen – und nicht, einen Gewinn zu erzielen. Das die Käufe von Fremdwährungen der SNB der vergangenen Jahre zur Schwächung des Franken Risiken bergen, war immer klar. Jetzt haben sich die Befürchtungen realisiert.
Bund und Kantone hatten sich an die regelmässigen Gewinnausschüttungen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) gewöhnt. Jetzt drohen Entzugserscheinungen. Seit 1991 hat die SNB in schöner Regelmässigkeit Ausschüttungen getätigt. In den vergangenen 30 Jahren gab es nur 1995 und 2013 eine Nullrunde.
Mit dem nun gemeldeten Verlust von 142 Milliarden Franken nach den ersten neuen Monaten 2022 ist eine Ausschüttung mehr als unwahrscheinlich geworden. Für 2021 hatte die SNB noch den Maximalbetrag von 6 Milliarden ausgeschüttet, wobei jeweils zwei Drittel an die Kantone gehen und ein Drittel an den Bund.
Um doch noch mit einem Plus abzuschliessen, bräuchte es fast schon ein kleines Wunder: Eine starke Jahresendrally an den Aktienmärkten bei einer gleichzeitigen kräftigen Abwertung des Franken zu Euro und Dollar. Doch Anzeichen dafür hat es im Oktober keine gegeben. Es bleiben also effektiv noch zwei Monate, um den Mega-Verlust wenigstens noch etwas einzugrenzen.
Pleite-Gespenst unbegründet
Eine Notenbank-Pleite droht der Schweiz jedoch nicht, auch wenn dass einige Kommentatoren bereits als Schreckgespenst durch die Wirtschaftskolumnen treiben. Es ist im Fall von massiven Verlusten sogar vorgesehen, dass das Eigenkapital der SNB negativ wird und sich dies in der Bilanz in einer negativen Ausschüttungsreserve widerspiegeln würde. Durch die Kapazität zur Geldschöpfung in eigener Währung bleibe die SNB aber stets zahlungs- und handlungsfähig, heisst es immer wieder.
Das Problem der immer weiter anschwellenden Fremdwährungspositionen ist seit Langem bekannt. SNB-Präsident Thomas Jordan hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass die geldpolitische Stabilität oberstes Ziel der Notenbankpolitik ist, und nicht das Erzielen von Gewinnen. «Das geldpolitische Mandat der SNB hat immer Vorrang, und es kann auch Zeiten geben, in denen die Erfüllung dieses Mandats bedeutet, Verluste in Kauf zu nehmen», hatte er bereits im April 2021 gewarnt.
Auch andere Grossanleger mit Verlust
Die SNB steht mit dem Anlageverlust zudem nicht alleine da. Der norwegische Staatsfond NBIM mit verwalteten Vermögen von rund 1,15 Billionen Dollar wies für das dritte Quartal einen Verlust von umgerechnet rund 43,5 Milliarden Dollar aus. Das entspricht einem Buchverlust von 4,4 Prozent.
Der Quartalsverlust der SNB von 43,6 Milliarden Franken bei rund 808 Milliarden Franken Devisenanlagen per Ende September würde also grob gerechnet einem Minus von 5,6 Prozent entsprechen.
Zinsmargen belasten Euro-Notenbanken
Auch die Notenbanken des Euroraums bekommen die Effekte der schnell und kräftig steigenden Zinsen zu spüren. Anders als bei der SNB sind hier nicht die Anlagen in Fremdwährungspositionen das Problem. Vor allem die Verzinsung von Einlagen und die Konditionen von langfristigen Kreditgeschäften der Europäischen Zentralbank (EZB) sorgt hier für Belastungen.
In der Eurozone wurden seit 2015 massive Anleihekaufprogramme aufgelegt. Dies erst zur Stützung der Wirtschaft, dann ab dem Jahr 2020 zur Abfederung der Folgen der Corona-Krise. Das Problem ist, dass die Notenbanken nun eine höhere Gebühr auf Bankeinlagen zahlen müssen. Demgegenüber bleiben die Zinserträge auf die gekauften Anleihen gleich oder steigen nur langsam.
Bilanzverluste auch hier wahrscheinlich
Die Währungshüter der Niederlande und Belgiens warnten kürzlich davor, dass im Zuge der Zinswende künftig mit erheblichen Bilanzverlusten zu rechnen sei. Auch die Deutsche Bundesbank wird wohl erneut keinen Gewinn ausschütten. 2019 wurden noch 5,9 Milliarden Euro an den Finanzminister überwiesen. 2020 blieb die Zahlung wegen Corona aus.
Demgegenüber können die Banken noch von den tiefen Zinssätzen der in der Krise gewährten TLTRO-Langfristkrediten (targeted longer-term refinancing operations) profitieren. Sie bekommen bei der Einlage bei den Notenbanken mehr Geld, als sie an Zinsen bezahlen müssen.
Von den geschätzt 4,6 Billionen Euro an Bankeinlagen bei den Eurozonen-Notenbanken sollen rund 2,1 Billionen Euro aus diesen Notkrediten stammen. Den Geldhäusern winken damit rund 35 Milliarden Euro an jährlichen Zinszahlungen. Steigen die Zinsen in Euroland weiter, könnte sich das auf 93 Milliarden Euro erhöhen, wie die Experten der amerikanischen Citigroup schrieben. An ihrer letzten Zinssitzung hat die EZB deshalb beschlossen, auch auf die Kredite des TLTRO-Programms den durchschnittlichen Leitzins zu erheben.