Eine einheitliche Einigung der Schweiz mit der EU für einen freien Marktzugang in Europa rückt in immer weitere Ferne.
Der freie Marktzugang in Europa ist das grosse leidige Thema in der Schweizer Privatbanken-Branche – und auch eine Sorge, wie finews.ch unlängst feststellte. Nun könnte das Thema einen weiteren Kulminationspunkt erreichen.
Der europäische Markt ist für Schweizer Banken von zentraler Bedeutung, insbesondere seit mit diversen Ländern steuerliche Streitigkeiten in den vergangenen Jahren beseitigt worden sind. Ausserdem tragen die hohe Inflation im EU-Raum sowie die geopolitischen Unsicherheiten zusätzlich dazu bei, dass Bürgerinnen und Bürger aus Europa einen Teil ihres Vermögens in die aus ihrer Sicht sichere Schweiz bringen.
Heimatschutz für europäische Banken
Grundsätzlich können Schweizer Banken in Europa nicht proaktiv für diese Gelder werben, sofern sie nicht im entsprechenden Markt eine Niederlassung haben. Für viele Institute, namentlich für Privatbanken als auch für unabhängige Vermögensverwalter, lohnt sich eine Zweitniederlassung in Italien oder Frankreich jedoch rein aus wirtschaftlichen Gründen nicht und entspricht auch kaum dem Geschäftsmodell dieser Häuser.
Die Abwehrhaltung einzelener EU-Länder ist nichts anderes als Heimatschutz für die eigenen Banken.
Sonderzüglein gefahren
Deutschland hingegen fährt bislang ein Sonderzüglein, erlaubt es doch Banken von Drittstaaten – wie die Schweiz – eine sogenannte Freistellung zu erhalten. Voraussetzungen dafür sind, dass sich die Finanzinstitute an bestimmte Regelungen halten und im Heimatland gut überwacht sind. Doch gerade diese spezielle Regelung, die für zahlreiche Schweizer Privatbanken von zentraler Bedeutung ist, ist gefährdet, wie die «Neue Zürcher Zeitung» (Artikel kostenpflichtig) am Montag berichtete.
Der Grund dafür ist, dass die EU ihre Bankenaufsicht weiter harmonisieren möchte. Bisher werden nur die grossen Finanzhäuser Europas einheitlich überwacht, während die kleineren Häuser den nationalen Aufsichten unterstellt sind; das erklärt denn auch die unterschiedliche Praxis etwa in Deutschland und Italien in Bezug auf Banken von Drittstaaten.
Hartes Verdikt
Das EU-Vorhaben zielt nun auf eine Vereinheitlichung ab, die darauf hinausläuft, dass es fortan keine Sonderregelungen einzelner Staaten geben würde. Treiber dieser Entwicklung ist Frankreich, das sich vor allem gegen die Übermacht angelsächsischer Banken stemmt – die Schweiz spielt da nur eine Nebenrolle. Gleichwohl wäre eine solche Harmonisierung für manche Schweizer Privatbank, die sich bislang mit Deutschland erfolgreich arrangiert hatte, ein hartes Verdikt.
Denn nach wie vor ist das Geschäft mit deutschen Kundinnen und Kunden lukrativ und wachstumsstark. Schätzungen des internationalen Beratungsunternehmen Boston Consulting Group (BCG) gehen davon aus, dass die Klientel aus dem EU-Raum und Grossbritannien gut 1'000 Milliarden Franken durch Schweizer Geldhäuser verwalten lassen, was bei den hiesigen Banken 20'000 Mitarbeitende beschäftigt und Steuereinnahmen von rund 1,5 Milliarden Franken generiert, wie die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) unlängst vorgerechnet hat.
Mangelnde politische Bereitschaft
Die Aussicht auf eine exklusive Regelung zwischen der Schweiz und der EU ist ebenfalls unwahrscheinlich, wie aus hiesigen Bankenkreisen zu vernehmen ist. Denn letztlich scheitert ein allfälliges Abkommen nicht an juristischen Hürden, sondern an der politischen Bereitschaft innerhalb der EU. Und diese Bereitschaft ist gelinde gesagt nicht sehr gross. Im Klartext folgerte der Bundesrat unlängst: «Somit sind den Szenarien und Strategien auf Schweizer Seite sehr enge Grenzen gesetzt.»
Bei der geplanten Harmonisierung der Bankenaufsicht in der EU liegt das erwähnte Problem im Artikel 21c. Bislang haben Deutschland, Spanien und Holland Druck auf diesen Punkt gemacht, was wiederum dazu führte, dass Frankreich einwilligte, diesen Artikel vorerst zu streichen. Doch Beobachter sind sich einig, dass die in Paris ansässige Europäische Bankenaufsicht das Traktandum früher oder später wieder aufs Tapet bringen wird – zum Missfallen der Schweizer Banken.