Zentralbanken arbeiten weltweit mit Nachdruck an der Einführung von digitalen Währungen. Für die Finanzbranche bringen solche Alternativen zum herkömmlichen Geld allerdings nicht nur Vorteile mit sich.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat kürzlich die Vernehmlassung zur Einführung eines digitalen Euro eröffnet. Das Thema digitales Zentralbankengeld mag gerade durch die Pandemie aus den Schlagzeilen verdrängt worden sein, wird sich aber in Bälde zurückmelden, zumal die Neuerung eine grundlegende Veränderung im Zahlungsverkehr sowie einen markanten Innovationsschub verspricht.
Schon Mitte 2021 möchte die EZB einen Entscheid darüber treffen, ob sie ein konkretes Projekt starten soll. Für die Präsidentin, Christine Lagarde, ist eines klar: «Unsere Aufgabe ist es, das Vertrauen in unsere Währung zu sichern. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass der Euro für das digitale Zeitalter gerüstet ist. Wir sollten darauf vorbereitet sein, einen digitalen Euro einzuführen, sollte dies erforderlich werden.»
Cybersecurity, Privatsphäre, legale Fragen
Bis ein solcher digitaler Euro marktreif ist, wird es noch eine ganze Weile dauern, darüber herrscht Einigkeit. Denn die Ansprüche an ein solches Projekt sind enorm, wie auch Konstantin Veit, Vorsitzender des europäischen Investment-Ausschusses von Pimco feststellt. «Der digitale Euro ist ein extrem kompliziertes Unterfangen», sagt er im Gespräch mit finews.ch.
Die Bank muss viele komplexe Fragen beantworten, bevor der digitale Euro live gehen kann. Dazu zählen insbesondere die Cybersecurity, die Gewährleistung der Privatsphäre, vertragliche und legale Aspekte sowie Transmissions-Mechanismen.
Profitabilität der Banken steht in Frage
Ganz wichtig aber sind die Auswirkungen auf die Bankenindustrie. «Wenn die Kunden in grossem Stil Einlagen von den Geschäftsbanken abziehen und bei der Zentralbank digitale Euro halten, erhöhen sich eventuell die Finanzierungskosten und die Risikobereitschaft der Banken», so Veit. Dies hat Auswirkungen sowohl auf Geschäftsmodel und Profitabilität.
Die Arbeitsgruppe der EZB, die den Bericht zum digitalen Euro verfasst hat, weiss um diese Problematik. Wenn die Banken nämlich wegen ihrer höheren Refinanzierungskosten die Kreditvergabe einschränken, kann dies auf die Dauer zu einer Schwächung der wirtschaftlichen Aktivitäten führen.
Lange und genau hinschauen
Banken könnten sich auch gezwungen sehen, mehr Risiken zu nehmen, weil das traditionell stabile Zinsgeschäft weiter ins Bröckeln kommt – mit den negativen Folgen, die eine (zu) hohe Risikobereitschaft gerade für die Finanzstabilität haben kann, wie sich während der Finanzkrise zeigte.
Aus diesen Gründen wird die EZB lange und genau hinschauen auf die Ausgestaltung eines digitalen Euros, respektive insbesondere auf die vorgesehene Kundengruppe, den direkten oder indirekten Zugang oder die Menge der frei erhältlichen digitalen Euro, wie sie in ihrem Bericht schreibt.
Unterschiede zur Schweiz und zu China
Im Unterschied zur EZB verfolgt die Schweizerische Nationalbank (SNB) eine Strategie, die einen Teil dieser Problematik entschärfen dürfte, insbesondere den Teil, der die Bankenwelt betrifft. Da das Schweizer Projekt einen Token nur für die Finanzbranche vorsieht, der nicht für die Konsumenten zugänglich wäre, bleibt die zweistufige Versorgung mit Finanzdienstleistungen bestehen. Die SNB behält dabei ihre Rolle in der Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld, während die Banken selber für die Endkunden zuständig bleiben.
Noch weiter als die EZB geht derweil die Chinesische Zentralbank. Deren digitaler Yuan ist explizit auf den Ersatz von Bargeld ausgerichtet. Damit kann die Kontrolle der Geldströme und der Zahlungen der Bürger minutiös ausgebaut werden.
Erhalt der Souveränität
Allen Zentralbanken gemeinsam ist ihr Streben, ihre Autorität auch unter Eindruck der Einführung von privaten Währungen zu erhalten und die Geschicke der Geldpolitik weiterhin zu bestimmen.
«Es ist das erklärte Ziel der EZB, mit dem digitalen Euro die Attraktivität ihrer Währung zu unterstützen und die geldpolitische Souveränität zu garantieren», betont Veit.