Die Corona-Pandemie hat den Vorhaben Schub verliehen, Bargeld durch digitale Währungen zu ersetzen. Ob das bewährte Währungssystem nun revolutioniert und Bargeld abgeschafft wird, darf bezweifelt werden.
Amazon, Apple, Google, Facebook, Microsoft sowie Visa und Mastercard: Techgiganten und Kreditkartenfirmen haben Banken und grosse Industriefirmen in Bezug auf die Marktkapitalisierung abgehängt. Sie sind, abgesehen von der Pharmaindustrie, die grossen Gewinner der Corona-Krise. Ihre Systeme sind in Zeiten einer Pandemie besonders gefragt.
Gerade in Ländern wie der Schweiz, wo der Gebrauch von Bargeld immer noch gang und gäbe ist, hat das digitale Bezahlen markant zugenommen, weil die Läden in Zeiten der Virusbekämpfung jeglichen physischen Kontakt zu vermeiden versuchen.
Andernorts, wie beispielsweise in Schweden, ist das Bargeld schon weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden. Trotz Protesten von Pensionären scheint es da kein Halten mehr zu geben: Nordea, eine der grössten nordischen Banken, wird ab diesem Sommer in ihren schwedischen Filialen jegliche Bargeldabwicklung einstellen und künftig auf die Bankomaten verweisen, wie die Zeitung «Dagens Nyheter» am Mittwoch berichtete.
Praktisch und universell einsetzbar
So bleiben in der Schweiz auch nach den ersten Öffnungsschritten die Bargeldabhebungen markant hinter den Zahlen von vor der Krise zurück, also auch nach der Wiederöffnung von Läden und Restaurants, wie die Raiffeisen anhand von eigenen Daten herausgefunden hat. Die Tendenz zum bargeldlosen Zahlungsverkehr hat in der Coronakrise zweifelsohne zugenommen.
Dass digitale Zahlungsmittel wie Kredit- und Debitkarten, aber auch kontaktloses Zahlen via Smartphone sich Schritt für Schritt durchsetzen würden, war voraussehbar – schliesslich sind sie praktisch und universell einsetzbar. Dies ist aber nicht der wesentliche Punkt aus Sicht der Zentralbanken und der Nationalstaaten.
Schreckgespenst Weltwährung
Richtig unangenehm wird für diese, wenn sich eine gänzlich neue Währung als universelles Zahlungsmittel durchsetzen sollte. Dann, so die Befürchtung, könnten die Währungshüter den Transmissionsriemen für ihre Geldpolitik verlieren. Damit ginge ein zentrales Steuerungselement der staatlichen Hoheit verloren.
Aus diesem Grund reagierten unter anderem die Schweizer Behörden auch so ablehnend auf den Antrag der Libra Association, dem Ableger von Facebook, für eine Bewilligung als Zahlungssystem. Erst als der Verein im April, also mitten in der Coronakrise, bei der Finma ein abgeändertes Projekt einreichte, hat die Behörde das Projekt zur eingehenden Prüfung entgegengenommen. Das neue Projekt sieht nämlich die Einführung von Stable Coins vor, die nur mit einer einzelnen Währung unterlegt werden sollen, und nicht mehr mit mehreren Währungen.
Die unheimliche Macht der chinesischen Techgiganten
In diesem Zusammenhang von grossen Interesse waren Berichte über Pläne der chinesischen Zentralbank, eine eigene Digitalwährung herauszugeben. Das neue Produkt, ein digitaler Yuan, wird versuchsweise in einem begrenzten Gebiet nahe Schanghai zuerst an Geschäftsbanken abgegeben, wie die «NZZ» berichtete. In einem zweiten Schritt können dann auch normale Konsumenten den digitalen Yuan auf ihre Smartphones laden und damit bezahlen.
Damit hofft die Zentralbank vermutlich, den Vormarsch der einheimischen Tech-Giganten Alipay und Tencent unter Kontrolle zu behalten, sowie auch eine eigene Lösung gegen das Libra Projekt zu lancieren.
Schweizer Lösung beschränkt auf Finanzmarkt
Damit gehen die Chinesen aber eindeutig weiter als beispielsweise die Schweizerische Nationalbank (SNB). Ihre Experten arbeiten zwar auch einem Digitalwährungsprojekt, worüber auch finews.ch verschiedentlich berichtete. Aber dieser digitale Franken wird aller Voraussicht nach den Konsumenten nicht zur Verfügung gestellt, sondern ausschliesslich den Finanzmarktteilnehmern vorbehalten sein, wie auch Direktoriumsmitglied Andréa Maechler jüngst bestätigte. Die SNB will unbedingt vermeiden, dass sie mit einem digitalen Franken das «bewährte» duale Bankensystem aufs Spiel setzt und plötzlich selbst in die Rolle einer Geschäftsbank rutscht.
Die Frage lautet natürlich, ob die SNB mit ihrer Haltung durchkommt. Respektive, ob sich eine neue supranationale Lösung für Konsumenten etablieren kann – analog eben zu einem Facebook. Ein System, das beispielsweise die Techgiganten Amazon, Facebook, Google und Apple zusammenschweisst – mit einer alles in den Schatten stellenden Marktmacht.
Lieben die Schweizer ihr Bargeld immer noch?
Ein solches Projekt würde in der Schweiz vieles in Frage stellen. Anfangen im Banking, das seit jeher auch vom starken und stabilen Franken lebt. Im weiteren den währungspolitischen Alleingang, welcher der SNB jüngst aber viel Kopfzerbrechen bereitete (Stichwort: Bilanzausdehnung). Und schliesslich die Schweizer Vorliebe fürs Bargeld.
An diesem leicht anarchistischen Zug der Schweizer hat sich schon manch ein Konflikt entzündet, denn Bargeld kann relativ günstig in grossen Mengen gehortet werden, ohne dass dies jemand zu wissen braucht. Digitale Währungen sind demgegenüber der Traum jedes Steuerkommissärs. Auch Gold kann Cash nicht gleichwertig ersetzen, weil es Bewertungsschwankungen unterliegt, im Handel zu Transaktionsverlusten führt und nicht immer sofort zugänglich ist.
In der Tendenz hat die Entwicklung in Richtung digitaler Bezahlsysteme und globaler Lösungen wohl weiter an Fahrt aufgenommen. Aber die Widerstände bleiben gerade bei den Nationalstaaten und ihren wichtigsten Akteuren, darunter die Zentralbanken, gross – und darin wissen sie viele besorgte Bürger mit vollen Tresoren hinter sich.