Coronakrise: Ein Marshall Plan für die Schweiz?

Noch während die Weltwirtschaft in die Krise gleitet, werden schon Pläne für einen neuen Marshall Plan geschmiedet. Braucht auch die Schweiz einen solchen, um die Wirtschaft anzukurbeln und wer soll das finanzieren?

Die Coronakrise hat vielleicht nicht alles, aber doch sehr vieles verändert. Während Jahren kündigte der Bundesrat mit fast beruhigender Regelmässigkeit Sparpakete an, nur um diese mit überraschend grossen Budgetüberschüssen jeweils vom Parlament beerdigt zu sehen. Daran konnten auch andere Mehrheiten nichts ändern. Und so baute der Bund Jahr für Jahr Schulden ab – im Jahr 2005 erreichten die Bruttoschulden des Bundes einen Höchststand von 130 Milliarden Franken. Letztes Jahr betrug diese Ziffer gerade mal 88,7 Milliarden Franken.

Konfrontiert mit der grössten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten gibt der Bund nun Geld in grossem Stil aus. Für Kurzarbeitsentschädigung und zinslose Darlehen zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen stehen im Moment etwa 60 Milliarden Franken zur Verfügung. Der Bundesrat hat mehr oder weniger versprochen, der Wirtschaft während dem von ihm verfügten Stillstand das Überleben zu sichern.

Gleichwohl wird die Schweiz aller Voraussicht nach in eine mehr oder weniger tiefe Rezession abgleiten – abhängig von der Länge des Lockdowns hierzulande und in den wichtigsten Exportmärkten. Der Nachfrageeinbruch, welcher nach der Wiederaufnahme aller wirtschaftlichen Aktivitäten droht, wird durch das Massnahmenpaket des Bundes nicht abgedeckt.

Darum werden nun erste Vorschläge präsentiert, wie die anstehende Rezession abgefedert werden könnte.

1. Konjunkturpaket Schweiz

solar revolution

Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz verlangt vom Bundesrat die Ausarbeitung eines Investitions- und Konjunkturplans. Dieser soll beispielsweise Infrastrukturprogramme im Rahmen der Klimapolitik beschleunigen, um das Gewerbe und damit die Binnenkonjunktur zu stärken.

Ein solches Massnahmenpaket kostet Milliarden. Nach der Coronakrise wird der Bund sich der Frage stellen müssen, wie er die Milliarden, welche zur Linderung der Krise bereitgestellt wurden, wieder hereinholt respektive zurückbezahlt. Gleichzeitig wird wegen der Wirtschaftskrise das Steuersubstrat von juristischen und natürlichen Personen massiv sinken, wie auch die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer.

Fazit: Klingt gut und würde wohl auch viele handwerkliche Betriebe und Planungsbüros beschäftigen. Wird aber mit den politischen Realitäten zu kämpfen haben.

2. Reduit: Vorsorge für die Krise

corona reduit

(Bild: Shutterstock)

Von aussen betrachtet hat die Krise gezeigt, dass die Schweiz in gewissen Bereichen unzureichend für Notlagen gerüstet ist. Offenbar gibt es bei gewissen Medikamenten und vor allem bei den Schutzausrüstungen Engpässe. Gleichzeitig erlangt die einheimische Nahrungsmittelproduktion einen erhöhten Stellenwert.

Die Globalisierung hat nicht nur die schnellere Verbreitung von Krankheiten zu Folge, sondern auch eine radikale Zuspitzung der Produktionsprozesse: was tiefe Margen erzielt, wird in Regionen mit tiefen Löhnen produziert. Die Folge: Werden die Schlagbäume in einer Krise geschlossen, wird die Beschaffung erschwert.

Die SVP möchte nun den Selbstversorgungsgrad der Schweiz bei landwirtschaftlichen Produkten auf über 60 Prozent steigern und die Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern sicherstellen.

Fazit: Für die heimische Nahrungsmittelherstellung interessant. Selbstversorgung verlangt aber nach massiven Eingriffen in die freie Marktwirtschaft, Änderungen an Handelsabkommen und Wiederaufbau von Produktionskapazitäten. Wer bezahlt dafür?


3. Reichen- und Bankensteuer

paradeplatz

(Bild: Shutterstock)

Wenn kein Geld mehr übrig ist für ein Stimulationspaket, da die kurzfristigen Eingriffe schon Riesensummen verschlungen haben, steigt der Druck auf die Regierungen, mehr Einnahmen zu generieren. In der Schweiz ertönte der Ruf nach neuen Steuern bislang wohl deshalb nicht, weil noch genug Mittel zur Verfügung standen. Dies könnte sich ändern.

Einer der vielen, der sich für die Einführung einer Reichensteuer einsetzt, ist John McDonnell, der ehemalige Schattenfinanzminister von ex-Labour Chef Jeremy Corbyn. Er verlangte nach einer Sondersteuer für die Finanzindustrie, welche von der öffentlichen Hand in der Finanzkrise gerettet wurde. Verbunden mit einer Reichensteuer und einer Steuer für multinationale Firmen.

Fazit: Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Schweiz für ein solches Modell erwärmen könnte. Dass sich aber die Finanzbranche durchaus bewusst sein sollte, dass in der anstehenden Rezession hohe Dividenden und exzessive Boni schlecht erklären lassen, scheint noch nicht richtig angekommen zu sein, wie die Diskussion um die Dividendenzahlungen gezeigt hat.

4. Schweiz-Fonds

SNB 1

Zwei Professoren der ETH Zürich haben schon früh die Einrichtung eines Schweiz-Fonds verlangt, der unter anderem die Finanzierung der mittlerweile durch den Bund beschlossene Massnahmen erlaubt hätte. Sie schlugen unter anderem vor, dass für diesen Fonds Gelder aus der Ausschüttungsreserve der Schweizerischen Nationalbank (SNB) fliessen sollten. Diese Reserve beträgt momentan etwa 84 Milliarden Franken.

Rechte und linke Politiker haben schon früher verlangt, dass die SNB Mittel für die zu erwartende Finanzierungslücke der Altersvorsorge gebraucht werden sollten – und die SNB hat sich immer dagegen gesträubt mit dem Hinweis, dass der Verkauf von ausländischen Wertpapieren und Repatriierung dieser Mittel gegen die Geldpolitik gerichtet wäre.

Fazit: Die SNB wird sich gegen ein solches Ansinnen zur Wehr setzen, unter anderem weil die Bank eine Politisierung der Geldpolitik fürchtet. Mit der Erhöhung der Ausschüttung hat sie gezeigt, dass sie bereit ist, den Kritikern entgegenzukommen, ohne am Prinzip zu rütteln. Ob sie sich weiter durchsetzen kann, wenn es hart auf hart kommt?

5. Privates Infrastrukturprogramm

escher 500

Der Reichtum der Schweiz beruht auf der Ingenieurskunst und Innovationskraft ihrer Bürger. Die Credit Suisse (CS) wurde nicht zuletzt zur geeigneten Finanzierung der Bahninfrastruktur gegründet. Alfred Escher (Bild oben) steht auch darum an ziemlich prominenter Stelle auf dem Podest.

Die Schweiz hat heute ein spannendes Projekt in der Schublade, welches für eine magere Zeit geeignet erscheint: Cargo Sous Terrain (CST). Für den Endausbau werden, Stand heute, 33 Milliarden Franken veranschlagt. Die CS, die Zürcher und die Basellandschaftliche Kantonalbank sind die drei Banken, welche neben vielen anderen Firmen als Hauptaktionäre beteiligt sind.

Fazit: Ein zukunftsgerichtetes Projekt, das privat finanziert würde, einen grossen umweltpolitischen Effekt hätte und viele gut bezahlte Arbeitsplätze in der Schweiz sichern würde. Als Alternative oder als Ergänzung zu einem staatlichen Programm könnte dieses oder ähnliche Projekte durchaus Chancen für eine Realisierung besitzen.