Der Prototyp der digitalen Schweizer Börse SDX war zwar pünktlich fertig. Doch die vollständige Digitalisierung des Handels lässt noch auf sich warten, wie SDX-Präsident Thomas Zeeb im Gespräch mit finews.ch erklärt. Die Gründe.
Ein Markenzeichen der digitalen Schweizer Börse SIX Digital Exchange (SDX) war von Anfang an der ambitionierte Zeitplan. Nur ein Jahr nach der Ankündigung sollten die ersten Angebote stehen. Dieses Ziel hat die SDX, die auf der Blockchain-Technologie aufbaut, erreicht.
Seit einigen Wochen testen die Kunden den ersten Prototypen. Doch künftig werden die Tech-Zauberer unter der Leitung von Thomas Zeeb als SDX-Präsident und seinem Stellvertreter Tomas Kindler als CEO eine gemächlichere Gangart einschlagen müssen.
Nur zwei statt zehn Schritte voraus
Der Grund dafür ist, dass die digitale Börse ihre Kunden abzuhängen droht, wie Zeeb im Gespräch mit finews.ch erklärt. Die Schweizer Banken, denen die SIX gehört, sind weniger beweglich als die SDX, die auf der sprichwörtlichen grünen Wiese gebaut worden ist.
«Sie sagten, dass sie das Ziel und die Vision unterstützen, dass sie mit allem einverstanden sind, was wir tun und das auch gerne weiterhin finanzieren», beschreibt Zeeb die Stimmung an einer SIX-Verwaltungsratssitzung im vergangenen Juli. «Wir müssen einfach sicherstellen, dass wir nicht zehn Schritte voraus sind, sondern vielleicht nur zwei. So können wir die Banken mit auf die Reise nehmen.»
Zehn Jahre noch
Zwei Aspekte hindern die Banken daran, den Kapitalmarkt auf Teufel komm' raus zu digitalisieren: Zum einen ist das die Regulierung, die sich ebenfalls langsamer bewegt als der technologische Fortschritt, und zum anderen die eigene Handels-IT, deren frühzeitiges Abschalten hohe Abschreiber zur Folge hätte.
Bis die damit verbundenen Probleme gelöst sind, werden die digitale Börse, deren Kern Ende 2020 fertiggestellt sein soll, und die bestehenden Systeme parallel nebeneinander laufen. Zeeb rechnet mit einem Zeitrahmen von mindestens zehn Jahren, bis die digitale Börse die herkömmliche vollständig abgelöst hat.
Enthusiasmus kanalisieren
Zwar dauert der Wandel auf der technologischen Seite länger als geplant. Doch haben die Banken immerhin den richtigen Weg eingeschlagen. Teure Abschreiber auf den bestehenden Systemen wären zwar eine Belastung. Aber die Institute haben ein unmittelbares Interesse am Erfolg der SDX, die neue Anlageklassen erschliessen und den Handel effizienter und günstiger machen soll.
Tatsächlich liegt die Herausforderung für die Börsenbetreiberin darin, den Enthusiasmus der Institute für Blockchain-Projekte zu kanalisieren. Anstatt an vielen möglichen Anwendungen gleichzeitig zu arbeiten, gilt es, diejenigen zu identifizieren, die tatsächlich zur Marktreife gebracht werden können.
Weniger agil als ein Fintech
Zeeb wehrt sich gegen den unvorteilhaften Vergleich der Banken mit viel agileren Fintechs-Startups. Unbelastet von IT-Systemen mit Wurzeln in den 1970er-Jahren könnten diese neue Produkte schneller auf den Markt bringen, sagt er im Gespräch.
«Es stimmt, dass die etablierten Banken nicht so agil sind wie Fintechs. Aber wir müssen fair bleiben», so Zeeb. «Die Fintechs haben nicht im Entferntesten dasselbe Verständnis darüber, wie die verschiedenen Teile des Marktes ineinandergreifen.»
Warten auf einheitliche Regeln
Einem nachhaltigen Umbau des Börsenhandels steht auch noch die Regulierung im Weg. Auf diese können die betroffenen Schweizer Unternehmen nur bedingt Einfluss nehmen. Hierzulande sei es nur eine Frage der Zeit, bis die wichtigen Fragen – etwa wie ein Token juristisch zu behandeln ist – definitiv geklärt seien, so Zeeb.
Allerdings kann die Schweiz hier alleine nichts ausrichten. Für einen funktionierenden Markt müssen die wichtigsten Finanzplätze einheitliche Regeln haben.
Vorteil SNB
Sich darauf zu einigen, dürfte nicht einfach werden, weshalb auch alle Schweizer Vorschläge vorerst als Versuchsballons zu werten sind. Immerhin, so Zeebs Vorhersage, könnte sich der Wertpapierhandel in den kommenden zehn bis 15 Jahren radikaler verändern als in den vergangenen 400 Jahren.
Auch deshalb sei die Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) «ein riesiger Vorteil für die gesamte Initiative». In einem neuen Innovationshub in Basel soll die Integration von digitalem Zentralbankengeld in den Handel erforscht werden, wie auch finews.ch berichtete.
Tatsächlich sei die SNB von Anfang an von der Idee hinter SDX begeistert gewesen, sagt Zeeb. Die Zurückhaltung der Zentralbank gegenüber der Öffentlichkeit habe damit zu tun, dass die Definition von «digitalem Geld» nicht klar sei.
Warnsignal Libra
Dass diese Fragen noch längst nicht beantwortet sind, zeigt auch das Beispiel der von Facebook initiierten Krypto-Währung Libra. Trotz der grossen Ankündigung besteht auch nach einem halben Jahr wenig Klarheit darüber, wie diese genau ausgestaltet sein wird.
«Eine Zentralbank oder wir können nicht einfach wie Uber in die Märkte rein fahren, alles durcheinanderbringen und danach aufräumen», fasst Zeeb die vorsichtige Herangehensweise zusammen. «Die Märkte sind reguliert, unsere Rolle darin ist stark reguliert, und wenn wir falsch liegen, sind die Folgen enorm.»