Unter Bundesrat Ignazio Cassis sollen die Banken künftig die Aussenpolitik mitgestalten. Für Jörg Gasser, CEO der Schweizerischen Bankiervereinigung, kommt diese Aufforderung gerade richtig.
Die Finanzbranche kann eine wichtige Rolle in der Ausgestaltung der schweizerischen Aussenpolitik spielen. Zu diesem Fazit kam am (gestrigen) Montag eine Gruppe von Vertretern aus Wirtschaft und Politik, die mit Bundesrat und Aussenminister Ignazio Cassis an einem Info-Lunch in Zürich diskutierten. Diese Feststellung ist insofern brisant, als die Banken in den letzten Jahren vor allem Vergangenheitsprobleme bewältigten, statt sich im Ausland für den Standort Schweiz einzusetzen.
Doch angesichts der Tatsache, dass der hiesige Finanzsektor eine exportorientierte Branche ist, und der Bundesrat gleichzeitig eine Annäherung von Aussen- und Wirtschaftspolitik anstrebt, kommt die Aufforderung nicht ungelegen. Diese Ansicht teilte auch Jörg Gasser, CEO der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg). Er betonte, dass diesmal die Banken nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung seien.
Restlos ausgebucht
Veranstaltet wurde der Info-Lunch von der SBVg sowie vom Zürcher Bankenverband (ZBV). Ziel des Anlasses war, wenige Wochen vor den nächsten Nationalrats- und Ständeratswahlen die Bankmitarbeitenden für die (neue) Bedeutung der Finanzbranche in der Schweizer Politik zu sensibilisieren – was offenbar auch gelang. Mit 250 Teilnehmenden war die Veranstaltung restlos ausgebucht.
Ausgangspunkt der Diskussion war die «Vision für die Schweizer Aussenpolitik 2028», auch kurz AVIS28 genannt. Dabei handelt es sich um ein Strategiepapier, dass das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und unter der Ägide von Bundesrat Cassis im vergangenen Juli veröffentlicht hat. Es ist das erste Mal, dass eine Bundesbehörde eine solche Vision publizierte und sie dabei auch der Öffentlichkeit zugänglich machte.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit
In der Vergangenheit fand die schweizerische Aussenpolitik zumeist unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und war somit etwas Isoliertes, das gar keinen Diskurs zuliess, wie am Montag auch FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann feststellte. Doch angesichts der fortschreitenden Globalisierung und dem Umstand, dass sich ein Teil der Bürgerinnen und Bürger heute übergangen fühlten, sei es umso wichtiger, diese Themen breit zu diskutieren. «Es geht darum zu wissen, wohin die Reise geht», sagte Bundesrat Cassis.
Die «Vision» sei für das EDA eine Inspirationsquelle zur Weiterentwicklung der Aussenpolitik, erklärte der Magistrat aus Bern weiter, und zwar im Sinne von Bismarcks Bonmot, ‹Politik ist die Kunst des Machbaren›. «Aussenpolitik muss heutzutage auch innenpolitisch getragen werden», fuhr Cassis fort, «was soll ich im Ausland, wenn man in der Schweiz nicht versteht, was ich im Ausland tue». Heute sei die Schweiz mit globalen Problemen konfrontiert, bei denen die Wirtschaft eine wichtige Rolle spiele. Insofern sei Aussenpolitik heute auch eine «Wirtschafts-Entwicklungspolitik».
Korruption bekämpfen
Bezogen auf die Finanzbranche erklärte Gasser, dass die Schweizer Banken dazu beitragen könnten, beispielsweise das Thema Sustainable Finance, also nachhaltige Geldanlagen, international zu propagieren – gerade weil unser Land auf diesem Gebiet bereits über ein riesiges Knowhow verfüge.
Einig waren sich die Podiumsteilnehmenden generell, dass die Wirtschaft und damit auch die Banken zur Entwicklungs-Zusammenarbeit im Ausland beitragen könnten – mit mehr Governance, Ausbildung und dem Einbezug der Zivilgesellschaft. Dem pflichtete FDP-Nationalrätin Doris Fiala bei, die aus eigener Erfahrung betonte, wie wichtig beispielsweise in Afrika Governance-Themen seien und ausländische Unternehmen darauf drängen könnten, dass gewisse Standards zur Anwendung kämen, um die hohe Korruption zu bekämpfen.
Latentes Misstrauen
Gasser brach mit Blick auf seine Branche auch eine Lanze für Leitlinien, die international akzeptiert seien, anstatt weitere Gesetze und Gebote einzuführen. «Guidelines führen schneller zum Ziel als der Rechtsweg», unterstrich der CEO der SBVg und betonte weiter: «Die Finanzbranche ist eine Exportindustrie.» Umso wichtiger sei es daher, dass die Banken ihren Beitrag zur schweizerischen Aussenpolitik leisteten, zumal der Marktzugang für viele Institute nach wie vor absolut zentral sei.
Es wird sich bald zeigen, wie viele Vertreterinnen und Vertreter aus Banken und Versicherungen nach den Wahlen vom 20. Oktober den Weg nach Bern antreten. Einige Aufklärungsarbeit ist indessen noch nötig, denn nach wie vor ist «Wirtschaft» ein Reizwort, herrsche doch in weiten Kreisen der Bevölkerung ein latentes Misstrauen, räumten die Podiums-Teilnehmenden ein.
Angesichts der jüngsten Querelen im Top-Management der Credit Suisse kommt diese Wahrnehmung nicht ganz überraschend.