Der «perfekte Sturm» der geopolitischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hat viele Banken auf dem falschen Fuss erwischt. Doch wie geht es nun weiter mit den Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit? Diesen Fragen ging der «Branchentalk Banken» am Dienstagabend in Bern nach.
Von Daniel Eichenberger, schweizeraktien.net
«Die Zukunft ist eher hell als dunkel.» Mit diesen Worten leitete Jörg Gasser, CEO der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg), den 9. Branchentalk Banken in sein Keynote-Referat am Dienstag inBern ein. An dem von der Webseite «schweizeraktien.net» organisierten Anlass war finews.ch Medienpartner. Was aber begründet diese helle Zukunft?
Während seines Referats präsentierte Gasser fünf Thesen, weshalb der Schweizer Bankenplatz trotz zahlreicher vergangener und existierender Herausforderungen weiter attraktiv bleibt. War in den vergangenen Jahren wiederholt vor der Verdrängung der traditionellen Bankinstitute durch Fintechs gewarnt worden, so ist diese Kannibalisierung bisher ausgeblieben.
Einige Impressionen zum Bankentalk Banken 2022
Vielmehr sind laut Gasser die Fintechs auf die Ökosysteme der Banken angewiesen, um eine breite Kundenbasis zu erreichen. Den Banken biete dies die Chance, das eigene Ökosystem mit digitalen Angeboten und neuen Technologien diversifizierter auszugestalten.
Politische Vorgaben setzen Banken unter Druck
Weiter erhöhe das Aufkommen der Fintechs die Wettbewerbsintensität, welche eine zentrale Voraussetzung für die weitere Entwicklung des Schweizer Finanzplatzes ist. Solange die neuen Marktteilnehmer für die selben Geschäftsaktivitäten auch die gleichen Regeln einhalten müssen, könnten die bestehenden Schweizer Finanzinstitute davon profitieren.
In Gassers zweiter These ging es um die Nachhaltigkeit als Verpflichtung, die jedoch auch eine Wachstumschance darstelle. Unternehmen würden durch politische Vorgaben oder Druck seitens der Kunden zu vermehrten Bemühungen im Bereich der Nachhaltigkeit gezwungen.
Nachhaltigkeitsbewegung soll nicht von Banken angetrieben werden
Bei dieser Bewegung biete sich den Regionalbanken die Chance, ihre Kunden durch kompetente Beratung zu unterstützen. Aufgabe der Banken sei dabei rein die Beratung und Unterstützung, die Kunden sollen nicht Richtung Nachhaltigkeit gezwungen werden.
Eine Ansicht, die auch im Roundtable-Gespräch im Anschluss ans Keynote-Referat unter der Moderation von Claude Baumann, Gründer von finews.ch, bekräftigt wurde. Weitermachen wie bisher sei zwar keine Option, die Nachhaltigkeitsentwicklung müsse jedoch nicht von den Banken getrieben werden, erklärte Karin Zahnd Cadoux, Verwaltungsratspräsidentin der Bank WIR.
Auch andere Präferenzen berücksichtigen
Deshalb gebe es auch bei der Kreditvergabe keine Preisvorteile für nachhaltige Projekte respektive Unternehmen. In die gleiche Richtung argumentierte Markus Schwab, CEO der 3-in-1 Finanz-App Yuh, die das Zahlen, Sparen und Investieren in einer einzigen App zusammenführt.
Seiner Ansicht nach sollen Kundinnen und Kunden ihre Finanzen so anlegen können, wie sie wollten. Bei manchen sei dies nach Nachhaltigkeitskriterien, allerdings gelte es auch die anderen Präferenzen zu berücksichtigen. Anstelle von disruptivem Eingreifen wird auf schrittweise Förderung der Nachhaltigkeit durch qualitativ gute Beratung gesetzt.
Bankenlizenz ist ein Qualitätslabel
Qualität stand auch im Zentrum der dritten These von Jörg Gasser. Die Bankenlizenz bleibe ein wichtiges Gütesiegel. Zwar gehe sie einher mit starker Regulierung, diese sei jedoch auch ein Qualitätslabel. Die Regulatorien seien nicht bloss ein Hindernis, sondern stellten auch ein Asset dar und würden von Kunden geschätzt und erwartet werden. Schliesslich wollen die Kunden in Finanzfragen grösstmögliches Vertrauen und Sicherheit.
Darum werden digitale Lösungen – und somit zur vierten These – die persönliche Beratung nicht ersetzen können. Zwar müssten sich Banken auf digitale Angebote einlassen, die persönliche Beratung werde jedoch parallel dazu bestehen bleiben. So seien die digitalen Lösungen geeignet für einfache Problemstellungen, je komplexer jedoch das Anliegen der Kunden, desto höher sei auch deren Verlangen respektive Bedarf nach persönlicher Beratung.
Junge Generation mit anderen Erwartungen?
In diesem Punkt schieden sich in der Diskussionsrunde die Geister: Gemäss Schwab hätten die neu nachkommenden Generationen andere Erwartungen an ihre Bank. Transparenz insbesondere beim Pricing werde grossgeschrieben, ebenso müsse jegliche Information jederzeit abrufbar sein. Langes Stöbern in Broschüren zur Antwortfindung sei nicht mehr aktuell. Zu guter Letzt wolle die Community, wie Yuh ihre Kunden bezeichnet, bei ihrer Bank mitreden und mitentwickeln können.
Dies möge auf junge Privatpersonen zwar zutreffen, insbesondere die Bedürfnisse von Firmenkunden liessen sich aber nicht so einfach digitalisieren, hielt Karin Zahnd Cadoux dagegen. Fintechs würden nicht alle Bedürfnisse abdecken können. Der Trend dürfte in die Richtung gehen, dass sich Kunden einzelne Produkte von verschiedenen Anbietern – ob digital oder traditionell – zusammenstellen werden.
Veränderte Rahmenbedingungen
Banken haben die Möglichkeit, dem neuen Wettbewerb erfolgreich zu begegnen, solange sie agil bleiben würden und auf permanente Weiterbildung der Mitarbeitenden setzten, sagte Gasser. Dies besagt seine fünfte und letzte These: Die Rahmenbedingungen hätten sich geändert, darauf müssten die Finanzinstitute reagieren können. Mit dem hohen Bildungsstandard habe der Schweizer Finanzplatz im internationalen Vergleich hier jedoch einen Vorteil.
Auch wenn Agilität der Banken gefordert werde, dürften «Revolutionäre» bei der Entwicklung der Regionalbanken-Branche nicht auf ihre Kosten kommen. Digitalisierung und Nachhaltigkeit seien zwar die beiden bestimmenden, langfristigen Trends, vorpreschen würden die Finanzinstitute in diesen Bereichen aber nicht.
Schlüssel zum Erfolg
Anstelle von Disruption stehe eine schrittweise Evolution im Vordergrund, waren sich die Diskussionsteilnehmer einig. Ein diversifiziertes Ökosystem werde der Schlüssel zum Erfolg sein, um die verschiedenen Bedürfnisse der Kunden abdecken zu können. Kurzfristig würden Digitalisierung und Nachhaltigkeit in Anbetracht von Inflation und Anhebung des Zinsniveaus aber in den Hintergrund treten.