Im ersten Halbjahr 2017 haben sich die asiatischen Börsen überdurchschnittlich gut entwickelt. Bloss hätten viele Schweizer Anleger dies kaum bemerkt, stellt Shasha Li Mafli im Gespräch mit finews.ch fest.
Noch immer würden bei vielen Anlegern die Erinnerungen an die Kurseinbrüche im chinesischen Aktienmarkt vom Spätsommer 2015 sowie von Anfang 2016 dominieren, sagt Shasha Li gegenüber finews.ch. Dabei präsentiere sich die aktuelle Situation in Asien ganz anders, sagt die Fondsmanagerin beim Schweizer Vermögensverwalter Bellecapital Partners. Der Aufschwung in mehreren Märkten werde von einheimischen Anlegern getragen und weniger als früher von amerikanischen und europäischen Investoren.
Tatsächlich engagieren sich derzeit vor allem chinesische Firmen, allen voran Alibaba, in den aufstrebenden Volkswirtschaften Asiens. Li betont aber auch, dass asiatische Märkte für Schweizer Investoren nach wie vor sehr erklärungsbedürftig seien. So überwiege die Perzeption, dass die Aktie von Alibaba wesentlich riskanter sei als etwa «eine Nestlé». Da brauche es noch einiges an Informationsarbeit, sagt Li.
Ein Markt mit 95 Millionen Menschen
Das langfristig grösste Potenzial ortet die sie in Vietnam. Nach einer schwierigen Zeit vor rund zehn Jahren, die von geld- und wirtschaftspolitischen Fehlern geprägt war und zeitweilig zu einer horrenden Teuerung von mehr als 20 Prozent führte, hat unter einer neuen Regierung seit 2013 eine Normalisierung eingesetzt.
Li, die selber Chinesin ist, vergleicht das heutige Vietnam, wo mittlerweile 95 Millionen Menschen wohnen, mit ihrer Heimat vor zwanzig Jahren, als aufgrund von wirtschaftspolitischen Massnahmen eine strukturelle Hausse einsetzte.
Vietnam investiert
Die Behörden Vietnams würden heute einen besonnenen Kurs fahren und die Preisentwicklung verlaufe im Gegensatz zu früher mit moderaten Schwankungen. Gleichzeitig investiere die Regierung substanziell in die Erneuerung der Infrastruktur, darunter in Flughäfen, U-Bahnnetze und Autobahnen.
«Unter diesen Voraussetzungen bieten sich attraktive Anlagemöglichkeiten», sagt Li, die den aktiv-verwalteten Aktienfonds Galileo Asia Fund, den Fund-of-Funds Galileo Pacific Fund sowie das aktive Zertifikat auf Vietnamaktien (verlinkt) verantwortet. Die vielversprechenden Perspektiven haben auch den US-Finanzdienstleister MSCI veranlasst, die Gewichtung vietnamesischer Unternehmen im «Frontier Markets Index» um über 50 Prozent von 8 Prozent auf 12,6 Prozent zu erhöhen.
Urbanisierung als Megatrend
Ein Megatrend, der in den nächsten Jahren die Entwicklung in Vietnam markant beeinflussen wird, ist die Urbanisierung. Ähnlich wie in China zieht es immer mehr Menschen in die grossen Städte des Landes – nach Ho-Chi-Minh-City und in die Kapitale Hanoi, wo die Bevölkerung jedes Jahr um rund 4 Prozent wächst.
Allein in Ho-Chi-Minh-Stadt führt dies zu einer jährlichen Zuwanderung von einer halben Millionen Menschen, die am steigenden Wohlstand teilhaben will, was wiederum den Inlandkonsum beflügelt und einzelne Branchen, wie den Detailhandel, Pharma, Immobilien und Wohneigentum ganz generell, positiv beeinflusst. Davon können auch Anleger profitieren.
Hinzu gesellen sich kontinuierliche ausländische Direktinvestitionen, vorwiegend aus dem asiatischen Raum, dabei vor allem aus Südkorea; Firmen wie Samsung und LG verlegen neben der Produktion nun auch zunehmend Forschungs- und Entwicklungsabteilungen nach Vietnam.
Rückzug der USA ohne grosse Wirkung
Ein gutes Dutzend bilaterale und multilaterale Freihandelsabkommen, die die Regierung in den vergangenen zehn Jahren ausgehandelt hat, kurbelt die Ausfuhren zusätzlich an. Dazu gehört auch ein 2015 mit der EU vereinbartes Freihandelsabkommen, das 2018 in Kraft tritt.
Diese Faktoren verhelfen Vietnam zu mehr Stabilität. Entsprechend dürfte sich auch der Rückzug der USA aus der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) kaum auf die Entwicklung der vietnamesischen Wirtschaft auswirken. Allein im zweiten Quartal 2017 hat der vietnamesische Aktienmarkt weiter an Gewicht gewonnen. Der Vietnam All Share Index rentierte in diesem Zeitraum fast 12 Prozent.
Li stellt schliesslich fest, dass in der hiesigen Finanzbranche viele institutionelle Anleger wieder vermehrt mit Schweizer Fondsanbieter zusammenarbeiten wollten. Denn die Vorteile seien offenkundig: kurze Entscheidungswege, mehr Flexibilität, hochstehender Service sowie die gemeinsame Sprache. Gleichzeitig seien hier aber auch genügend asiatische Fachleute tätig, um auf die erforderliche Kompetenz zugreifen zu können.
Shasha Li Mafli ist in China aufgewachsen. Sie begann ihre Karriere in der Schweizer Finanzbranche 2004 als Analystin und Portfolio Managerin beim damaligen Zuger Hedge Fonds Abrir Capital Advisors. Dabei war sie erst im Research von Asiatischen Unternehmen, insbesondere von Chinesischen IPOs, tätig, bevor sie als Portfolio Managerin die Bereiche Grosschina und Südostasien des Long/Short-Aktienfonds von Abrir verantwortete.
Sie hat einen Master in Betriebswirtschaft von der Universität Genf. Später arbeitete sie bei GL Funds, einem auf Asien und alternative Anlagen spezialisierten Unternehmen, das 2016 vom Vermögensverwalter Bellecapital übernommen wurde und seither als Bellecapital Partners firmiert. Dort ist Li für das Portfolio-Management und das Research der beiden Asienfonds sowie des Vietnamzertifikats verantwortlich.