Als Schüler kaufte Benedikt Eichenberger seine ersten Aktien. Später hat er es sich zur Aufgabe gemacht, an den Börsen kleine und diskrete Champions zu identifizieren. Mit seinem Anlage-Modell, das auf aktiver Titelselektion und Risikomanagement in Verbindung mit KI beruht, gelingt ihm dies erstaunlich gut. Beim Treffen mit finews.ch erklärt er, warum kleine und mittlere Unternehmen derzeit viel Potential haben.

Beim Betreten der grosszügigen Büros auf drei Etagen, direkt am Bellevue gelegen, merkt man, dass sich hier ein ernstzunehmender Teilnehmer in der Szene der unabhängigen Vermögensverwalter formiert hat.

Gut fünfzig Mitarbeiter, rund 5 Milliarden Franken an Assets under Management in den Bereichen Wealth- und Asset-Management: Das sind heute die wesentlichen Leistungskennzahlen des erst 2009 gegründeten Finanzdienstleisters Bellecapital.

Treffen am Bellevue

Beteiligt an diesem unternehmerischen Erfolg ist auch Benedikt Eichenberger, der seit 2018 als Fund Manager für Bellecapital arbeitet. Sein Spezialgebiet sind europäische und Schweizer «Small and Mid Cap Equities», also Aktien von kleinen und mittleren kotierten Unternehmen.

Im Kontext seiner vorherigen Anstellungen bei Société Générale, Zuger Kantonalbank und bei Vontobel hatte er die Grundzüge seines speziellen Investment-Modells entwickelt und in die Tat umgesetzt.

Wieder Appetit auf «Small and Mid Caps»

Gutgelaunt setzt sich der sympathische Aktien-Fachmann in einem der Meeting Rooms mit wunderbarem Blick über Bellevue und See. Nach einer gewissen Durststrecke wächst der Appetit der Investoren nach «Small and Mid Caps» wieder. «In den vergangenen Monaten hatten wir erstmals seit längerem wieder nennenswerte Zuflüsse», sagt Eichenberger.

In den letzten Jahren seien die Investoren grösstenteils «auf ihren Händen gesessen», erschreckt durch die multiplizierten Krisen von Pandemie, postpandemischer Inflation und Ukraine-Krieg. «Jetzt sind wir sogar wieder mit grossen Institutionellen aus den USA und aus Asien im Gespräch.»

Bewertungsniveau wie 2009

Erst wenn diese sich bewegen, dürfte es wieder richtig aufwärts gehen mit den Aktien, die in Eichenbergers Fokus liegen: kleine und mittlere Unternehmen aus der Schweiz und aus Europa. Er betont, dass diese Anlageklasse von den Bewertungen her auf dem Niveau von 2009 liege, also nach der Finanzkrise. «Viele Firmen haben trotz der Krisen operativ sehr gut gearbeitet. Wenn sich die Firmen gut auf die neuen geopolitischen Realitäten einstellen, ist das Aufwärtspotenzial beträchtlich.»

Aber hat Europa nicht allgemein ein Imageproblem, gilt in der übrigen Welt als alt und unsexy? «Ja, und aus makroökonomischer Perspektive auch nicht ganz zu Unrecht», antwortet der Aktien-Fachmann, «wenn man die Wirtschaft als Ganzes anschaut.» Dennoch gehörten die Aktienmärkte der Schweiz, zusammen mit Dänemarks und Schweden, im langfristigen Vergleich zu den weltbesten.

Spezialität: Nischen-Marktführer

«Wir investieren nur in Unternehmen, die konstant stabile Ergebnisse liefern und deren Geschäftsmodell skalierbar ist», erklärt Eichenberger. «Ein wichtiger Grund ist, dass wir in der Schweiz eine hohe Dichte von Firmen haben, die in irgendeiner Nische weltmarktführend sind.» Solche seien dann «auch weniger abhängig von Europa insgesamt, da der Hauptteil der Umsätze aus Asien und Amerika komme», hält der Analyst fest.

Die möglichst frühzeitige Identifizierung von solchen Nischen-Marktführern ist eine Spezialität von Benedikt Eichenberger. «Es ist erstaunlich, wie viele Unternehmen aus unserem kleinen Land es geschafft haben, sich in irgendeiner Nische erfolgreich festzusetzen.»

Lebenszyklus beachten

Als Beispiel erwähnt er die seit knapp zehn Jahren börsenkotierte VAT Group. Im Halbleiterbereich sei das Unternehmen aus dem Rheintal der weltweit wichtigste Lieferant von Vakuumventilen. «Ein perfektes Vakuum ist ja die Bedingung für die Herstellung von Halbleitern und Chips.» Mit rund 70 Prozent Marktanteil sei VAT «für viele Hersteller unverzichtbar» und verfüge über entsprechende Preismacht.

Eichenberger vergleicht Firmen mit Lebewesen: Auch sie haben einen Lebenszyklus, und die Ambition als Investor müsse es sein, während der Wachstumsphase einzusteigen. Bei der VAT Group sei ihm dies gelungen. Er sei schon wenige Wochen nach dem Börsengang (IPO) eingestiegen.

Die Kleinen nicht vergessen

Ein wesentlicher Bestandteil seiner Investment-Strategie sei es, mit seinen Analystenkollegen bei Bellecapital auch jene Firmen abzudecken, die unter dem Radar der Banken durchrutschten, weil sie zu klein seien. «Also Firmen mit einer Kapitalisierung unter 2 Milliarden Franken.»

Seit zwei Jahren verstärkt der ebenfalls von Vontobel kommende Kevin Schatt Eichenbergers Team. Er gewann im vergangenen Jahr unter Anwendung der Investment-Strategie das Börsenspiel der «Finanz und Wirtschaft».

Aktive Selektion mit Mensch und Maschine

Die aktive Aktienselektion bewerkstelligt Eichenberger aus einer Kombination von Mensch und Maschine. Ein selbstentwickeltes, AI-basiertes Modell, das sich aus der finanziellen Berichterstattung der Firmen speist und die relevanten Informationen aus der News-Flut herausfiltert. «AI verwenden wir schon seit mehr als 10 Jahren, um die Berichterstattung der Unternehmen zu bewältigen und systematisch einzuordnen.»

Dennoch sei der Mensch weiterhin unverzichtbar. Die Analysten seien in stetem Kontakt mit den Firmen und bewerten diese nach sieben Soft-Kriterien wie Produkt, Eigentümerstruktur, Firmenkultur, Qualität des Managements oder Wettbewerbsumfeld. «Mensch und Maschine ergänzen sich also ideal.»

Andere Allokation als grosse Indizes

Diese Analyse bewirke, so Eichenberger, dass seine Allokation im Moment «Small and Mid Caps» bevorzuge. Die daraus resultierenden Portfolios unterscheiden sich fundamental von den allgemein bekannten Indizes wie SMI und SPI.

«Im SMI haben Nestlé, Roche und Novartis zusammen ein Gewicht von fast 50 Prozent.» Demgegenüber sei in seiner Strategie von diesen Big 3 nur Novartis vertreten. Da aufgrund des Risikomanagements jede der gut 30 Portfolio-Firmen ein ähnliches Gewicht habe, falle auch Novartis mit nur rund 3 Prozent des Totals ins Gewicht.

Erste Aktie war Swissair

Neben der aktiven Selektion ist das systematische Risikomanagement das zweite Differenzierungsmerkmal der Strategie. Eichenberger erinnert sich, dass die erste Aktie, die er noch als Gymnasiast erwarb, eine Swissair-Aktie war. «Mein Vater sagte, das sei eine fliegende Bank, da könne man nichts falsch machen.»

«Dies hat sich als katastrophales Investment erwiesen.» Rückblickend sei er froh, diese Erfahrung sehr jung gemacht zu haben. «Es ging noch um einen vergleichsweise niedrigen Betrag, insofern war er als Lehrgeld gut investiert. Ich habe mir geschworen, nie wieder einen solchen Fehler zu begehen»

Killer-Kriterien

Heute ist Eichenbergers Risikomanagement ein zentrales Element der Strategie und besteht aus harten Killer-Kriterien, die sofort zur Auflösung einer Position führen: Insbesondere, wenn der Erwartungswert einer Aktie von positiv auf negativ wechsle. Es gibt aber auch weichere Kriterien. Wenn beispielsweise der CEO Aktien der eigenen Firma verkaufe, sei das «in der Regel ein Alarmsignal», könne aber im Einzelfall auch begründet sein. «Dann schauen wir genauer hin, suchen das Gespräch.»

Zurzeit, sagt Benedikt Eichenberger, verwaltet er mit seiner Schweizer Aktienstrategie bei Bellecapital gut 300 Millionen Franken. «Ungefähr ab 1 Milliarde würde es von der Liquidität der entsprechenden Titel problematisch.»

«Performance übertroffen»

Europäische «Small and Mid Caps» verwaltet Bellecapital als Strategie für qualifizierte Investoren über den sogenannten «Eiger Fund», der sich neben Schweizer Titeln besonders auch auf skandinavische fokussiert

Wie bewährt sich die Strategie in der Anlagepraxis? Gemäss Eichenberger hat «die Kombination aus aktiver Selektion und striktem Risikomanagement die Performance relevanter Indizes konstant übertroffen». Bellecapital erfreue sich einer stabilen und wachsenden Kundenbasis sowie einer hohen Nachfrage.