Die Schweizer Rüstungsindustrie beklagt sich darüber, dass sie kaum mehr Geschäfte mit Schweizer Banken abschliessen kann. Die Kontroverse wirft ein Schlaglicht auf eine grosse Baustelle der Sustainable-Finance-Bewegung, auf das Kommunikationsgebaren von Swissmem und auf einen gewissen Klärungsbedarf bei der Bankiervereinigung.

Gemäss einem Bericht in der jüngsten «SonntagsZeitung» beklagt sich die Rüstungsindustrie darüber, dass es für sie immer schwieriger werde, mit Schweizer Banken Geschäfte abzuschliessen. Als Beispiel wird der Fall einer Vereinigung von im Verteidigungs- und Sicherheitssektor tätigen Tessiner Unternehmen angeführt, die Mühe hatte, überhaupt ein Bankkonto eröffnen zu können.

Die Rüstungsbranche sei zunehmend mit Hindernissen konfrontiert, weil die Banken Auflagen im Bereich Nachhaltigkeit machten und dabei Kriterien wie Menschenrechte und Ökologie stark gewichteten. Als Folge davon würden Kredite verweigert, und auch die Abwicklung von einzelnen Transaktionen über Schweizer Banken sei selbst für grosse Konzerne kaum mehr möglich – weshalb man auf ausländische Banken ausweiche. Selbst die bundeseigene Ruag bestätigte die Problematik.

«Skandalöse Schikanierung»

«Schweizer Rüstungsunternehmen leisten einen unverzichtbaren Beitrag zu unserer Sicherheit. Dass sie keine Kredite erhalten und schikaniert werden, ist skandalös», lässt sich Stefan Brupacher, Direktor von Swissmem, des Verbands der Tech-Industrie (das Kürzel Mem bezieht sich auf die früher übliche Bezeichnung als Verband der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie), im Bericht zitieren.

Immerhin räumt die «SonntagsZeitung» auch der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) Raum für eine Stellungnahme ein. Die SBVg weist darin auf die Verantwortung der Banken hin, nicht nur ökonomische, sondern auch ethische und nachhaltige Aspekte in ihrer Geschäftstätigkeit zu berücksichtigen. «Insbesondere bei nachhaltigen Vorgaben setzen sich Banken dem Vorwurf des Greenwashings aus, wenn diese nicht eingehalten werden.» 

Eine aufschlussreiche und bemerkenswerte Kontroverse

Die Kontroverse zeigt dreierlei auf.

Erstens bestand jahrzehntelang international der Konsens, dass Rüstungskonzerne per se nicht nachhaltig sein können. Entsprechend haben Aktien solcher Unternehmen in Portfolios, die im Einklang mit Sustainable Finance stehen, nichts zu suchen, und entsprechend halten sich Banken, welche die ESG-Kriterien einhalten wollen (und das sind heute hierzulande fast alle), auch bei der Kreditvergabe und sonstigen Geschäftsbeziehungen mit dieser «Paria»-Branche zurück. Der Ukrainekrieg hat allerdings diese bequeme und auch etwas selbstgefällige Gewissheit erschüttert, ohne dass sich indes schon ein neuer tragfähiger Konsens herausgebildet hätte.

Swissmem schwingt erneut den rhetorischen Zweihänder

Zweitens bestätigt die Kontroverse die Erfahrung, dass Swissmem ein Verband ist, der immer wieder mal gerne mit dem Gegensatz von Werkplatz und Finanzplatz zündelt. Der Verband geriert sich dabei als Fürsprecher des (in der Öffentlichkeit gut beleumdeten) Werkplatzes, der vor den kurzfristigen pekuniären Interessen des (immer wieder mit Imageproblemen kämpfenden) Finanzplatzes geschützt werden müsse, und greift oft zum rhetorischen Zweihänder.

Ein aktuelles Beispiel ist die harsche Kritik («Machtmissbrauch»), die Swissmem-Präsident Martin Hirzel vor zwei Wochen in einer anderen am Sonntag erscheinenden Zeitung an der Kreditvergabepolitik der Grossbank UBS übte – gut möglich, dass Brupacher nach dieser Exklusivstory nun zum Ausgleich die Konkurrenz bediente.

Kann nicht auch der Finanzplatz zur Verteidigungsfähigkeit beitragen?

Drittens klingt die Stellungnahme der SBVg ziemlich weichgespült. Sie steht auch in einem starken Kontrast zur resoluten Rede, die Marcel Rohner, der Präsident der SBVg, vor kurzem am Bankiertag vor seinen versammelten Mitgliedern in Genf gehalten hatte, und die über grosse Teile den geopolitischen Entwicklungen gewidmet war. «Mit Ausbruch des Ukraine-Krieges mussten wir in unerwarteter und entlarvender Weise erkennen, was wir politisch schon lange ausdrücklich in die Wege geleitet haben: Wir sind nicht mehr verteidigungsfähig», konstatierte er darin etwa mit Blick auf die Heimat.

Und Rohner, dessen Rede stellenweise mehr an den Rütli-Rapport als an das Standardrepertoire eines Finanzplatzrepräsentanten gemahnte, plädierte eindringlich für eine starke und glaubwürdige Armee. «Wir können unsere Verteidigungs- und Militärpolitik nicht auf der Annahme aufbauen, dass uns unsere direkten Nachbarn kaum angreifen werden. Wenn es von aussen zu einem Angriff auf europäisches Territorium und insbesondere auf einen unserer Nachbarn kommt, werden wir in vielfältiger und nicht vorhersehbarer Weise in diesen Konflikt miteinbezogen sein. Wir werden im Minimum unser Land und seinen Luftraum zuverlässig schützen können müssen.»

Auch wenn die SBVg die grundsätzliche Problematik der ESG-konformen Behandlung der Rüstungsindustrie nicht allein lösen kann, sollte sie sich vielleicht doch gelegentlich mit ihren Mitgliedern darüber austauschen, wie die Schweizer Bankbranche zur Erreichung des von Rohner gesteckten Ziels beitragen könnte.