Schweizer und Liechtensteiner Banken expandieren in Deutschland nach Kräften und buhlen dort um reiche Privatkunden. Das muss erstaunen. Denn eine erste Welle vor rund 20 Jahren kam in vielen Fällen nicht auf einen grünen Zweig. finews.ch hat recherchiert, was diesmal anders ist.
Die Meldungen treffen inzwischen fast täglich ein, werden aber hierzulande kaum wahrgenommen: Schweizer und liechtensteinische Banken forcieren ihr Geschäft mit wohlhabenden deutschen Privatkunden. Sie liefern sich dazu eine regelrechte Personal-Offensive im nördlichen Nachbarland.
Zuletzt aufgefallen ist die Zürcher Kantonalbank (ZKB) mit der Rekrutierung von zwei ehemaligem Superreichen-Bankern der Credit Suisse (CS). Die grösste Schweizer Staatsbank will die beiden Ex-Grossbanker im grenzüberschreitenden Geschäft mit Deutschland einsetzen.
ZKB: Ausbau des Brückenkopfs
Erst Anfang 2023 hatte die ZKB die so genannte erleichterte Freistellung und damit einen einfacheren Zugang zum deutschen Markt erhalten; jetzt baut sie den Brückenkopf nach Kräften aus.
Im Deutschland aufgerüstet hat auch das Schwesterinstitut, die St. Galler Kantonalbank (SGKB), das dort eben erst einen neuen Bereich für «Schlüsselkunden» lanciert hat; die St. Galler betreiben bereits seit 2009 eine Tochterbank im nördlichen Nachbarland. Diese beschäftigt an den Standorten München und Frankfurt mittlerweile rund 70 Mitarbeitende. Sie ist weiterhin auf der Suche nach Personal.
Mit der grossen Kelle angerichtet
Im Gegensatz dazu hat die Liechtensteinische Landesbank (LLB) mit der Anstellung von zuletzt vier Kundenberatern in Düsseldorf das geplante Personal-Soll beinahe erreicht. Innerhalb weniger Monate hat das Institut aus dem «Ländle» in Frankfurt, München und nun Düsseldorf rund 40 Kundenberater und Kader angeworben. Die LLB folgt dabei auf den Spuren der grösseren LGT, die nach jahrelanger Pause 2023 ins deutsche Private Banking zurückgekehrt ist und dort nun mit der grossen Kelle anrichtet.
Diesen Januar eröffnete die Liechtensteiner Fürstenbank LGT mit Frankfurt bereits die vierte Filiale.
Einige Wellen geschlagen
Da die Personaloffensive der Schweizer und Liechtensteiner Häuser auf erfahrene Banker der Konkurrenz zielt, hat dies in Deutschland bereits einige Wellen geschlagen. «Privatbanken aus der Schweiz und Liechtenstein drängen auf den deutschen Markt», titelte das deutsche «Handelsblatt» im vergangenen September.
Die Institute, so die Zeitung, hätte es dabei auf die Vermögen des deutschen Mittelstands abgesehen, wo zahlreiche Unternehmerinnen und Unternehmer derzeit mit Firmenverkäufen zu Geld kämen.
Auch aus Schweizer Warte nimmt sich der gegenwärtige «Run» nach Deutschland erstaunlich aus. Denn eine erste solche Welle gab es schon in den Nullerjahren, als die grossen Adressen im Swiss Banking – etwa die UBS, Credit Suisse (CS), die damalige Bank Sarasin, Julius Bär und Vontobel eine «Onshore»-Strategie in Deutschland starteten.
Credit Suisse trat Rückzug an
Wie sich aber über die Jahre zeigte, hatten die deutschen Niederlassungen oftmals mit der Profitabilität zu kämpfen. Das führte zu Rückzügen. Die CS etwa verkaufte ihr Private Banking 2013 an die deutsche Bethmann Bank; die UBS verdient vor Ort in Deutschland nach jahrelangem Reorganisationen erst seit 2020 Geld.
Seither ist das Geschäft für ausländische Akteure, zu denen die Schweizer und Liechtensteiner Banken zählen, nicht grundlegend einfacher geworden. Wohl gilt seit 2014 die vereinfachte Freistellung und damit Erleichterungen im grenzüberschreitenden «Offshore»-Geschäft. Davon profitieren hierzulande neben der ZKB weitere Geldhäuser, etwa die Privatbanken Maerki Baumann aus Zürich oder Reichmuth & Co aus Luzern.
Grösster Markt Europas, aber...
Weiterhin gilt als gesetzt, dass Deutschland den grössten Vermögensverwaltungs-Markt Kontinentaleuropas darstellt und von hiesigen Instituten deshalb schwerlich ignoriert werden kann. Seit Beginn der «Weissgeld-Ära» ist allerdings das Ringen um deutsche Millionen deutlich zäher geworden.
Gleichzeitig bleiben Hürden im vermeintlichen Wachstumsmarkt, auf die Branchenveteranen wie Franz-Josef Lerdo schnell zu sprechen kommt: Der Deutsche kennt sowohl das Private Banking in seiner Heimat wie jenes in der Schweiz aus langjähriger Erfahrung. Unter anderem wirkte er einst als Chef der Dresdner Bank (Schweiz) und arbeitete auch für die CS.
«Ausländische Akteure treten in Deutschland gegen Grossbanken wie die Deutsche Bank und die Commerzbank mit ihrem eigenen Private Banking an, sowie gegen die regional stark verwurzelten Sparkassen und Landesbanken, die ebenfalls Vermögensverwaltung anbieten», gibt er auf Anfrage zu bedenken.
Marge schmilzt
Hinzu käme die Konkurrenz von spezialisierten deutschen Privatbanken. «Diese verfügen über mindestens so viel Know-how in der ganzheitlichen Betreuung von Kunden wie Schweizer Institute», hält Lerdo fest.
Ebenfalls präsentiert sich die Einnahmenseite als herausfordernd. «Die Margen im deutschen Private Banking sind zuletzt eher geschrumpft», erklärt Lerdo weiter, der heute als unabhängiger Berater von Finanzinstituten unterwegs ist. Sei vor Jahren noch etwa 1 Prozent auf den verwalteten Vermögen zu verdienen gewesen, liege dieser Wert aktuell noch bei 0,7 oder 0,6 Prozent.
Mindestens 20 Milliarden Euro als Minimum
Kontern können Banken hier nur mit ausreichend Skalen, folgt man dem Ex-Bankmanager. «Um im Private Banking vor Ort in Deutschland rentabel zu geschäften, ist eine vernünftige Grösse zwingend. Diese beginnt bei rund 20 Milliarden Euro an verwalteten Kundengeldern.»
Das Vorgehen der LGT, die in Deutschland klotzt und nicht kleckert, wäre demnach folgerichtig. Auf Anfrage wollte sich die Fürstenbank nicht zu den Vermögen äussern, die ihr seit der Offensive im Nachbarland zugeflossen sind. «Mit der Entwicklung und der Profitabilität unserer neuen Standorte in Deutschland sind wir sehr zufrieden», erklärte eine Sprecherin lediglich. Die LGT ist in Deutschland sowohl lokal wie auch grenzüberschreitend (Offshore) tätig. Das kommt an, folgt man dem Institut. «Aus Diversifikationsgründen schätzen es unsere Kundinnen und Kunden sehr, dass sie ihr Vermögen in verschiedenen Ländern und Währungen veranlagen können.»
EU bereitet Sorgen
Das Offshore-Geschäft mit wohlhabenden Deutschen ist auch für Schweizer Institute bedeutend, selbst in Zeiten der Weissgeld-Ära. Das zeigt sich etwa bei der in Grenznähe operierenden SGKB: Laut einer Bankensprecherin verwalteten das Schweizer Stammhaus und die deutsche Tochtergesellschaft Mitte 2023 zusammen 8 Milliarden Franken an Vermögen von Kunden mit Domizil Deutschland. Das waren zu diesem Zeitpunkt immerhin 13,8 Prozent der gesamten verwalteten Vermögen.
Das lokale Geschäft der SGKB Deutschland steuerte mit 2,8 Milliarden Franken dabei zwar den kleineren Teil bei. Als voll lizenzierter «Vorposten» der St. Galler auf deutschem Boden kommt der Niederlassung aber zweifellos strategische Bedeutung zu.
Das ist laut Beobachtern eine weitere Begründung für die gegenwärtige Deutschland-Offensive aus der Schweiz und Deutschland: Voll lizensierte Tochterbanken sind Garanten, dass der Marktzugang und das grenzüberschreitende Geschäft für die Mutterhäuser offen bleibt. Sorgen bereitet hiesigen Bankern diesbezüglich die Bemühungen der EU, Banken auf Unionsgebiet einheitlich zu regulieren; dies könnte dereinst darauf hinauslaufen, dass es keine Sonderregelungen von einzelnen EU-Mitgliedstaaten geben würde.
Auf alle möglichen Szenarien vorbereitet
Das wäre wohl das Aus für die erleichterte Freistellung in Deutschland. Um dort Dienstleistungen zu vertreiben, bräuchte es dann zwingend wieder eine Tochterbank vor Ort.
Solche Gedankengänge lässt auch die SGKB-Sprecherin auf Anfrage anklingen. Die SGKB Deutschland biete als einzige Tochter einer Schweizer Kantonalbank in Deutschland den Buchungsstandort Schweiz an. Mit der vereinfachten Freistellung könne die Gruppe den deutschen Markt aber auch von der Schweiz aus aktiv bearbeiten. «Damit sind wir auch für die Zukunft für alle möglichen Szenarien gut vorbereitet.»