Eben erst ist in der Schweiz der neue Einzahlungsschein eingeführt worden. Kommenden Sommer müssen die Banken nun bereits Instant Payments umsetzen – eine ebenso teurer wie radikal neuer Standard für den Zahlungsverkehr. finews.ch ist den wichtigsten Fragen dazu auf den Grund gegangen.
1. Was ist das Versprechen von Instant Payments?
Instant Payments fordert, dass eine Zahlung zwischen zwei Parteien innert 10 Sekunden erfolgen muss. Dies bedeutet eine radikale Beschleunigung zu den in der Schweiz geltenden Vorgaben: Wenn etwa im E-Banking eine Zahlung als erfasst notiert ist, wird sie erst über Nacht respektive innert zwei Tagen abgewickelt. In EU-Ländern wird Instant Payments über das SEPA-System und im Rahmen der seit dem Jahr 2019 geltenden Finanzrichtline PSD2 umgesetzt.
2. Welches sind die wichtigsten Funktionen aus Kundensicht?
Die Zahlungen werden digital via E- und Mobile-Banking ausgelöst. Generell wird das E-Banking durch den neuen Standard aufgewertet, ermöglicht dieser doch auch Zahlungen zwischen Nutzern (Account to Account) oder Zahlungsanforderungen von Händlern (Request to Pay). Diese Funktionen sind hierzulande von der Bezahlapp Twint (siehe Punkt 8) bereits bekannt.
Klassische Bezahlterminals im Detailhandel werden mittelfristig durch QR-Codes und neue Formen von kontaktlos-Zahlungen abgelöst. Aller Voraussicht nach verspricht Instant Payments einen Quantensprung in Sachen Nutzerfreundlichkeit und Verfügbarkeit (siehe Punkt 3).
3. Wem nützt der neue Standard?
PSD2 ist eine Verbraucherschutz-Richtlinie. Die EU hat bei der Durchsetzung des Standards vorab die Konsumenten im Auge. Für diese sollen unter anderem Zahlungen zu jeder Tages- und Nachtzeit – 24/7 und an 365 Tagen im Jahr – verfügbar sein und in «Realtime» abgewickelt werden.
Nebst der prioritären Einführung bei Banken wird Instant Payments in der Schweiz künftig auch als Account-to-Account-Zahlmethode im Handel sowie im E-commerce eingeführt, was dem Handel dann gegenüber Kreditkarten und den neuen Debit-Karten potenziell eine massive Reduktion der Transaktionsgebühren bringt.
«Die Transaktionskosten für die Detailhänder könnten dabei um Faktoren sinken. Jedoch ist zu bedenken, dass weiterhin der Kunde wählt, mit welcher Bezahlmethode er bezahlt und damit festlegt, welche Gebührenstruktur beim Händler anfällt», sagt David Frei zu finews.ch. Er betreut bei der Big-four-Beratungsfirma Deloitte Banken und Firmen rund um Payment-Fragen und hat mehrere Jahre für den französischen Zahlungsspezialisten Worldline gearbeitet, welcher der Schweizer Börsenbetreiberin SIX im Jahr 2018 die Zahlungssparte abgekauft hat. Mit diesem Hintergrund ist er profunder Kenner des Zahlungsverkehrs in der Schweiz.
Der Nutzen für die Finanzbranche nimmt sich hingegen weniger greifbar aus. In einem ersten Schritt wird die Umsetzung von Instant Payments erst einmal kosten und neue Realitäten im für die Banken höchst einträglichen Kartengeschäft schaffen. Chancen bieten sich hingegen in der Ausgestaltung von Bankprodukten und -services, sowie im Crossselling von Dienstleistungen.
4. Ist Instant Payments freiwillig?
Im europäischen Ausland wacht die EU-Kommission über den neuen Standard, hierzulande hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) die SIX-Tochter SIC mit der Umsetzung beauftragt. Im Gegensatz zum Open Banking, welches in der Schweiz als Marktinitiative vorangetrieben wird, sind Instant Payments und der damit verbundene Zahlungsstandard SIC5 zwingend.
Per August 2024 müssen alle in der Schweiz tätigen Banken, die mehr als 500’000 Zahlungen pro Jahr bearbeiten, Zahlungen nach dem neuen Standard empfangen können. Das Senden von Instant Payments darf die Branche dann in einem zweiten Schritt in Angriff nehmen.
5. Was ist der Kostenpunkt für die Banken?
Für die im vergangenen Jahr abgeschlossene Umstellung auf den Zahlungsstandard SIC4 und den neuen Einzahlungsschein mit QR-Code hatte die Beratungsfirma Deloitte einst gegen 600 Millionen Franken allein für die Banken prognostiziert. Payment-Experte Frei geht nun ebenfalls von hohen Kosten für den Wechsel zu SIC5 und der damit verbundenen Einführung von Instant Payments aus. «Es ist mit erheblichem Aufwand für die Bankenbranche zu rechnen», führt der Berater aus.
6. Reicht die Zeit bis zum Stichtag?
Frei sagt auch: die Zeit für die Umsetzung des neuen Standards sei sportlich bemessen. In Zusammenarbeit mit der SIX-Zahlungsverkehr-Tochter SIC hat das Onboarding der Banken für den Integrationsprozess eben erst begonnen. Wenn man bedenkt, dass an der Umstellung auf den neuen Einzahlungsschein von 2016 bis ins Jahr 2022 intensiv gearbeitet wurde, wird die Herausforderung für die involvierten Akteure greifbar.
7. Wirft der neue Standard die Neobanken aus dem Rennen?
Instant Payments verbessert die «Usability» von E-Banking Lösungen, weshalb etablierte Geldhäuser gegenüber den smarten Angeboten der Fintech-Konkurrenz Boden gut machen können. Neue Anbieter müssen sich deshalb überlegen, wie und wo sie über Bezahlfunktionen hinaus Geschäftsfelder finden.
Zum Aufatmen ist es jedoch für Banker zu früh. Denn ihnen droht eine Verlagerung des Konkurrenzkampfs in neuen Bereichen, und die Fintechs werden einen gewichtigen Vorteil auszuspielen wissen: Sie verfügen über neue Technologie-Plattformen, die deutlich schneller an die neuen Standards angepasst werden können als die Legacy-Software der Banken. Die auch in der Schweiz aktive Neobank Revolut bietet Instant-Zahlungen in Euro auf dem europäischen SEPA-System schon seit dem Jahr 2020 an.
8. Bedeutet Instant Payments das Ende von Twint?
Die Bezahlapp der Schweizer Banken hat jüngst die Wegmarke von 5 Millionen Nutzer erreicht. Damit ist Twint eine Grösse, um die hierzulande im Payment-Bereich niemand herumkommt. Von diesem Erfolg ausgehend, treibt das Fintech den Aufbau einer Plattform von Angeboten voran. Gelingt dieser Vorstoss, muss Twint den neuen Standard nur begrenzt fürchten. Es trifft aber zu, dass Instant Payments die bekanntesten Merkmale der Bezahlapp – Account-to-Account-Zahlungen, Zahlungsanforderungen und Überweisungen via QR-Code – breit verfügbar machen wird. Und erst noch in Echtzeit.
9. Und was ist mit dem einträglichen Kartengeschäft?
Deloitte-Experte Frei sieht mittelfristig eine Zeitenwende herannahen in dem für Banken oftmals höchst einträglichen Kartengeschäft. Wenn Kunden künftig beim Einkauf im Handel oder via E-commerce Account-to-Account-Zahlungen als nutzen, verringern sich die Einnahmen aus Interchange-Gebühren für Banken. Karten – heute vermehrt virtuelle oder Single-use-Karten – sind bei Kunden weiterhin beliebt, vor allem in Verbindung mit einem Wallet auf dem Smartphone.