Das Ausbleiben der milliardenschweren Ausschüttungen der Schweizerischen Nationalbank sorgt bei Bund und Kantonen für Konsternation – doch insbesondere den Grossbanken winkt damit neues Geschäft.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) erregt die Gemüter. Wie auch finews.ch berichtete, ist die Währungshüterin zuletzt von den Ökonomen des «SNB Observatory» wegen ihrer Ausschüttungspolitik hart kritisiert worden.
Dass die Währungshüterin im Jahr 2023 auf die gewohnte Weitergabe von Gewinnen an Bund und Kantone verzichtet, ergibt aus Sicht der Konjunkturexperten, darunter der ehemalige Zentralbanker Stefan Gerlach und der frühere SNB-Berater Yvan Lengwiler, keinen Sinn.
Von 6 Milliarden Franken auf 0
Die Volkswirtschafter gesellen sich damit zu den zahlreichen Politikern von Bund und Kantonen, die konsterniert auf das Vorgehen des Nationalbank-Direktoriums um Präsident Thomas Jordan reagieren.
Im Gegensatz dazu reiben sich diverse Kapitalmarkt-Spezialisten bei den grossen Banken im Land vermutlich die Hände: Das Ausbleiben der SNB-Überweisungen hinterlässt im Staatshaushalt eine weite Lücke, die es über andere Kanäle zu stopfen gilt.
Zur Erinnerung: Nach einem Rekordverlust von 132 Milliarden Franken im Jahr 2022 hatte die SNB Anfang Januar entschieden, auf die im Nationalbankgesetz geregelten Ausschüttungen an den Staat zu verzichten. Dabei geht es um happige Summen. 2021 und 2022 wurden jedesmal 6 Milliarden Franken an Bund und Kantone überwiesen. Von jeder Tranche erhalten die Kantone maximal 4 und der Bund höchstens 2 Milliarden Franken.
Bereits fix budgetiert
Indes, die allermeisten Stände hatten den Zustupf für das Jahr 2023 bereits budgetiert, Kantone wie Schaffhausen oder Zug bilden die Ausnahme. Der Kanton Bern fürchtet nun gar rote Zahlen, weil sich die fest eingeplanten 320 Millionen Franken von der SNB nicht materialisierten, wie unter anderem das Schweizer Fernsehen «SRF» berichtete.
Der Bund budgetiert seinerseits 670 Millionen Franken aus der Schatulle der Nationalbank und schaffte es damit, dem Greifen der Schuldenbremse zu entkommen.
Grossbanken kommen ins Spiel
Kurz: In der Finanzplanung des Staates klafft seit dem SNB-Entscheid ein Milliardenloch. Und sollten die Gewinnzuteilungen auch im Jahr 2024 ausbleiben, wie Analysten der Grossbank UBS mahnten, wird das Problem noch drängender.
Dieses gilt es nun anderweitig zu füllen, und hier kommen die hiesigen Grossbanken ins Spiel. Ihre Investmentbank-Abteilungen begleiten nämlich traditionell die Anleihen-Emissionen von Kantonen und Städten – ein möglicher Weg, um die Löcher in den Budgets zu stopfen. Wie Investmentbanker der Credit Suisse (CS) am vergangenen Mittwoch vor Medienvertretern ausführten, rechnen sie mit einem erhöhten Finanzierungsbedarf bei Bund und Kantonen, weil die SNB-Ausschüttungen ausbleiben.
Klar abgesteckter Markt
Das Geschäft mit den öffentlich-rechtlichen Organisationen teilen sich hierzulande traditionell die Grossbanken UBS, die CS und Zürcher Kantonalbank (ZKB) untereinander auf. Ebenfalls in dem Markt unterwegs sind die Raiffeisen Gruppe sowie diverse Kantonalbanken, die jeweils ihre Eigentümer bedienen.
Der Bund gelangt gleich selber mit Anleihen an die Investoren; Obligationen, die ein minimales Volumen von 100 Millionen Franken erfordern (ansonsten ist kein Handel an der Schweizer Börse SIX möglich), werden in der Regel von Städten und Kantonen vergeben.
Erhöhte Nachfrage
Kleinere Gemeinde finanzieren sich über Privatplatzierungen oder Darlehen. Die in diesem Bereich führende Finanzierungs-Plattform, das Zürcher Fintech Loanboox, stellt seit Jahresbeginn ebenfalls eine erhöhte Nachfrage fest.
Die Gemeinden antizipierten bereits, dass ihnen weniger Geld aus dem SNB-Topf der Kantone zugewiesen werde, beobachtet man bei Loanboox.
Mittelfristig mehr Emissionen
Auch die ZKB hat in den vergangenen Wochen mit zahlreichen öffentlich-rechtlichen Organisationen den Kapitalbedarf nach dem SNB-Entscheid abgeklärt, wie es beim Institut auf Anfrage von finews.ch heisst. Kurzfristig werde sich der Rhythmus, mit dem etwa Kantone an den Kapitalmarkt gelangen, aber nicht wesentlich verändern.
Mittelfristig erwarten die Experten der ZKB jedoch ein zunehmendes Interesse von öffentlich-rechtlichen Körperschaften. «Es gibt eine gewisse Korrelation zwischen den Ausschüttungen der SNB und dem Finanzierungsbedarf von Kantonen und Städten, wobei das Steueraufkommen jedoch den wichtigeren Einfluss hat», so die Marktkenner.
Bern, Lugano und Zürich am Markt
Ihnen zufolge haben die Emissionen dieser Klientel im Jahr 2013 einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Danach konnten die Kantone und Städte unter anderem von reichlich Steuersubstrat und auch den Gewinnzuteilungen aus den rasant wachsenden SNB-Reserven gut leben.
In den Jahren 2020 und 2021 sind die Volumen der Anleihenemissionen dann um mehr als 60 Prozent eingebrochen. 2022 verharrten sie bei tiefen 2,6 Milliarden Franken. Bereits der Januar 2023 hat nun aber erhöhte Aktivität gesehen – so gelangten die Städte Bern, Lugano und Zürich mit Emissionen an den Markt.
Quasi eine Startgebühr
Wie in der Branche zu erfahren ist, sind Anleihen-Emissionen für Kantone und Städte aus Bankensicht durchaus lukrativ. Mit einer «Out-of-pocket-fee» – quasi einer Startgebühr von um die 50’000 Franken – sowie Emissionsgebühren im Bereich von 30 bis 50 Basispunkten des Volumens lässt sich an einer Anleihe von 100 Millionen Franken bis zu 500’000 Franken verdienen.