Mit der Zinswende hat sich im Schweizer Retailbanking ein Kampf um Depositen abgezeichnet. finews.ch hat bei jenen Instituten nachgefragt, die früh mit höheren Sparzinsen lockten.
Markus Schwab lehnte sich vergangenen Sommer aus dem Fenster. Kurz nachdem die Schweizerische Nationalbank (SNB) im vergangenen Juni erstmals seit 14 Jahren wieder die Leitzinsen erhöhte, preschte die von ihm geführte Banking-App Yuh mit Sparzinsen von bis zu 0,5 Prozent vor. Mit dem Angebot hoffte er, bis maximal 200’000 Neukunden zu gewinnen, wie er damals zu finews.ch sagte.
Dem erhofften Run auf den hohen Zins ist seither viel Zeit geblieben, sich zu materialisieren. Der Abstand von Yuh und anderen Instituten, die früh mit höheren Sparzinsen lockten, ist zum breiten Feld der Konkurrenz weiterhin gross.
Marktführerin nimmt sich Zeit
So reagiert die UBS erst auf den kommenden Februar hin und zahlt auf Sparkonti für Erwachsene in einem ersten Schritt 0,1 Prozent Zins. Auf dem Digital-Angebot Key4 bietet die Marktführerin zudem eine Promotion von 0,5 Prozent, bei einem Zinssatz von neu 0,6 Prozent. Dies, während die Credit Suisse (CS) auf diesen Termin hin eine Erhöhung der aktuellen Basissätze auf 0,25 Prozent ankündigte. Die drei übrigen Schweizer Grossbanken Zürcher Kantonalbank, Postfinance und Raiffeisen zahlen aktuell Basiszinsen von 0,5 Prozent, 0,4 Prozent und 0,25 Prozent (für Raiffeisen-Genossenschafter).
Der durchschnittliche Schweizer Sparzins beträgt dem Vergleichsdienst Moneyland zufolge 0,2 Prozent, bei einem geltenden SNB-Leitzins von 1 Prozent. Einige wenige Kantonal- und kleinere Regionalbanken sind seither mit deutlich höheren Sparzinsen vorgeprescht, so die Zuger Kantonalbank mit 0,65 Prozent, die Luzerner Kantonalbank mit 0,6 Prozent; gar 1 Prozent bietet die CS für ein bestimmtes Angebot auf ihrer Banking-App CSX.
Frohlocken bei der Banking-App
Ist es der Sparzins-Avantgarde in den vergangenen Monaten gelungen, Kunden von der weniger freigiebigen Konkurrenz wegzulocken?
Auf Anfrage von finews.ch heisst es bei Yuh, dass das Sparzins-Angebot sichtbar dazu beigetragen habe, die Zahl der Nutzer in kurzer Zeit auf 100'000 ansteigen zu lassen. Zum Vergleich: Letzten Sommer zählte die Banking-App noch 75’000 Kunden. Auch die Zuger Kantonalbank zieht eine positive Bilanz. «Tatsächlich spüren wir mit den gestiegenen Zinssätzen ein wieder erwachtes Interesse der Kundinnen und Kunden an einer Erhöhung der Sparvolumina und auch eine stärkere Bereitschaft zur Eröffnung neuer Konten», so das Staatsinstitut.
«Erhöhtes Kundenaufkommen»
Auch im Umfeld der CS ist zu vernehmen, dass die Sonderkonditionen bei CSX «ziehen». Nicht nur der Zinssatz, sondern auch die vergleichsweise hohe Verzinsungslimite komme sehr gut an. Und die kleine Bank WIR, die jeweils besonders rasch auf Zinsschritte der Nationalbank reagiert hat, ist ebenfalls erfreut über die Wirkung. «Wir können in den Bereichen Sparen und Vorsorgen tatsächlich von einem erhöhten Kundenaufkommen sprechen, was uns natürlich freut», heisst es dort auf Anfrage.
Bereits für den März hat das Institut erneute Zinserhöhungen angekündigt und schliesst weitere Steigerungen nicht aus.
Trotz dieser Durchsagen ist aber klar: Zu einem erdrutschartigen Wechsel von Sparern hin zu den grosszügigsten Geldhäusern ist es noch nicht gekommen, obwohl dies bei der Zinswende im vergangenen Jahr als Risiko in der Luft lag. So warnten Experten, dass die Schweizer Banken die Mobilität der Spargelder unterschätzten und gezwungen sein könnten, innerhalb von Wochen statt Monaten den Sparern einen höheren Zins zu zahlen – mit Folgen für die Zinsmarge. Wer beim «Kampf um Depositen» nicht mitmache, könne gar Probleme mit der Refinanzierung bekommen.
Sparzinsen höher als 0,5 Prozent
Dennoch konnte es sich die Marktführerin UBS leisten, sich mit der Rückkehr zu Sparzinsen bis kommenden Februar Zeit zu lassen. Benjamin Manz, CEO des Vergleichsdiensts Moneyland, erklärte die zögerliche Haltung der grösseren Banken jüngst damit, dass diese häufig weniger stark auf Neukunden angewiesen seien und haben deshalb oft etwas schlechtere Konditionen böten. Prinzipiell sei jedoch zu erwarten, dass die Banken die Leitzinserhöhungen der SNB nachvollziehen würden, sagt er nun auf Anfrage. «Es ist gut möglich, dass Sparzinsen für Erwachsene noch dieses Jahr auf durchschnittlich mehr als 0,5 Prozent ansteigen.»
Bei Raiffeisen Schweiz, der Zentrale der über 200 hiesigen Raiffeisen-Banken, gibt man sich jedenfalls betont gelassen. Weitere Erhöhungen der Sparzinsen wolle die Raiffeisen-Gruppe nicht primär von der Zinspolitik der SNB abhängig machen, sagt dort ein Sprecher. Allerdings handle es sich bei den aktuellen Sparzinsen immer um eine Empfehlung an die Banken der Gruppe.
Sparen wieder schmackhaft machen
Die Luzerner Kantonalbank, die ebenfalls vergleichsweise attraktive Sparzinsen offeriert, sieht gar die Notwendigkeit, die Kunden nach langen Jahren mit Nullzinsen wieder für das Sparen zu sensibilisieren. «Weil sich Kundinnen und Kunden in den vergangenen Jahren an Null- und Negativzinsen gewöhnt haben, plant die Bank, die nun wieder positiven Zinssätze zu bewerben», sagt dort ein Sprecher.
Damit zeichnet sich bereits ab, dass die Schweizer Banken die Zinswende ohne grosse Turbulenzen navigieren werden. So konnten sie es sich trotz intensivem Wettbewerb leisten, die Hypozinsen massiv zu steigern – die Konditionen von zehnjährigen Festhypotheken kletterten 2022 so stark wie in den vergangenen zehn Jahren nicht mehr. Ebenfalls ziehen die Banken nun auch die Konditionen für Konsumkredite an.
Höchst positiv gestimmt
Während auf der Aktivseite also die Zinsen rasch klettern und Erträge in die Banken sprudeln, können solide finanzierte Geldhäuser mit der Weitergabe der Leitzinsen an die Sparer zuwarten – zumindest auf das Neugeschäft dürfte dies bereits einen positiven Effekt haben. Wie einer aktuellen Umfrage des Beratungsunternehmens EY bei Schweizer Regional- und Kantonalbanken zu entnehmen ist, sind die Institute für das wichtige Zinsengeschäft auch längerfristig höchst positiv gestimmt.
Sämtliche Kantonalbanken sowie 92 Prozent der Regionalbanken gehen in der langen Frist von steigenden operativen Ergebnissen aus. Laut der Umfrage ist dies im Wesentlichen auf die Zinswende zurückzuführen. «Die Aussicht auf höhere Zinsen führt zu sehr grossem Optimismus», hält die Studie fest.
Mitarbeit: York Runne