Während die Akte des Lehman-Konkurses endgültig geschlossen wurde, öffnete gleichentags die Bank of England ihr Arsenal und eilte den Märkten mit einer Stützungsaktion zu Hilfe. Was sagt der Finma-Chef dazu?
Angesichts düsterer Wirtschaftsaussichten, weiterer drohender Zinserhöhungen und inzwischen vier Gaslecks in der Ostsee liegen die Nerven in der Finanzbranche derzeit blank. Wie gross die Nervosität inzwischen ist, zeigt sich dieser Tage exemplarisch in Grossbritannien.
Dort hat die Bank of England (BoE) am Mittwoch angekündigt, aufgrund von Marktstörungen bis Mitte Oktober langlaufende Staatsanleihen ohne Nennung einer Obergrenze zu kaufen. Hintergrund sind die erheblichen Renditeanstiege bei den Festverzinslichen in den vergangenen Tagen.
Ausserdem weckten die jüngst vorgestellten Steuersenkungen der neuen Regierung von Liz Truss Befürchtungen, dass diese letztlich zu ausufernden Staatsschulden und einer noch höheren Inflation führen würden.
Bond-Crash in Raten
Hätte die BoE nicht direkt am Markt interveniert, hätte dies britische Pensionskassen in den Ruin treiben und eine Kettenreaktion auslösen können, befürchten Marktbeobachter. Mit dem Begriff Lehman 2.0 wurden sogar Erinnerungen wach an einen vergangenen Bond-Crash und die Pleite der amerikanischen Investmentbank Lehman.
Der Konkurs von Lehman Brothers, damals die viertgrösste Investmentbank der USA, am 15. September 2008 war der Höhepunkt der weltweiten Finanzkrise und schlug hohe Wellen an den Kapitalmärkten.
Geradezu schicksalshaft
Der Zusammenbruch von Lehman führte zu einer heftigen Debatte darüber, ob und unter welchen Umständen Unternehmen unter die Arme gegriffen werden soll. Vor allem geschädigte Kunden von Lehman Brothers gingen häufig leer aus. Kräftig absahnen konnten hingegen die Nachlassverwalter und das Interims-Management.
Rund 14 Jahre nach dem Kollaps ist das Institut nun fast schicksalshaft am selben (gestrigen) Mittwoch endgültig abgewickelt worden, als die BoE den Märkten wegen der Angst vor einem neuen Lehman-Moment zu Hilfe eilte.
Entwarnung vom Finma-Chef
Optimistischer tönt es aus den Reihen der Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma). Wie ihr Chef Urban Angehrn an einer Veranstaltung am Donnerstag erklärte, haben die vergangenen Krisenmonate gezeigt, dass die Schweizer Institute dank der aufgebauten Puffer weitaus besser aufgestellt sind als noch vor zehn Jahren.
Die Kapital- und Liquiditätspuffer seien unverzichtbar, weil sie Schocks abfederten und für Vertrauen sorgten. Die Finma beobachte die Entwicklung dieser Puffer im Rahmen einer vorausschauenden Aufsicht sehr eng.
Keine Krise ohne Kollaps
Zu einem anderen Schluss kommt Lehman-Treuhänder James Giddens, der die Liquidation der US-Bank überwachte. Für ihn besteht die Lehre aus dem Fall darin, dass der Zusammenbruch eines grossen Finanzinstituts zwar abgewendet werden sollte. Aber die Geschichte lehre uns, so Giddens, dass dies unvermeidbar sei.