Das Urteil im Drogenring-Prozess in Bellinzona könnte die Credit Suisse finanziell mühelos verkraften. Es ist die Signalwirkung, welche die Grossbank zu fürchten hat.
Selbst die Staranwältin Isabelle Romy von der Kanzlei Kellerhals Carrard vermochte in Bellinzona das Blatt für die Credit Suisse (CS) nicht zu wenden: Vor dem Bundesstrafgericht hat die Verteidigung der Top-Juristin, die einst im Verwaltungsrat der Grossbank UBS sass, offensichtlich nicht verfangen.
Im am Montag veröffentlichten Verdikt wurde die CS im Drogenring-Prozess wegen organisatorischer Mängel zu einer Busse von 2 Millionen Franken verurteilt; ebenfalls werden 19 Millionen Franken als Ersatzforderungen bei der Bank eingezogen, wie auch finews.ch berichtete.
Das Urteil hat dabei Präzedenz-Charakter: Es ist erst das zweite Mal überhaupt, dass in der Schweiz ein Unternehmen in einem Strafprozess zur Verantwortung gezogen wird. Den Anfang machte vergangenen Dezember übrigens ebenfalls ein Finanzinstitut – die inzwischen abgewickelte Falcon Private Bank.
Weit mehr steht auf dem Spiel
Die CS ist nun sogleich in Berufung gegangen – was auch zu erwarten war. Denn für das Institut steht mit dem Urteil weit mehr auf dem Spiel als die Zahlung von insgesamt 21 Millionen Franken. Denn würde das Verdikt so stehengelassen, stünde die zweitgrösste Schweizer Bank als strafrechtlich verurteilte Bank da – auch wenn es sich in der juristischen Bewertung um eine blosse Übertretung handelt.
Die Folgen davon sind schwer abschätzbar. So ist etwa zu bedenken, dass es amerikanischen Pensionskassen untersagt ist, mit strafverurteilten Unternehmen zu geschäften. Für Ausnahmen muss jeweils das US-Arbeitsministerium eine Bewilligung erteilen, und vergangenen April hagelte es diesbezüglich schon Kritik gegen die CS. Die Behörde verlängerte zwar die Genehmigung um ein Jahr, sparte aber nicht mit deutlichen Worten. Die Verurteilungen und andere mutmassliche kriminelle Verfehlungen im Zusammenhang mit der Credit Suisse würden ein systematisches kriminelles Fehlverhalten darstellen.
Die Alarmglocken läuteten bereits
Tatsächlich hatte sich die Schweizer Bank im Jahr 2014 schuldig bekannt, US-Bürgern bei der Steuerhinterziehung geholfen zu haben. Im vergangenen Oktober musste dann in der Mosambik-Affäre die britische Einheit Credit Suisse Securities (Europe) einen Verstoss gegen das US-Bundesgesetz zu Überweisungsbetrug zugeben. Damals läuteten bei Compliance-Experten schon die Alarmglocken.
Kennern der Materie zu Folge sollte das Tessiner Urteil das Fass für die Amerikaner nun nicht zum Überlaufen bringen. Dies, weil die Bank der Wertung des Gerichts zufolge nicht aktiv an der Geldwäsche beteiligt war und das geahndete Vergehen eine blosse Übertretung darstellt. Doch mit einem Quäntchen Unsicherheit ist auch diese Argumentation behaftet.
Wasser auf die Mühlen
Wasser auf die Mühlen diverser Klagen gegen die Grossbank dürfte der Entscheid der Richter in Bellinzona ohnehin sein. So gehen schwerreiche Osteuropäer seit Jahren und weltweit gegen die CS vor. Sie werfen dem Institut dabei just mangelhafte Überwachung eines ehemaligen Private Bankers vor. Jener hatte die Ex-Kunden um Hunderte Millionen Dollar gebracht und sass dafür später im Gefängnis.
Diesen «CS Victims» ist vergangenen März auf den Bermudas nun ein Durchbruch gelungen, indem das Oberste Gericht des Inselstaats die dortige CS-Niederlassung zu einem Schadenersatz von vermutlich über 600 Millionen Dollar verdonnerte. Dies, weil es als erwiesen ansah, dass die CS-Tochter und die Gruppen-Funktionen keine Massnahmen getroffen hatten, um betrügerische Handlungen zu unterbinden.
Öl ins Feuer
Längst sind die betrogenen Ex-CS-Kunden auch in der Schweiz aktiv, wo sie im vergangenen November in Genf eine ältere Strafanzeige wegen Verdachts auf Geldwäscherei gegen die CS neu einreichten. Medienberichten zufolge will der bekannte Genfer Staatsanwalt Yves Bertossa nun 60 Millionen Dollar an Geldern entdeckt haben. Von diesen nimmt er an, dass sie vom betrügerischen Banker über die CS gewaschen wurden. Auch wenn das Geldhaus darin selber nicht involviert war, könnte der Bank doch analog zum Drogenring-Prozess mangelhafte Aufsicht vorgeworfen werden.
Nach jedem für sie nützlichen Argument umsehen werden sich auch die diversen Sammelkläger, die wegen den Doppel-Debakel um die geschlossenen CS-Greensill-Fonds und die Pleite der New Yorker Finanzfirma Archegos gegen die Grossbank mobilisiert haben. Ein gängiger Vorwurf lautet auch in diesen beiden Fällen, dass das Geldhaus die Risiken nicht im Griff gehabt habe. Das Verdikt von Bellinzona, auch wenn es eine ganz andere Zeit und andere Geschäfte betrifft, dürfte solche Beschuldigungen zusätzlich befeuern.