Innert weniger Wochen sind zwei hochfliegende Börsen-Pläne hart gecrasht. Nach Einnahmen lechzende Investmentbanker müssen Demut lernen. Beim Kronprinzen in Saudi-Arabien laufen die Fäden zusammen.
Die Wertvernichtung ist spektakulär: Der Ölgigant Saudi Aramco dürfte an der saudischen Börse Tadawul bloss eine Bewertung von 1,6 Billionen Dollar erreichen – sollte der Börsengang überhaupt noch stattfinden. Ursprünglich waren 2 Billionen Dollar angestrebt worden.
Doch die Nachfrage unter internationalen Investoren war zu gering. Bei den vergangenes Wochenende in der saudischen Hauptstadt Riad anwesenden Star-Bankern, unter ihnen Nick Koemtzopoulos von der Credit Suisse (CS), herrscht Katerstimmung. Aus dem erhofften Geldregen für die Investmentbanken dürfte ein schmales Rinnsal werden.
«Griechische Tragödie»
Auf 450 Millionen Dollar war der Gebührentopf geschätzt worden. Was nun für die Banken abfällt, wird ein Bruchteil sein. Die Roadshows für Saudi-Aramco-Aktien sind abgesagt, die Listings an internationalen Börsen ausgesetzt, der IPO wird eine lokale Angelegenheit. Als «Griechische Tragödie» bezeichnete ein involvierter Investmentbanker die Vorgänge in der «Financial Times» – geplatzte Träume der nach Erlösen lechzenden Investmentbanken.
Wenige Wochen zuvor spielte sich eine ähnliche «Tragödie» in New York ab: WeWork, das Immobilien-Startup des so charismatischen wie exzentrischen Gründers Adam Neumann stürzte ins Bodenlose. Die Bewertung von 47 Milliarden Dollar erwies sich als Hirngespinst.
Der Börsengang, nach Uber der zweitgrösste des Jahres, findet nicht statt. Über 120 Millionen Dollar an Gebühren hatten sich die involvierten Banken um J.P.Morgan erhofft. Auch hier: Geplatzte Träume.
Visionen und Überzeugungskraft
Zwischen WeWork und Saudi-Aramco gibt es noch mehr Gemeinsamkeiten: Hinter beiden Unternehmungen und Börsenplänen stehen Persönlichkeiten mit Visionen und einer gewissen Überzeugungskraft.
Der in jungen Jahren nach New York ausgewanderte Israeli Neumann zog Investoren und Banker mit Phrasen in seinen Bann, er wolle die Welt in neue Bewusstseinsphären heben. Neumann gelang es so, auch den Schweizer Grossbanken Credit Suisse und UBS sowie J.P. Morgan eine Kreditlinie von einer halben Milliarde Franken abzuschwatzen – mit Aktien aus dem geplanten Börsengang als Collateral.
Zu Besuch bei MBS: Repressalien
Der saudische Kronprinz Mohammed Bin Salman, kurz MBS, verzückte die internationale Finanzgemeinde mit seiner «Vision 2030», welche neben der gesellschaftlichen Öffnung des islamischen Königreiches Privatisierungen von Staatsunternehmen und Reinvestionen in den Aufbau einer Tech-Wirtschaft verspricht.
MBS und seine saudischen Regierungsmitglieder erhielten im Oktober Besuch von Bundesrat Ueli Maurer und einer Delegation von Schweizer Bankern. Dabei gelang es der CS, sich ihre Rolle als Co-Lead-Bank für den Aramco-IPO zu sichern.
Man wusste, dass MBS seine Überzeugungskraft für diesen Börsengang und die angestrebte 2-Billionen-Bewertung nicht nur auf charmante Weise spielen liess. Er setzte auch auf Repressalien, um reiche saudische Familien zum Kauf von Aramco-Aktien zu zwingen. Mitglieder dieser saudischen Familien waren auf Geheiss von MBS vor zwei Jahren im Hotel Ritz Carlton in Riad festgehalten und teils gefoltert worden, bis sie rund 100 Milliarden Dollar in die Staatskasse zahlten.
40 Milliarden für Softbank und WeWork
Der Gemeinsamkeiten sind noch mehr: Der von MBS kontrollierte saudische Staatsfonds war über den japanischen Tech-Konzern Softbank indirekt in WeWork investiert. Saudi-Arabien und Abu Dhabi haben Softbank rund 40 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt.
Für MBS ist es ein Investment in jene zukunftsträchtigen Technologien und Unternehmen, welche dereinst Saudi-Arabien unter der «Vision 2030» zum führenden Wirtschaftszentrum im Nahen Osten formen sollen. Der Kronprinz zeigt sich gerne an der Seite von Softbank-Gründer Masayoshi Son, der seinen 100-Milliarden-Fonds sinnigerweise auch «Vision» nannte.
Verrückt, verrückter
An WeWork-Gründer Neumann gefiel dem Softbank-Chef, dass er «verrückt» sei und versprach ihm nach einem Anfangsinvestment von 3,5 Milliarden Dollar weitere Milliarden, wenn Neumann noch «verrückter» würde.
Derweil offenbarte sich den mit dem geplanten WeWork-IPO betrauten Investmentbankern, dass verrückte Visionen à la Neumann mit den Zahlen eines hoch überschuldeten Unicorns wie WeWork nicht kongruent sind. Kleinlaut mussten die Wall-Street-Banker die starken Vorbehalte der Investorengemeinde an Neumann und den Softbank-Chef überbringen – und WeWork wurde über Nacht zum Sanierungsfall.
MBS zeigte in Bezug auf Softbank und den Vision Fonds etwas mehr Geschäftssinn als Son: Er lässt sich seinen 40-Milliarden-Kredit mit 7 Prozent verzinsen. An der Rettung von WeWork beteiligte er sich nicht.
Königliche Visionen gehen immer vor
Und doch scheint auch der saudische Kronprinz von Visionen geblendet: Er setzte einen Fantasie-Preis für den Ölkonzern Saudi-Aramco an, um möglichst viel Mittel für den Umbau des Petro-Königreichs in einen modernen Hightech-Staat stecken zu können.
Investmentbanker mussten in Riad nun die Botschaft überbringen, dass die internationale Investorengemeinde die Aramco-Investmentstory nicht geschluckt haben. Ihre peinlichen Schilderungen über die Reaktionen der Saudi-Oberen lassen eines schliessen. Kronprinz MBS macht Geschäfte stets unter der Prämisse, dass sie sich den königlichen Prioritäten anzupassen haben.
Es sind Lehren, welche sowohl Banken wie CS und UBS als auch übrige Schweizer Geschäftsinteressen in Saudi-Arabien aus den Vorkommnissen ziehen sollten.