Peter Wuffli war UBS-Chef und ist heute Verwaltungsrat der ersten Schweizer Krypto-Bank Sygnum. Im Interview mit finews.ch sagt er, welcher Druck nun auf der Jungbank lastet und was ihn zum Jammern bringt.


Peter Wuffli, Sie sind mit Sygnum an einer Krypto-Bank beteiligt und blicken auf eine rund 35 Jahre dauernde Karriere im traditionellen Banking zurück. Welche gelernten Lektionen gelten auch für Sygnum?

Eine offensichtliche lautet: Nehmen Sie Abstand von Hypes und suchen Sie immer nach der Substanz in den Dingen. Die Finanzwelt strotzt vor Übertreibungen, heisser Luft, übertriebenen und unerfüllbaren Erwartungen. Ich habe aus dem ständigen Auf und Ab in der Finanzbranche gelernt, eine gesunde Balance zwischen Ehrgeiz, Pragmatismus und Realismus zu finden.

Sygnum ist – neben Seba Crypto – die erste Schweizer Krypto-Bank. Wie haben die beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse reagiert, nachdem die Finma die Lizenz erteilt hatte?

Aus meiner Wahrnehmung und was mir zugetragen wurde, hat die Erteilung der Lizenz durch die Finma zu einem steigenden Interesse geführt. Das Top-Management will nun von ihren Kadern hören, ob das Krypto- und Digital-Assets-Universum bloss eine weitere Fintech-Mode ist, die so schnell aufkommt wie sie wieder verschwindet, oder ob es wirklich eine Transformation auslösen wird (lacht). Sie sind noch unentschieden, ob sie ihre Strategie entsprechend anpassen müssen. Noch unklar ist auch, was die Entwicklung für Veränderungen in ihren Unternehmensstrukturen und -systemen auslösen wird und was für mentale Anpassungen notwendig werden.

Sind die Banken denn unter Zugzwang?

Ich denke, grundsätzlich sind die Schweizer Banken sehr gut positioniert, da der Markt für vermögende Privatkunden nicht einfach verschwinden wird. Es wird weiterhin eine Prämie für gute Beratung bezahlt, insbesondere wenn es um Dienstleistungen für komplexere Bedürfnisse im Zusammenhang mit vermögenden Familien und deren Unternehmen geht.

«Als Europäer finde ich das ein Jammer»

Das Problem ist, dass dies nicht mehr das Wachstumsgeschäft von früher ist. Das erklärt zu einem Teil, warum die Börsenbewertungen für die Grossbanken dort sind, wo sie seit geraumer Zeit sind.

Die UBS und auch die Credit Suisse waren zu Ihrer Zeit als CEO auch im Investmentbanking führend.

Ja, aber dieser Anspruch gehört längst der Vergangenheit an (lacht). Unsere Gesellschaft wünschte sich langweilige Banken – und genau das haben wir jetzt. Es gab einige Investmentbanken in Europa, die sich fast mit den besten US-Häusern messen konnten. Aber wir haben verloren. Wenn ich als Europäer hier spreche, dann ist das ein Jammer.

Was ist Ihre Meinung zu den mittelgrossen und kleineren Schweizer Banken?

Vor allem die kleineren Banken sehen in Krypto ganz klar eine Chance, neue Geschäftsfelder zu erschliessen und für Innovationen. Dem Finanzsektor im Allgemeinen und in der Schweiz im Besonderen mangelt es grundsätzlich an Wachstumsmöglichkeiten. Also streben alle nach neuen Produkten und Dienstleistungen.

Läuft der Krypto-Sektor nicht Gefahr, erneut eine Blase zu bilden?

Ich sehe derzeit keine Blase. Im Gegenteil: Aus meiner Sicht sind die Unternehmungen hier seriös aufgestellt und ihre Dienstleistungen zielen auf die Bedürfnisse von Kunden. Sie haben ihre Lektionen auch dem ICO- und Bitcoin-Hype gelernt.

Allerdings ist die Welt der Kryptowährungen nach wie vor anfällig für Betrug und Geldwäscherei.

Massnahmen zur Geldwäschereibekämpfung und zur Einhaltung der «Know Your Customer»-Regel sind unabdingbar. Das Vertrauen, welches uns der Regulator mit der Erteilung der Banklizenz ausgesprochen hat, zu rechtfertigen, ist für uns von grösster Wichtigkeit. 

«Das ist für eine Bank schon ungewöhnlich»

Wir sind weltweit die erste lizenzierte auf digitale Assets spezialisierte Bank, welche die Bedingungen innerhalb von fünf Tagen erfüllt hat. 

Welches sind Massnahmen, mit welchen sich Sygnum vor Geldwäscherei schützt?

Im Prinzip ist die Blockchain Technologie besser zur Bekämpfung von Geldwäscherei besser geeignet als das traditionelle Bankensystem, da Kryptowährungen immer Spuren hinterlassen und Transaktionen irreversibel sind. Unsere selbstentwickelte Technologie dafür stand in den letzten Monaten im Mittelpunkt der regulatorischen Überprüfungen und gilt nun als Benchmark. Zudem haben wir auf Stufe Verwaltungsrat ein Komittee, welches die Massnahmen regelmässig prüft – das ist für eine Bank schon ungewöhnlich. 

Wann geschieht das?

Wir sind mit einer kleinen Anzahl von Kunden bereits gestartet. Darauf wird ein Audit folgen, worauf wir die Anzahl Kunden rascher erhöhen werden, um anschliessend wieder einen Audit durchzuführen.

«Das ist unser Brot-und-Butter-Geschäft»

Dieses gestaffelte Vorgehen entspricht dem regulatorischen Standard. Ich gehe davon aus, dass wir uns den Kunden in den kommenden zwei bis drei Monaten ganz öffnen können.

Was bietet Sygnum an, was sonst niemand kann?

Unser Brot-und-Butter-Geschäft ist vom ersten Tag an Kontoführung, Custody, Brokerage und Handel zwischen Stablecoins und digitalen Assets. Dies alles aus einer Hand und in einem regulierten Bankumfeld. Das ist der erste Schritt.

Was folgt dann?

Fonds und Kreditprodukte werden als nächstes folgen, dann die Tokenisierung von Vermögenswerten, insbesondere von Aktien und Anleihen. So sind wir im Prozess, kleinen und mittelgrossen Unternehmen die Emission und den Handel von Aktien als Token anbieten zu können. Dieser Markt existiert heute noch nicht.

Wann wird das geschehen?

Das Interesse unter den potenziellen Kunden ist eindeutig vorhanden. Wir sind zuversichtlich, dass wir im nächsten Jahr, spätestens aber 2021, die ersten Transaktionen realisieren können.

Sygnum ist ein junges Unternehmen in einem noch nicht etablierten Markt. Wo liegen die grössten Herausforderungen?

Die grösste Aufgabe für Verwaltungsrat und Management wird sein, die Balance zwischen Wachstum und Profitabilität zu halten.

«Es wäre nicht professionell, jetzt Ziele bekannt zu geben»

Wir haben von Investoren 60 Millionen Franken Kapital aufgenommen, aber mit 60 Angestellten in Zürich und in Singapur verbrennen wir derzeit Geld. Wir müssen uns und den Investoren in den kommenden zwölf bis 18 Monaten beweisen, dass wir auch Geld verdienen können.

Wie lauten dafür die Ziele von Sygnum?

Solange wir mit Kunden keinen einzigen Franken Ertrag erzielt haben, wäre es nicht professionell, Ziele öffentlich zu machen.

Können Sie sich eine Rückkehr zum traditionellen Banking vorstellen?

Nein, eigentlich nicht.

Warum nicht?

Warum sollte ich versuchen, die Vergangenheit neu zu erfinden? Es reizt mich, meine Erfahrungen aus meiner bisherigen Karriere in einem neuen und innovativen Gebiet einzubringen und ich liebe es, mit jungen und talentierten Leuten zusammenzuarbeiten.

Wieviel haben Sie in Sygnum investiert?

Darauf gebe ich keine Antwort. Aber es ist keine gewaltige Summe.


Peter Wuffli war sechs Jahre lang Chef der UBS, bis er im Jahr 2007 nach den ersten aufscheinenden Verlusten im US-Hypothekenmarkt zurücktreten musste. Nach einer Pause holte ihn der Asset Manager Partners Group in den Verwaltungsrat, den er anschliessend auch präsidierte. Der frühere McKinsey-Berater investierte im Jahr 2018 in das Krypto-Startup Sygnum und wurde anschliessend in den Verwaltungsrat gewählt. Sygnum hat diesen August zusammen mit der Konkurrentin Seba Crypto von der Finma die Banklizenz erhalten.