Vieles ist denkbar. Wir sind börsenkotiert und verfügen über keinen Ankeraktionär. Ich könnte mir aber vorstellen, dass die Postfinance in einem ersten Schritt alles Interesse hätte, die bei uns und in Deutschland parkierten Volumen auf ihre eigenen Bücher zu holen.

Und dann?

Es bräuchte anschliessend keine grosse Vertriebsorganisation, um im einfachen Hypothekengeschäft zu wachsen. Bei komplexeren Krediten ist der Aufbau eines Vertriebs hingegen sehr aufwändig und langwierig. Dies auch deshalb, weil kaum Leute dafür zu finden sind. Man muss sie selber ausbilden. Schon nur deshalb ist es nicht realistisch, dass die Postfinance innert fünf Jahren für 100 Milliarden Franken Kredite an den Markt bringt.

Valiant wäre im Jahr 2012 fast von der Berner Kantonalbank übernommen worden. Wie nahe stehen sich die grossen Berner Häuser Valiant, Berner Kantonalbank und Postfinance heute?

Man kennt sich, und damit hat es sich auch. Natürlich haben wir wegen der Kooperation im Hypothekargeschäft mehr Kontakt zu Postfinance.

Unter Ihrer Ägide hat die einst höchst kauffreudige Valiant lediglich die kleine Triba Bank übernommen. Werden Sie auch als Verwaltungsrat auf organisches Wachstum pochen?

Um unser Rendite zu steigern und die Eigenkapitalkosten besser zu decken, sollten wir wachsen.

«Das wird einer der harten Konkurrenzkämpfe der Zukunft.»

Darum die Expansion mit den neuen Filialen. Fakt ist: Wenn wir die Volumen nur organisch steigern, dauert es 50 Jahre, bis wir die ideale Grösse erreicht haben. Eine Übernahme wäre demnach logisch. Leider – aus unserer Sicht – findet die Konsolidierung im Schweizer Retailbanking nicht statt.

Wieso?

Wenn die Wirtschaft läuft und die Immobilienmärkte stabil sind, hat keine Retailbank existenzielle Sorgen. Für kleine Banken nimmt der Regulationsdruck künftig sogar ab. Und auch die Digitalisierung verläuft nicht so rasant wie erwartet. Warum sollte also ein Institut seine Unabhängigkeit aufgeben?

Sie haben das Filialkonzept der Valiant angesprochen. Die schalterlosen Geschäftsstellen werden landauf, landab von der Konkurrenz kopiert. Ebenso ist ihr Entscheid, fremde Hypotheken anzubieten, in der Branche auf offene Ohren gestossen. Was kommt als nächstes aus der Innovationsküche der lila Bank?

Wir verfolgen zwei Stossrichtung. Erstens: Das bisherige Geschäft digitalisieren. Das ist ein Kraftakt, den aber alle Marktteilnehmer auf sich nehmen müssen. Zweitens müssen wir bestehende Geschäftsmodelle ablösen. Mit der EU-Richtlinie PSD2, welche ab Herbst in Europa die Öffnung der Banken-Schnittstellen für Drittanbieter fordert, sehen wir im Ausland bereits viel Bewegung. Wir sind überzeugt: das wird auch im Swiss Banking das nächste grosse Ding.

Weshalb?

Stellen sie sich vor: Ein KMU kann über einen Bankzugang sämtliche Bankverbindungen überblicken und die Liquidität bewirtschaften. Das würde die Arbeit der Firmenführung massiv erleichtern. Wer ein solches Angebot etablieren kann, wird einen enormen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz erhalten. Dieses Multibanking, wie wir es nennen, wird unserer Meinung nach zum Gamechanger. Wir lancieren diesen Herbst eine solche Lösung für die KMU.

Wäre dies nicht ein Steilpass für eine gemeinsame Lösung? Oder muss das jetzt wieder jede Schweizer Bank einzeln anpacken?

Ein einheitlicher Technologie-Standard wäre wünschenswert. Aber jede Bank muss das für sich selber unternehmen, das wird einer der harten Konkurrenzkämpfe der Zukunft.

«Es ist fraglich, ob sich Twint durchsetzen kann»

Wer sich ihm nicht stellt, droht zum reinen Produktlieferanten abzusteigen und muss letztlich um die Kunden-Schnittstelle bangen.

Doch bei der Helvetischen Bezahlapp Twint haben aber die Schweizer Banken zusammengespannt – auch die Valiant.

Wir waren bei der letzten Entwicklungsphase von Twint nicht mehr dabei. Es ist fraglich, ob sich Twint im Zahlungsbereich gegen Apple, Google oder Samsung durchsetzen kann. Dazu sind diese internationalen Konkurrenten zu gross und zu mächtig. Unsere Rolle im Zahlungsverkehr könnte künftig im Konsolidieren von Zahlungen liegen, welche die Kunden bei verschiedenen Anbietern tätigen – eben dank dem Multibanking.

Zurück zu Ihnen: Der Turnaround und all die Innovationen haben Ihrer Mannschaft viel abverlangt, Sie gelten nicht als besonders geduldiger Mensch. Können die Valiant-Bänkler unter dem neuen CEO Ewald Burgener bald verschnaufen?

(lacht) Ich sagte am jüngsten Direktionsanlass: Eine Pause gibt es nicht. Wir müssen weiterhin dafür sorgen, dass die Erträge schneller steigen als die Kosten.

«Die Valiant-Verwaltungsräte sind keine Abnicker»

Und mit dem Multibanking werden auf die Kundenberatenden neue Aufgaben zukommen – sie werden die Kunden auch zu Software beraten müssen. Gemütlicher wird es bei Valiant bestimmt nicht werden.

Als Verwaltungsrat sind Sie nicht mehr so nahe dran am operativen Geschehen. Dafür werden Sie jetzt Herrn Burgener piesacken?

Nein, keine Angst. Ewald Burgener arbeitet jetzt mit der Geschäftsleitung und dem Verwaltungsrat zusammen eine neue Strategie aus, die er im Herbst präsentieren wird. Das ist seine Arbeit, auch wenn ich mich als einfaches VR-Mitglied einbringen werde. Und überhaupt: Dass der Gygax im Hintergrund schaltet wie er will, das würden die anderen Valiant-Verwaltungsräte niemals zulassen. Das sind keine Abnicker.

Als Verwaltungsrat werden Sie auch zeitlich mehr Freiraum haben. Wissen Sie schon, was Sie damit anfangen?

Nein, ich musste kürzlich mein Knie operieren. Das muss heilen, bevor ich weiter planen kann. Meine Frau hat sich ein Jahr Auszeit genommen, wir werden wohl mehr unterwegs sein und auch noch Sprachen lernen. Was ich jetzt schon weiss: Ich habe nicht die Absicht, als Verwaltungsrat irgendwelche Mandate zu kumulieren.


Markus Gygax ist seit Ende 2013 CEO der Berner Regionalbank Valiant. Zuvor war der er als Leiter des Retailbanking bei Waadtländer Kantonalbank (BCV) tätig. Vor seinem Engagement bei der BCV arbeitete er von 2002 bis 2008 als Leiter Distribution und Geschäftsleitungsmitglied bei der PosfFinance und führte sowohl den Vertrieb Privatkunden als auch den Vertrieb Geschäftskunden. Am 16. Mai stellt sich Gygax den Valiant-Aktionären zur Wahl in der Verwaltungsrat. Es ist vorgesehen, dass er dort 2020 das Präsidium von Jürg Bucher übernimmt.