Dass die amerikanische Goldman Sachs in den Schweizer Hypothekarmarkt einsteigt, ist derzeit höchst unwahrscheinlich, wie finews.ch erfahren hat. Der Grund dafür liegt auf der Hand.
Bevor Goldman Sachs auf ein Geschäft eintritt, überprüft die US-Investmentbank in der Regel penibel genau die Marktbedingungen und die darin enthaltenen Risiken. Was den legendären Ruf der Wall-Street-Institution ebenfalls ausmacht, ist ihr feines Gespür für die Märkte und lauernde Gefahren.
So traf der Einbruch des US-Hypothekenmarktes im Jahre 2008 Goldman Sachs praktisch nicht, weil sich die Bank schon in den Jahren zuvor ihrer riskanten Positionen entledigt hatte.
Eine deutliche Absage
Nicht zuletzt diesem Ruf ist es geschuldet, dass ein möglicher Eintritt von Goldman Sachs in den Schweizer Hypothekenmarkt auf grosses Echo stiess. Nach einem ersten Bericht in der «NZZ am Sonntag» vom vergangenen Oktober ist das Thema von Nachrichtenagenturen nun erneut aufgebracht worden. Grund waren Aussagen von Stefan Bollinger, dem Schweiz-Chef von Goldman Sachs, die er vergangene Woche gegenüber Journalisten machte. Auch finews.ch war zugegen.
Relativ deutlich erteilte Bollinger – entgegen dem was geschrieben worden ist – dem Schweizer Hypothekarmarkt eine Abfuhr. Der Goldman-Sachs-Partner formulierte es vorsichtig: Seine Bank handle eher antizyklisch als prozyklisch, sagt er.
Diversifikation und Verbriefung
Der Schweizer Markt sei «kompliziert», die Marktstandards würden zu einem beträchtlichen Teil nicht mehr eingehalten. Dies im Vergleich zu den Niederlanden und in Grossbritannien, wo Goldman Sachs daran sei, ein europäisches Portfolio aufzubauen.
Was Goldman Sachs in einem Hypothekarmarkt wie die Schweiz suchen würde, sind nicht etwa Marktanteile von anderen lokalen Anbietern oder die Absicht, an einem allgemeinen Wachstumstrend teilzunehmen.
Ihre Hypotheken-Strategie in Europa dient zweierlei: Der Diversifikation und als Zuliefergeschäft für die Verbriefungsaktivitäten – und dies zu annehmbaren Risiken.
Risiken auf historischem Höchststand
Doch das sind sie für Goldman Sachs nicht – im Gegensatz zu praktisch jeder Schweizer Bank mit Retailgeschäft. So meldete die Zürcher Kantonalbank (ZKB) vergangene Woche ein anhaltendes Wachstum ihres Hypothekargeschäfts um 2,7 Prozent, was etwas langsamer als der Gesamtmarkt sei.
Andere Institute drücken deutlich mehr aufs Gas, schliesslich bildet das Hypothekargeschäft die Haupteinnahmequelle im Schweizer Retailbanking.
Welche Blüten der anhaltende Hypotheken-Boom inzwischen getrieben hat, lässt sich im Bericht zur Finanzstabilität der Schweizerischen Nationalbank (SNB) lesen. Die Tragbarkeitsrisiken seien auf einem historischen Höchststand, heisst es da.
Wohnrenditeliegenschaften besonders exponiert
Als Risikomass gilt hier einerseits die sogenannte «loan-to-income ratio» oder LTI. Diese bezeichnet das Verhältnis von Immobilienkredit (oder Miete) im Verhältnis zum Einkommen. Liegen die kalkulatorischen Kosten bei einem Zinssatz von 5 Prozent über einem Drittel des Einkommens, gilt die Tragbarkeit als riskant. Der zweite Risiko-Indikator ist die «loan-to-value ratio» (LTV), also der Belehnungsgrad.
Die Schweizer Banken haben in den vergangenen Jahren den Anteil von Hypothekarkrediten mit einem Belehnungsgrad zwischen 75 und 80 Prozent erheblich ausgeweitet, insbesondere bei den Wohnrendite-Liegenschaften. Sprich: Banken wie Immobilienentwickler und Wohneigentümer nehmen laufend höhere Risiken.
Und wenn ein Zinsschock kommt?
Geschuldet ist diese Entwicklung den tiefen Zinsen, die Anreize zur Erhöhung der Risikobereitschaft schaffe, so die SNB. Die Währungshüter gehen davon aus, dass sich diese Risiken weiter aufbauen. Ein Zinsschock würde Wohneigentümer in Schwierigkeiten bringen und bei den Banken zu einem massiven Anstieg von Abschreibern führen.
Wie wahrscheinlich dieses Szenario ist, schreibt die SNB nicht. Für Goldman Sachs scheint das Risiko jedenfalls so real zu sein, dass ihre Banker die Hände vom Schweizer Hypothekarmarkt lassen.