Mit der Ernennung von Annika Falkengren gelingt Lombard Odier ein Coup. Was der Zuzug der schwedischen Bankmanagerin, die weder Mitarbeiter noch sich selber schont, für das Genfer Institut bedeutet.
Esse, non videri – sein, nicht scheinen: so lautet das lateinische Motto, nach dem es die schwedische Industriellen-Dynastie Wallenberg zu Macht und Reichtum gebracht hat. Es ist derselbe Wahlspruch, der auch Annika Falkengren (Bild oben) während ihrer aufsehenerregenden Bankkarriere begleitete.
Bei der von den Wallenbergs kontrollierten schwedischen Skandinaviska Enskilda Banken (SEB) begann sie 1987 als Trainee und hatte sich bereits in den Nullerjahren zur Chefin des wichtigen Firmenkunden-Geschäfts hochgearbeitet. Im Jahr 2015 wurde sie zum CEO des Instituts ernannt – als erste Frau in dessen über 150-jährigen Geschichte.
Stirnrunzeln in Genf und Stockholm
Am (heutigen) Montag wurde nun bekannt, dass die 54-Jährige nach exakt drei Dekaden mit der Bank bricht, bei der sie gross geworden ist. Wie auch finews.ch berichtete, wechselt Falkengren per kommenden Juli überraschend als Partnerin zur Genfer Privatbank Lombard Odier.
Die Bankerin, die aus der Kälte kommt, und das noble Genfer Traditionshaus – passt das zusammen? Der Überraschungs-Coup sorgt in Schweden wie in der Schweiz für Aufsehen. Während der Aktienkurs der SEB umgehend unter Druck geriet, runzeln Kenner von Lombard Odier die Stirn: Was versprechen sich die Partner von einer ausländischen Investmentbankerin, die noch dazu ihre ganze Karriere bei der gleichen Bank absolvierte?
Kalte Schauer
Auf Anfrage von finew.ch sagte ein Sprecher von Lombard Odier, Falkengren habe mit ihrer neuen Aufgabe die Nähe zu den Kunden als auch die Rolle als Entrepreneur gesucht. Zudem habe die Schwedin darauf gepocht, weiterhin operativ tätig zu sein.
Nicht wenigen Private Bankern dürfte die Ankunft Falkengrens allerdings kalte Schauer den Rücken hinunterjagen. Denn die resolute Blondine war auf den Chefposten der SEB gehievt worden, um das Geldhaus wieder rentabel zu machen. Das tat sie schnell und kompromisslos. «Sie studiert intensiv die Zahlen, sie fordert schnelle Ergebnisse, und wer die nicht liefern konnte, war draussen», kommentierte einst das deutsche «Manager Magazin» den Arbeitsstil der Vollblut-Bankerin.
Mit 42 erstmals Mutter geworden
Dabei schont sich Falkengren selber so wenig wie andere. Jahrzehnte lang lebte sie nur für die Bank. Mit 42 Jahren wurde sie zum ersten Mal Mutter – kurz bevor sie den CEO-Posten antrat. Der Geburtstermin fiel dabei auf den Sommer. Um so, wie Medien spekulierten, das saisonal ruhigere Geschäft auszunutzen.
Doch der Stil Falkengrens, die im egalitären Schweden rund 1 Million Euro im Jahr verdient, verfing. Im zweiten Quartal 2016 etwa steigerte die SEB ihren Gewinn um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr und schlug damit die Erwartungen der Analysten deutlich.
Seismische Verschiebungen
Dagegen bekam Lombard Odier in den ersten sechs Monaten 2016 das garstige Umfeld fürs Private Banking deutlich zu spüren. Der Gewinn sank gegenüber der Vorjahresperiode um 13 Prozent auf 61 Millionen Franken, wie auch finews.ch berichtete. Die Kosten nahmen derweil zu: Das wichtige Kosten-Ertrags-Verhältnis stieg von 80 Prozent auf 83 Prozent.
Ebenfalls geriet die Genfer Privatbank nach diversen Abgängen von Partnern und Kader 2016 tief in die Gerüchteküche. Die «seismischen Verschiebung» im Westschweizer Privatbankier-Gefüge gingen eindeutig zulasten von Lombard Odier, urteilte finews.ch damals.
Turnaround-Managerin
Das deutet daraufhin, dass sich die Turnaround-Managerin für das Haus Lombard Odier, das derzeit mit 223 Milliarden Franken verwalteten Vermögen zu den grössten Schweizer Privatbanken zählt, als Glücksfall erweisen könnte – sofern die Schwedin sich in der eigenwilligen Partnerstruktur der Bank einbringen kann.
Das sei der Fall, heisst es seitens Lombard Odiers. Die Chemie zwischen ihr und den Partnern – allesamt Männer – funktioniere ausgezeichnet. Zudem: «Eine profitable Organisation ist die Grundvoraussetzung für langfristige Unabhängigkeit», weiss man bei der Privatbank.
Unter ständiger Beobachtung
Tatsächlich hat Falkengren viel Erfahrung mit Familienunternehmen, die von Männern geführt werden. Bei der SEB hatte sie ihr Büro direkt neben demjenigen von Bankpräsident Marcus Wallenberg, selber ein ausgefuchster Investmentbanker. Ein Bullauge erlaubte es diesem offenbar, der Chefin jederzeit bei der Arbeit zuzusehen.
Auch in der Schweiz sind die Wallenbergs durch ihre Beteiligungs-Gesellschaft Investor AB mächtig. So zählen sie etwa zu den Grossaktionären des Badener Industriekonzerns ABB. Zum Wallenberg-Netzwerk bringt Falkengren nun auch ihre Verbindungen als Chefin einer europäischen Grossbank mit nach Genf, wenn sie in den kommenden Monaten von Stockholm in die Rhonestadt übersiedelt.
Ohne goldenen Fallschirm
Kontakte, die für Lombard Odier im Geschäft mit schwerreichen Unternehmerfamilien goldwert sein dürften. Derweil macht sich Falkenberg – ohne goldenen Fallschirm – nach Genf auf. Eine Abgangsentschädigung werde es für sie nicht geben, versicherte sie am Montag an einer Pressekonferenz in Stockholm.
Die am (heutigen) Montag ebenfalls bekanntgegebene Ernennung von Denis Pittet zu einem weiteren Partner bei Lombard Odier (seit Anfang 2017) mutet fast wie ein Gegenpol zur eher «exotischen» Nomination Falkengrens. Denn der langjährige Chefjurist der Bank steht bereits seit 1993 in Diensten des Genfer Hauses. Er war es auch, der massgeblich dazu beitrug, dass Lombard Odier im US-Steuerstreit glimpflich davokam und Ende 2015 «nur» 99,8 Millionen Dollar zahlen musste.
Im Olymp angekommen
Aufgrund seiner juristischen Verantwortung, aber auch wegen seiner langjährigen Firmentreue stand er den Familien der Bank stets sehr nahe. Er amtet auch als Präsident der bankeigenen Stiftung Philanthropia, die als Dach für die philanthropischen Aktivitäten der Klientel dient. Dies alles dürfte mitgeholfen haben, dass der Genfer Pittet nun sozusagen in den Olymp der Privatbankiers in der Rhonestadt aufsteigen darf.
Seit 2015 verantwortete er auch das Geschäft mit den unabhängigen Vermögensverwaltern, wobei er da eher eine Aufsichts- und strategische Funktion inne hatte, während die operative Führung bei Yves Delaporte liegt.
(Mitarbeit: Andreas Britt, Claude Baumann)