Die Affäre um die Millionenverluste eines georgischen Oligarchen nimmt nicht nur für die Credit Suisse immer bedrohlichere Züge an. Der Fall markiert auch für das Schweizer «Russen-Banking» eine Zeitenwende.
Wie eine Babuschka des Schreckens nimmt sich derzeit der Skandal um das verschwundene Vermögen des schwerreichen Georgiers Bidzina Ivanishvili für die Grossbank Credit Suisse (CS) aus. Beinahe täglich taucht hinter der letzten unangenehmen Enthüllung die Nächste auf.
Und stetig steigt die Anzahl der Kläger wie auch der mutmasslich geforderte Schadenersatz.
Für das als Wachstumsmotor geschätzte Geschäft mit reichen Osteuropäern ist der Fall CS inzwischen zum Fall Swiss Private Banking mutiert. Kenner des «Russen-Banking» sprechen gar von einer Zeitenwende, die nun ihre Sparte erfasst habe – und einiges auf den Kopf stellen werde.
«Was wir erleben, ist ein Paradigmen-Wechsel», sagt ein ranghoher Private Banker am Platz Zürich, der ungenannt bleiben möchte. Dass die CS nun über einen Kundenberater stolpere, der ursprünglich gar nicht aus dem Bankfach stammte und dem trotzdem riesige Vermögen anvertraut wurden, sei symptomatisch.
«Wenn er nur gut Russisch sprach»
«Das sind die Nachwehen der 1990er-Jahre und der Jahrtausendwende, als alle nur Wachstum bolzen wollten und schnell einmal einer eingestellt wurde, wenn er nur schon gut Russisch sprach», sagt der Private-Banking-Veteran. Doch wie sich nun bei der CS so schmerzlich zeige, reichten solche Fähigkeiten heute bei weitem nicht mehr aus.
Das hat damit zu tun, dass sich Russland zu einem reiferen Markt fürs Private Banking entwickelt hat. Bestes Beispiel dafür sind die neuen Transparenz-Regeln, die seit Anfang 2015 für russische Bürger gelten.
«De-Offshorisation» heisst das Ziel, das die russischen Steuerbehörden verfolgen. Stark vereinfacht geht es darum, dass reiche Russen ihre Vermögensstrukturen im Ausland transparent machen. Damit soll der Steuerflucht ein Riegel vorgeschoben werden.
Die IT ist ratlos
Schon bei der Konzeption des Gesetzes war Russland von der Rezession bedroht. Konfrontiert mit fallenden Ölpreisen und westlichen Sanktionen hat der Flächenstaat heute noch mehr Interesse daran, den fatalen Kapitalabfluss einzudämmen.
Die Transparenzregeln verstärken einen weiteren Trend: Die Compliance-Abteilungen der Banken interessieren sich mit zunehmender Dringlichkeit für die über die Jahre oftmals wild gewachsenen Vermögensstrukturen der schwerreichen Klientel aus Osteuropa.
Und es stellt sich heraus: Die Kontrolleure sind den oftmals verschachtelten Konstrukten schlicht nicht mehr gewachsen. Insbesondere die herkömmliche Banken-IT sei in der Regel nicht in der Lage, solche Strukturen noch zu erfassen, sagt der Kenner des Geschäfts. Entsprechend müsse für teures Geld nachgerüstet werden, wobei Skaleneffekte kaum zum Tragen kommen – im Gegenteil. «Je grösser die Bank, desto unübersichtlicher die Strukturen», berichtet der Banker.
Ein nicht enden wollender Alptraum
Der Befund ist beunruhigend: Während das Schweizer «Russen-Banking» sich von der unkontrollierten Bonanza in einen «reifen Markt» verwandelt, manövrieren die Schweizer Private Banker praktisch im Blindflug. Und drohen wie im Fall der CS unversehens in Skandale zu stürzen.
Für die jeweils betroffenen Banker und Banken beginnt dann ein nicht enden wollender Alptraum, weiss der Veteran und sagt: «Auf Grund ihres immensen Vermögens können es sich diese Kunden leisten, einen Rechtsstreit über Jahre hinweg eskalieren zu lassen. Und die Klagesummen, die im Spiel sind, erweisen sich selbst für grosse Häuser als enorm.» Von der Reputation gar nicht zu sprechen.