Für die Credit Suisse nimmt die Affäre um die Millionenverluste eines georgischen Oligarchen immer bedrohlichere Züge an. Nun werden die bitteren Vorwürfe des in diesem Fall verhafteten Kundenberaters an seine Ex-Arbeitgeberin publik.
Der Fall geriet erst mit der Verhaftung des Credit-Suisse-Kundenberaters in Genf Ende Januar 2016 richtig ins Rampenlicht. Doch schon im letzten Dezember hatte der Banker einigen Privatdetektiven sein Herz ausgeschüttet.
Die von der Westschweizer Zeitung «Le Temps» jüngst publik gemachte Beichte könnte die Affäre um verspekulierte Vermögen schwerreicher Kunden für die zweitgrösste Schweizer Bank noch peinlicher werden lassen, als sie es schon ist. Denn der inhaftierte Banker bezichtigte seine Chefs, ihn nachgerade im Stich gelassen zu haben.
Doch der Reihe nach. Im Mittelpunkt der Affäre steht Bidzina Ivanishvili, ehemaliger georgischer Premierminister und schwerreich geworden im Geschäft mit Rohstoffen sowie im Banking. Ivanishvili hatte Medienberichten zufolge mehr als 1 Milliarden Franken bei der Credit Suisse (CS) angelegt – ein Vermögen, das jedoch wegen Fehlspekulationen seines Beraters bei der CS in Genf deutlich geschmolzen sein soll.
Die Rede ist von einer Deliktsumme von bis zu 100 Millionen Franken.
Ein Thema für Thiam
Ivanishvili reagierte mit einer Strafklage und fordert seither Schadenersatz. Der könnte beträchtlich ausfallen: Anlässlich des Jahresberichts der CS räumte Chef Tidjane Thiam vor den Medien ein, dass die gestiegenen Rückstellungen für Rechtsrisiken auch den Forderungen eines einzelnen Kunden geschuldet seien. Weitere Details wollte er nicht nennen – die CS äussert sich generell nicht zum Fall.
Das verhinderte jedoch nicht, dass jetzt die Beichte des CS-Kundenberaters gegenüber den auf ihn angesetzten Detektiven ans Licht geriet. Der Bericht von «Le Temps» zeichnet dabei das Bild eines Desasters.
Der Ex-CS-Kundenberater jedenfalls, der mittlerweile in eine geschlossene psychiatrische Abteilung verlegt wurde, war nach eigenen Angaben von den Ereignissen komplett überfordert.
Kosmetik-Fachmann im Banking
Der aus Frankreich stammende Mittfünfziger stiess 2005 zur Grossbank, wo er mit den Jahren zu einem der wichtigsten Kundenberater im Private Banking mit schwerreichen Osteuropäern in der Schweiz aufgestiegen sein soll. Dies aber offenbar weniger wegen seiner fundierten Kenntnisse des Bankwesens – sondern weil er als ehemaliger Kader des französischen Kosmetik-Labels Yves Rocher in Russland mit Region und Sprache vertraut war.
Im Jahr 2007 sollte ihm das zum Verhängnis werden. Denn damals soll der CS-Berater Immobilien-Aktien in einige Kunden-Portefeuilles gebucht haben, die dann im Sog der Finanzkrise abstürzten. Dem Kundenberater zufolge habe er sich daraufhin an seine Vorgesetzten gewandt.
Doch diese sagten lediglich: «Warum die Kunden informieren, wenn diese sich keine Sorgen machen? Schau selber, wie Du damit klarkommst.»
Überfordert und krank
Doch der Kundenberater kam nicht klar. Er verschwieg seinen Kunden die Verluste und versuchte, diese durch neuerliche Spekulationen und Verschiebungen zwischen Portefeuilles wettzumachen – auch jenem von Ivanishvili. Das gelang ihm vorerst auch, wie berichtet wird. Doch dann verstrickte er sich in immer weitere Deals, verlor die Übersicht, war überfordert und bald darauf krank.
Im Herbst 2015 platzte die Blase: Ein spekulativer Wert stürzte ab und riss ein Loch in die Portefeuilles, das sich nicht mehr kitten liess. Die Kunden wollen von nichts gewusst haben und sind nun ausser sich vor Wut.
Interne Untersuchung angeordnet
Und die Frage stellt sich: Konnte der Kundenberater auch vor seiner Arbeitgeberin all die Manipulationen geheim gehalten haben? Nein, sagen die Anwälte der Geschädigten, darunter zwei Russen, die laut «Le Temps» in den nächsten Tagen ebenfalls Klage in der Sache einreichen wollen.
Auch bei der CS sind laut dem Bericht die Dinge intern in Bewegung geraten. Demnach beauftragte die Grossbank die Zürcher Wirtschaftskanzlei Schellenberg Wittmer mit einer internen Untersuchung – und geht mit den Anwälten der Kanzlei Homburger gegen ihren ehemaligen Angestellten vor. Die Schlacht hat damit für die Grossbank erst begonnen.