Nach dem griechischen Nein-Votum schaut alles auf den Krisenherd an der Ägäis. Dabei wären die Entwicklungen in Europas Bankwesen wichtiger.

Man dürfte annehmen, einem Franzosen käme es gelegen, wenn seine Heimat für einmal nicht die Negativschlagzeilen anführt. Doch Bruno Cavalier (Bild unten), Investmentchef des französischen Fondshauses Oddo Asset Management, denkt anders. Ihm zufolge macht einen grossen Fehler, wer dieser Tage dem Krisenherd Südeuropa seine ganze Aufmerksamkeit schenkt.

«Vergessen sie einmal Griechenland», so die überraschende Aufforderung Cavaliers an einer Medienkonferenz in Paris von letzter Woche, bei der auch finews.ch zugegen war. Und überhaupt: 99 Prozent der Nachrichten rund um einen möglichen Grexit sei blosses Inforauschen, findet der Investment-Profi.

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Viel lohnender wäre es, mahnt der Franzose, die europäischen Banken im Auge zu behalten. Denn bei den seit der Finanzkrise arg gebeutelten Instituten ereigne sich derzeit Entscheidendes.

Erste Sprossen

Im Schatten der Grexit-Spekulationen habe der Bankensektor nämlich begonnen, wieder vermehrt Kredite an Unternehmen zu sprechen. So hätten sich die Kredite an den Privatsektor ab letzten Januar positiv entwickelt – nachdem sie trotz gigantischen Liquiditätspritzen der Europäischen Zentralbank (EZB) an die Banken seit 2011 rückläufig gewesen waren. Gleichzeitig sänken die Zinsen für Unternehmenskredite, und die Anzahl von Firmenpleiten habe sich in den letzten drei Quartalen zurückgebildet, analysiert Cavalier.

Das seien «erste Sprossen», hinter denen der Investmentchef eine mächtigen Trieb erkennt: Die Revitalisierung des Investment-Zyklus' in Europa. Und dies – für einmal – dank den Banken.

Blutkreislauf wieder aufgenommen

Denn im Gegensatz zu den USA oder Grossbritannien spielten die Geldinstitute in der Eurozone eine entscheidende Rolle bei der Finanzierung von Firmen, sagt Cavalier: Bei mehr als der Hälfte aller Firmenkredite seien Banken die Gläubiger. Kurz: Ohne sie geht im Wirtschaftsraum nicht viel.

Umso wichtiger ist es deshalb, dass die Banken nun ihre angestammte Funktion als «Blutkreislauf» der Wirtschaft wieder aufnehmen – anstatt das Geld bei der EZB zu parken. Davon dürften sie auch selbst massiv profitieren, so der Oddo-Stratege: Bis 2014 dürften ihre Erträge um nicht weniger als 60 Prozent klettern, erwartet Cavalier.

Die Peripherie ist beschützt

Keine Frage, dass dies das Fondshaus mehr interessiert als noch mehr Griechenland-Verluste. Wobei Oddo der Überzeugung ist, dass die EZB im Gegensatz zur Krise von 2011 inzwischen taugliche Instrumente zur Hand hat, um eine Ansteckung der Eurozone zu verhindern.

«Die Banken haben ihr Griechenland-Engagement heruntergefahren, die Peripherie wird durch die EZB beschützt, und populistische Parteien haben in zahlreichen EU-Staaten mit Negativschlagzeilen zu kämpfen», sagt Cavalier. «Die meisten Ansteckungs-Kanäle sind damit gestopft.»