In der Schweiz sind sie noch immer untervertreten. In Asien hingegen dominieren sie: die Frauen auf den Chefetagen im Private Banking. Selbst die Geburt eines Kindes hält sie bisweilen nicht von der Arbeit ab. Warum ist das so?
Kürzlich durfte Enid Yip (Bild links), Asien-Chefin der Bank J. Safra Sarasin, darüber sinnieren, was sie nachts vom Schlafen abhalte. «Ich denke an meine Kunden», erklärte sie auf der Branchen-Plattform «Asien Private Banker» (Artikel bezahlpflichtig). «Ich denke daran, wie ich das Vertrauen der Kunden rechtfertigen kann, nicht allein durch Performance, sondern durch eine tiefe Beziehung.»
Halten solche Gedanken auch einen männlichen CEO vom Schlaf ab? Vielleicht. Was Enid Yip aber schreibt, ist möglicherweise eine Essenz für die Gründe, warum weibliche Private Banker in Asien so erfolgreich und auch in der Mehrzahl sind.
Ein Verhältnis von 3 zu 2
Gemäss einer Studie des Rekrutierungsunternehmens Korn Ferry International ist das Verhältnis von Frauen zu Männern im asiatischen Private Banking 3 zu 2. In der Schweiz ist es 1 zu 9.
Selbst in Führungspositionen sind Frauen auffallend oft anzutreffen: Die UBS setzt seit Jahren in ihrem wichtigsten Wachstumsmarkt auf die Qualitäten einer Frau – auf Kathryn «Kathy» Shih (Bild links). Zudem verantwortet seit kurzem Amy Lo das Wealth Management der UBS in Hongkong. Bei HSBC ist es Anita Fung, welche die Geschäfte in Hongkong leitet. Mignonne Cheng ist Chairman und CEO des Wealth Managements bei BNP Paribas für die Region Asien-Pazifik.
Bei Morgan Stanley amtet Wei Sun Christianson (Bild links) als Co-CEO für China; in Singapur ist es Amanda Chen, welche das Private Banking leitet. Und Enid Yip verantwortete bereits bei Sarasin die Geschicke in Asien.
Sogar während der Geburt Yen gehandelt
Die Morgan-Stanley-Kundenberaterin Tan Su Shan handelte noch während der Geburt ihres Kindes für einen Kunden Yen, wie im Magazin der Nachrichtenagentur «Bloomberg» nachzulesen ist. Inzwischen hat sie es bis zum Chefposten im Private Banking bei der DBS Bank in Singapur gebracht.
Natürlich ist das bei einem Mann undenkbar. Aber es sind Qualitäten wie diese und Gedankenwelten wie jene von Enid Yip, welche die Dominanz von Frauen im asiatischen Private Banking möglicherweise erklären: unerschrockener Ehrgeiz, Multi-Tasking, Empathie-Fähigkeit, Sensibilität, Geduld, Intuition – es klingt wie eine plumpe Aneinanderreihung weiblicher Clichés.
Gesuchte Qualitäten
Aber gerade diese Qualitäten sind bei asiatischen Kunden offenbar gesucht. Im europäischen und im Schweizer Private Banking beruht die Kundenbeziehung dagegen eher auf nüchtern-professionellen Prinzipien: In Gesprächen dominieren Anlagevorschläge und die Performance im Portfolio.
Zudem ist das hiesige Private Banking «älter»: Die Beziehungen zu den Kunden dauern teilweise bereits Jahrzehnte respektive über mehrere Generationen hinweg, was wiederum die Männerdominanz begründet, die auf einem traditionellen Geschlechterverständnis fusst. Und in diesem ist den Frauen das Verwalten der Finanzen kaum je zugedacht – früher war es zum Teil sogar verpönt, wenn sie arbeiten wollten.
Hüterinnen der Finanzen
In Asien dagegen war es auch im vergangenen Jahrhundert völlig normal, dass Frauen arbeiteten und dabei auch im Geldgeschäft tätig waren. In der Regel ist es in den Familien auch so, dass die (Haus-)Frau die Finanzen hütet und verwaltet.
So sind beispielsweise in Singapur die Einrichtungen für die Kinderbetreuung so gestaltet, dass es für Frauen kaum ein Problem ist, zu arbeiten und Kinder zu haben.
Zwischen Machos und Familienproblemen
Für Frauen spricht offenbar auch die Tatsache, dass der Wohlstand in Asien noch relativ jung ist und die Regelung der Nachfolge demnach noch nicht lange zum Kerngeschäft im dortigen Private Banking gehört.
Darum kann es öfter vorkommen, dass Kundenberater auch als Familiencoaches einspringen müssen. Dies scheint wiederum ein Vorteil für weibliche Private Banker zu sein, deren Feingefühl in solchen Situationen gefragt ist.
Währenddessen gilt der asiatische Mann oft als Macho, der sich bekanntlich eher im «Investment-Gambling» aufgehoben fühlt.