Der Schweizer Privatbankier Konrad Hummler über staatliche Schnüffelei, unversteuertes Geld und den geordneten Konkurs von Grossbanken.
Herr Hummler, haben Sie als Bankier schon einmal unversteuertes Geld aus Deutschland angenommen?
Konrad Hummler: Ich kann diese Frage nicht richtig beantworten. Schliesslich kann ich nicht nachprüfen, ob etwa ein deutscher Bürger seine Einnahmen zu Hause dem Fiskus gemeldet hat oder nicht. Ich würde aber nachfragen, wie er das Geld verdient hat, um sicher zu gehen, dass es nicht aus zwielichtigen Quellen stammt.
Würden Sie das Geld ablehnen, wenn Sie wüssten, dass vor Ihnen ein deutscher Steuerhinterzieher sitzt? Sie haben geschrieben, Steuerhinterziehung sei eine lässlich-begreifliche Sünde.
Für mich ist Steuerhinterziehung eine legitime Reaktion, wenn Bürger glauben, der Staat greife zu stark auf ihr Vermögen oder Einkommen zu, ohne dafür entsprechende Leistungen zu bringen. Meiner Meinung nach ist das in der Bundesrepublik der Fall. Wobei nicht das gegenwärtige Mass der Besteuerung ausschlaggebend ist. Es sind die Erwartungen an die zukünftige Belastung, welche die Bürger zur Steuerhinterziehung treiben. Berücksichtigt man die zukünftigen Pensionsverpflichtungen gegenüber den Beamten und die Belastungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung beträgt die Staatsverschuldung in der Bundesrepublik rund 250 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Unter solchen Umständen wird es für den Bürger schwierig, in Zukunft sein Vermögen überhaupt zu erhalten.
Die Schweiz und Deutschland handeln ein Doppelbesteuerungsabkommen aus. Kern ist, dass die Schweizer den deutschen Behörden beim Verdacht auf Steuerhinterziehung helfen. Hat das Abkommen in der Schweiz angesichts der gestiegenen Deutschland-Feindlichkeit politisch eine Chance?
Die Schweizer sind nicht deutschfeindlich. Sie haben nur Herrn Steinbrück nicht in ihr Herz geschlossen. Aber das Abkommen wird auf politischen Widerstand treffen. Ich betrachte das Doppelbesteuerungsabkommen ohnehin nur als eine Art Zwischenlösung. Die Standards der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit OECD, auf denen das Abkommen mit Deutschland und den anderen Ländern beruht, sind ein Einfallstor für noch mehr staatliche Schnüffelei in den Konten der Bürger. Sie erleichtern beispielsweise die elektronische Überwachung. Der Anleger wird zunehmend kriminalisiert.
Wird Geld in Zukunft noch etwas wert sein? Angesichts der niedrigen Zentralbank-Zinsen und der Ausweitung der Geldmenge in den westlichen Industriestaaten gibt es Inflationsgefahren.
Kurzfristig befürchte ich keine Inflation. Es gibt hohe Überkapazitäten in der Weltwirtschaft. Ausserdem hat sich die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes verringert, was ebenso wie die Überkapazitäten inflationsmindernd wirkt. Mittel- und langfristig sehe ich aber Gefahren für die Geldwertstabilität.
Warum?
Nimmt die Wirtschaft wieder Fahrt auf, werden die Zentralbanken sich davor fürchten, die Leitzinsen anzuheben. Sie wollen den entstehenden Aufschwung nicht im Keim ersticken. Die Politik wird entsprechenden Druck ausüben. So besteht die Gefahr, dass die Notenbanken nicht rechtzeitig die Zinsen erhöhen, um so die Inflation einzudämmen.
Die US-Notenbank unter Paul Volcker hat in den achtziger Jahren erfolgreich die Inflation bekämpft – trotz steigender Arbeitslosigkeit und politischen Drucks.
Das stimmt. Aber ich bin trotzdem überzeugt, dass die eine oder andere Zentralbank nicht den richtigen Zeitpunkt erwischt, um inflationären Tendenzen gegenzusteuern. Es wird da zu einigen Unfällen kommen.
Hätte die Krise verhindert werden können, wenn der US-Zentralbankchef Alan Greenspan nach dem Platzen der Internetblase 2001 die Leitzinsen früher erhöht hätte? Billiges Geld war die Ursache für den fragwürdigen Immobilienboom in den USA.
Die Gründe für die Immobilienblase reichen weiter zurück. Sie ist weniger ein Problem der Geldmenge. Vielmehr konnten alle grossen Teilnehmer an den Finanzmärkten seit dem Börsencrash 1987 sicher sein, dass sie von staatlicher Seite gerettet werden würden. Danach mussten die grossen Banken keine entsprechend hohen Risikoaufschläge mehr zahlen, wenn sie sich Geld bei anderen Banken liehen. Das war verführerisch: Die Bilanzen der Grossbanken wurden immer grösser und man gab langfristige Kredite aus, die man kurzfristig refinanzierte. Was der goldenen Bilanzregel widerspricht: Banken müssen langfristige Kredite mit einer langfristigen Mittelaufnahme absichern.
Die USA haben Lehman Brothers pleite gehen lassen. Das hat die Krise doch erst verschärft.
Pleiten tun immer weh. Aber jetzt zahlt der Steuerzahler die Zeche und nicht die, die für das Desaster verantwortlich sind. Banken müssen auch bankrott gehen können, aber nicht so ungeordnet wie bei Lehman Brothers. Was wir brauchen, ist der geordnete Konkurs einer Bank.
Wie kann man sich das vorstellen?
Zuerst sind die Aktionäre mit dem Verlust ihrer Wertbeteiligung dran, dann kommt der nachrangige Anleihebesitzer an die Reihe. Fehlt immer noch Kapital, verlieren die übrigen Gläubiger ihr Geld. Die Einlagen der Sparer sind dabei abgesichert.
Sie haften als Privatbankier mit Ihrem eigenen Vermögen. Die Privatbank – der beste Schutz vor weiteren Finanzkrisen?
Gäbe es nur Privatbanken, in denen die Gesellschafter persönlich haften, hätte es keine Krise solchen Ausmasses gegeben. Aber eine Privatbank hat ihre Grenzen. Wenn sie milliardenschwere Finanzierungen stemmen müssen, brauchen sie börsennotierte Grossbanken, die auf viel Kapital zurückgreifen können
In denen das Management zwar entscheidet, aber dank cleverer Arbeitsverträge kaum ein persönliches Risiko trägt.
Ich habe vorgeschlagen, dass zuerst das Management mit seinem eigenen Vermögen haftet, ehe der Staat einer in Schwierigkeiten steckenden Grossbank hilft. Viele in der Bankbranche fanden das nicht gut, dafür habe ich Applaus von den Linken bekommen, was mich gefreut hat.
Viele sehen in der gewachsenen Gier die Ursache für das Finanzdebakel.
Die Gier ist in der menschlichen Geschichte eine Konstante. Es kommt darauf an, ob man der Gier eine Gelegenheit gibt.
Ihnen wird der Spruch zugeschrieben: «Der wahre Bankier ist ein Anarchist». Warum?
Ich habe einmal auf das Buch «Le Banquier anarchiste» des portugiesischen Philosophen Fernando Pessoa hingewiesen. Darin wird die Überzeugung vertreten, dass ein guter Bankier ausserhalb der Konventionen des Systems steht, um seine Kunden wirklich gut beraten zu können. Anders gesagt: Ein Bankier sollten nie gierig auf Geld sein.
ZUR PERSON: KONRAD HUMMLER
Der persönlich haftende geschäftsführende Gesellschafter der St. Galler Privatbank Wegelin hat in Zürich Jura und in Rochester (USA) Ökonomie studiert. Die Welt der Grossbanken kennt er aus seiner Zeit bei der Schweizerischen Bankgesellschaft. Seit 1991 ist der 1953 geborene Sohn eines Politikers bei Wegelin & Co. Privatbankiers. Wenn Konrad Hummler spricht, sind die Säle voll. Er gilt als einer der glaubwürdigsten Bankiers. Er selbst sagt über sich: «Ich bewege mich am Rande der Finanzszene. Ich habe kein Interesse, das zu denken, was andere denken.»
Das Interview führte Bernd Kramer. Er ist Ökonom und langjähriger Wirtschaftsredaktor der «Badischen Zeitung» in Freiburg im Breisgau.