Deutschland: Moody's mahnt
Das Wahlergebnis ist für die Schuldnerqualität Deutschlands nur leicht positiv, sagt die Ratingagentur Moody's. Und sie mahnt, dass eine neue Regierung die strukturellen Probleme anpacken muss.
Die Ratingagentur Moody's stimmt in einem Kommentar zu den Bundestagswahlen in Deutschland in den Chor der meisten Analysten ein und erwartet nur begrenzten Schwung für die nötigen Reformen.
Es werde für eine Koalition aus CDU und SPD schwierig werden, sich auf ein umfassendes Programm von Strukturreformen zu einigen, die massgeblich den Arbeitsmarkt liberalisierten und private Investitionen förderten. Die Wahl werde damit nur einen bescheidenen positiven Einfluss auf die Schuldnerqualität Deutschlands haben.
Strukturprobleme könnten längerfristig die Spitzenposition unterhöhlen
Ratingmässig besteht allerdings auch gar kein Aufwärtspotenzial mehr. Bereits heute bewertet Moody's deutsche Bundesanleihen mit der Topnote Aaa, und der Ausblick für Deutschland ist stabil.
Längerfristig könnte es aber durchaus in die andere Richtung gehen. Moody's erinnert an die Wirtschaftsstagnation und den hohen Finanzierungsbedarf im Verteidigungsbereich und bei der Infrastruktur, aber auch an strukturelle Entwicklungen wie das absehbare alterungsbedingte Schrumpfen der Erwerbsbevölkerung. Packe Deutschland die strukturellen Herausforderungen nicht an, könnte dies die Wirtschaftskraft, die Institutionen und die Regierungsführung (Governance) beeinträchtigen, warnt die Ratingagentur.
Die Schuldenbremse als Politikum im künftigen Bundestag
Kurzfristig wäre ein baldiger Abschluss eines Koalitionsvertrags und eine entsprechende Regierungsbildung positiv für die Bonität, weil dies die Unsicherheiten um das Budget 2025 reduzieren würde. Ganz abgesehen von den Strukturproblemen bestehe die grösste Herausforderung für eine künftige Regierung darin, die höheren Verteidigungsausgaben und öffentlichen Investitionen mit der Schuldenbremse unter einen Hut bringen.
Moody's geht nicht davon aus, dass im neuen Bundestag die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Anpassung der deutschen Schuldenbremse erreicht wird. Die AfD hat angekündigt, sich kategorisch gegen jede Reform der Schuldenbremse zu stemmen. Und die erstarkte Linke dürfte einer Lockerung, die höhere Militärausgaben ermöglicht, kaum zustimmen. Zur naheliegenden Frage, ob die Schuldenbremse in ihrer aktuellen strengen Form für die Bonität Deutschlands grundsätzlich ein positiver Faktor ist oder nicht, äussert sich die Agentur allerdings nicht.
Weniger strikt gegenüber Mehrverschuldung auf europäischer Ebene
Dagegen rechnet sie mit Auswirkungen auf europäischer Ebene. Wegen der Blockade im Inland könnte die künftige deutsche Regierung offener gegenüber einer (weiteren) Lockerung des (bereits mehrfach aufgeweichten) Stabilitäts- und Wachstumspakts sein, wie sie von der Präsidentin der EU-Kommission, der ehemaligen CDU-Bundesministerin Ursula von der Leyen, bereits vorgeschlagen wurde. Aber auch die Haltung gegenüber einer gemeinschaftlichen Mittelaufnahme zur Finanzierung der Verteidigungsaufgaben könnte offener werden, vermutet Moody's.
Die Bonität Deutschlands ist auch für viele Schweizer Anleger eine zentrale Grösse, nicht nur wegen der Benchmark Bundesanleihen. Auch das Rating der Obligationen von deutschen Bundesländern und vielen weiteren Emittenten aus dem Nachbarland hängt stark von der Einstufung des «Sovereign» ab. Und auf europäischer Ebene ist Deutschland bisher ein Stabilitätsanker, der dafür sorgt, dass sich auch die EU und ihre Institutionen relativ günstig Mittel beschaffen können.