Firmenkredite: So profitiert Raiffeisen vom CS-Aus

Für Schweizer Unternehmen hat sich die Mittelbeschaffung verteuert. Das liegt aber nicht daran, dass die Banken ihre Margen ausgeweitet haben. Gründe sind vielmehr die gestiegenen Refinanzierungskosten und die Regulierung. Alternativen zum bilanzbelastenden Kreditgeschäft sind gemäss Roger Reist, Leiter Firmenkundengeschäft bei Raiffeisen, limitiert. Die Genossenschaftsbank will kein eigenes Bonitätsresearch aufbauen – hält sich aber eine Hintertür offen.

Im Geschäft mit Schweizer Firmenkunden sind nach dem jähen Ausscheiden der Credit Suisse (CS) im März 2023 die Karten neu gemischt worden. Allerdings ist bis heute nicht klar ersichtlich, welche Bank welche Karten erhalten hat, also wer Marktanteile dazugewinnen konnte und wer nicht.

Die meisten in- und ausländischen Institute geben zwar an, dass die Anfragen von Schweizer Unternehmen deutlich zugenommen hätten und das Interesse an neuen Finanzierungspartnern rege sei – werden aber vorsichtig, wenn es um konkrete Zahlen geht.

«Neukunden von unterschiedlichen Wettbewerbern»

Auch Raiffeisen hält im Jahresabschluss 2024 fest, dass man 5000 neue Firmenkunden dazugewonnen hat – sie sind aber gemäss Christian Poerschke, Vorsitzender der Geschäftsleitung ad interim, «von unterschiedlichen Wettbewerbern gekommen».

Doch wie wirkt sich der CS-Effekt im Firmenkundengeschäft, also bei der Kreditvergabe und der Emission von Anleihen, konkret aus, und warum ist er so schwierig zu beziffern?

Zweitgrösste Bank im Firmenkreditgeschäft

Wenn jemand diese Fragen beantworten kann, dann ist es Roger Reist, der bei Raiffeisen Schweiz das Departement Firmenkunden, Treasury & Markets leitet. Reist ist seit 2020 bei der Genossenschaftsbank und war vorher u.a. als Leiter Devisen, Noten und Edelmetalle für die Zürcher Kantonalbank (ZKB) und als Zinshändler für die UBS Investment Bank tätig.

«Kreditverträge weisen üblicherweise Laufzeiten zwischen drei und sechs Jahren auf, entsprechend schwierig ist es, den CS-Effekt jetzt schon zu quantifizieren, erklärt er im Gespräch mit finews.ch. «Wir verzeichnen deutlich mehr Anfragen, aber auch ein spürbares Wachstum – und ein Teil davon geht auf CS zurück». Raiffeisen sei nach der UBS nun die zweitgrösste Bank im Firmenkreditgeschäft, hält Reist fest. «Das hat uns natürlich geholfen.»

Mehr Federführungen im Anleihengeschäft

Auch im Emissionsgeschäft mit Unternehmensanleihen hat Raiffeisen ihren Marktanteil als federführende Bank (Lead Manager) gesteigert. «Hier sind wir als die neue Nummer 3 eine von vielen Schweizer Corporates geschätzte Alternative zur UBS und zur ZKB.» Reist schränkt aber ein: «Bei sehr internationalen Multis wie zum Beispiel Roche, Nestlé oder Novartis stehen auch die grossen ausländischen Banken für die Federführung quasi Schlange – das ist weniger unser Revier.»

Verändert hat sich in den letzten zwei Jahren nicht nur die Wettbewerbssituation, sondern auch die Refinanzierungsseite. Zwar ist das allgemeine Zinsniveau 2024 deutlich gesunken, doch haben sich die Aufschläge, die Banken ihrerseits am Anleihenmarkt für eigene Emissionen bezahlen müssen, markant erhöht, im zehnjährigen Bereich um etwa 30 Basispunkte gegenüber dem Swapsatz.

Teurere Refinanzierung und verschärfte Liquiditätsvorschriften

«Ein Faktor sind neben dem Kapitalmarkt die verschärften Liquiditätserfordernisse für systemrelevante Institute», führt Reist aus. «Auch Raiffeisen muss heute einen deutlich grösseren Liquiditätspuffer in Form von hochwertigen, liquiden Aktiven, hauptsächlich in Form von Sichtguthaben bei der Nationalbank halten. Unter dem Strich bezahlen wir dafür.»

Die Finanzierung über hypothekarisch besicherte Darlehen bei der Pfandbriefbank (die Kantonalbanken haben mit der Pfandbriefzentrale ein eigenes Finanzierungsvehikel), welche die Mittel über die Emission von Pfandbriefanleihen beschafft, hat sich ebenfalls verteuert.

«Der Markt spielt weiter, Unternehmen haben eine Auswahl von Offerten»

Eine günstige weitere Finanzierungsquelle bilden die Kundeneinlagen – aber auch hier wird es schwieriger, das Wachstum hat sich bei Raiffeisen wie bei den meisten anderen Banken verlangsamt.

Hat der Wegfall der CS dazu geführt, dass Raiffeisen die Praxis in der Kreditvergabe verändert hat, um Marktanteile zu gewinnen? Reist verneint. «Wir haben unsere Standards nicht nach unten angepasst.» Und er stellt fest, dass der Markt weiter spielt und die Unternehmen in der Regel eine Auswahl an Offerten haben. Aber die teurere Refinanzierung und die Regulierung haben ihren Preis. «Kredite sind deshalb teurer geworden – und nicht etwa darum, weil die Banken ihre Margen ausgeweitet hätten.»

Alternativen zum Kreditgeschäft stossen an Grenzen

Im Firmenkundengeschäft herrscht weiterhin ein gesunder Wettbewerb, für eine Kreditverknappung oder gar eine Kreditklemme (Credit Crunch) sieht Reist keine Anzeichen. «Wenn die Nachfrage nach Krediten das Angebot übersteigen würde, müssten der Preis und die Marge grösser werden. Das ist bisher definitiv nicht der Fall.»

Und wie steht es mit Alternativen zum klassischen Kreditgeschäft, das die Bilanzen der Banken belastet? Eine traditionelle Quelle zur Mittelbeschaffung bildet der Anleihenmarkt. «Dort braucht es für eine erfolgreiche Platzierung von Corporate Bonds eine bestimmte Grösse», gibt Reist zu bedenken. Spezialsegmente wie Wandelanleihen oder Corporate Hybrids, die für Unternehmen mit unterdurchschnittlicher Kreditqualität grundsätzlich attraktiv sein könnten, haben hierzulande aus diversen Gründen einen schweren Stand.

Lücke im Credit Research der Banken

Auch die derzeit vielgelobten Privatmärkte bieten gemäss Reist meist keine Alternative. «Das Potenzial für private Darlehen (Private Credit) ist in Schweiz begrenzt, weil die Renditevorstellungen von Investoren und Schuldnern oft auseinanderklaffen.» Genauso wenig durchgesetzt hätten sich bisher innovative Finanzierungsformen wie Crowd-Lending.

Mit dem Wegfall der CS ist nicht nur ein wichtiger Akteur im Geschäft mit Firmenkrediten und Unternehmensanleihen verschwunden. Die Grossbank hatte auch ein versiertes Credit-Research-Team. Es analysierte u.a. die Bonität von Unternehmensschuldnern – die entsprechenden Ratings wurden – wie heute noch die Bewertungen der UBS, ZKB und der Schweizer Ratingagentur Fedafin – für den Swiss Bond Index (SBI), die Benchmark für den Frankenanleihenmarkt, verwendet.

«Würden den Aufbau einer eigenen Bonitätsanalyse prüfen»

Weshalb springt nicht Raiffeisen Schweiz in die Lücke, so dass wieder Ratings von drei Banken zur Verfügung stehen? Insbesondere für Schweizer Unternehmen, die sich nicht von den internationalen Ratingagenturen einstufen lassen haben, sind diese Noten zentral, wenn sie sich am Markt Mittel beschaffen wollen.

Reist winkt ab, aber nicht kategorisch: «Die Ratingabdeckung ist heute gut genug, aber wenn sich am Markt ein klarer Bedarf nach einem zusätzlichen Anbieter zeigt, würden wir den Aufbau einer eigenen Bonitätsanalyse prüfen.»